Drucksache 18 / 16 745 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) vom 16. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Oktober 2018) zum Thema: Versäumnisse des Landgerichts Berlin? Sexualstraftäter aus Sicherungsverwahrung freigelassen. und Antwort vom 01. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16 745 vom 16. Oktober 2018 über Versäumnisse des Landgerichts Berlin? Sexualstraftäter aus Sicherungsverwahrung freigelassen. ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Bezugnehmend auf die Schriftliche Anfrage Drucksache 18/10127, Fragen 2, 4 und 5: Gibt es mittlerweile eine statistische Erfassung? Wenn ja, bitte die Fragen verlängert um 2017 und 2018 beantworten. Wenn nein, gedenkt der Senat eine statistische Erfassung zu erheben? Zu 1.: Die Erhebung von statistischen Daten bei den Strafgerichten erfolgt auf der Grundlage der im Ausschuss für Justizstatistik der Landesjustizverwaltungen bundesweit abgestimmten und von den Ländern erlassenen „Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in Straf- und Bußgeldverfahren (StP/OWi-Statistik)“. Die Ergebnisse der koordinierten Landesstatistiken werden sodann von dem statistischen Bundesamt in den Fachserien veröffentlicht. Ausweislich der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Fachserie 10 Reihe 2.3 hat sich die Dauer zwischen Eingang des Verfahrens erster Instanz beim Landgericht in Strafsachen bis zum Erlass eines Eröffnungsbeschlusses wie folgt entwickelt (in Monaten ): Jahr 2013 2014 2015 2016 2017 2018 (I. Quartal) 2018 (II. Quartal) Berlin 2,3 2,3 2,0 2,3 2,8 2,3 3,4 Bund 2,9 3,1 3,1 3,0 3,3 0* 0* *Für 2018 liegen noch keine statistischen Daten vor. Eine statistische Erfassung zu den Fragen 2, 4 und 5 der Drucksache 18/10127 findet weiterhin nicht statt. Statistische Erhebungen werden zwischen den zuständigen Landesjustizverwaltungen abgestimmt und mit Blick auf aktuelle Informationsbedürfnisse der Justiz und anderer öffentlicher Stellen regelmäßig in angemessenem Umfang fortgeschrieben . Dabei stehen die Vorbereitung und Evaluierung von Gesetzesvorhaben sowie zwingende Erfordernisse aufgrund europarechtlicher Vorgaben im Vordergrund. Wenngleich die Statistiken auch für die Geschäftsverteilung und zur Beantwortung von Anfragen der Presse und der Parlamente benötigt werden, können deshalb nicht alle Anregungen zu Datenerhebungen berücksichtigt werden. 2 2. Bezugnehmend auf die Schriftliche Anfrage Drucksache 18/10127, Frage 3: Wie viele Strafverfahren waren in erster Instanz im Zwischenverfahren anhängig vor dem Landgericht Berlin für die Geschäftsjahre 2016 bis 2018? Bei wie vielen Strafverfahren kam es zur Eröffnung des Hauptverfahrens getrennt nach den oben genannten Jahren? Bei wie vielen Verfahren wurde die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens abgelehnt bzw. eine Entscheidung nach § 209 StPO getroffen? Zu 2.: Jahr 2016 2017 I. Quartal und II. Quartal 2018 Eingänge 792 801 428 Erledigungen 768 738 410 Bestand 484 547 565 Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 13 13 16 Eröffnung des Hauptverfahrens vor einem Gericht niederer Ordnung 82 96 49 Eröffnung des Hauptverfahrens vor einem Gericht höherer Ordnung 1 0 0 3. Welche Maßnahmen trifft der Senat, neben einer statistischen Auswertung (oder auch nicht), um einen Überblick über die Arbeitsbelastung, bzw. Überlastung des Landgerichts zu erkennen und zu überwachen? Zu 3.: Die Präsidentin des Landgerichts Berlin und der Vizepräsident der für Strafsachen zuständigen Dienststelle des Landgerichts Berlin stehen in ständigem Austausch mit der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. Dadurch ist die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung über die Arbeitsbelastung des Landgerichts Berlin stets informiert. Um Überlastungen entgegenzuwirken und auf die unterschiedlichen Belastungen der Strafkammern bzw. einzelner Richterinnen und Richter zu reagieren, erfolgen vom Präsidium des Landgerichts (dort wird die Geschäftsverteilung geregelt) gezielte Entlastungsmaßnahmen – etwa die Herausnahme der Kammer aus den Haftringen oder persönliche Entlastungen durch Herausnahme aus den Vertretungsringen –. Dies geschieht zum einen auf der Grundlage von Monats- und Quartalsstatistiken zu den Geschäftszahlen der Strafkammern, die ausgewertet werden und die Anlass zu gezielter Nachfrage über die Situation in der Kammer bei den Vorsitzenden oder zu Besprechungen im Fachbereich geben können. Zum anderen teilen die Vorsitzenden der Strafkammern Belastungsspitzen in den Haftsachen von sich aus mit bzw. melden sich die Richterinnen und Richter bei der Verwaltung mit einer Überlastungsanzeige. Schließlich ergibt sich aus der Auswertung des Personalbedarfsberechnungssystems PEBB§Y, dass einem aktuell errechneten Bedarf von 97,74 Arbeitskraftanteilen (AKA) für Strafsachen am Landgericht aktuell 136,21 Arbeitskraftanteile von Richterinnen und Richtern am Landgericht in Strafsachen gegenüberstehen. Somit ergibt sich aktuell ein Überhang von 38,47 AKA. 4. Laut Pressemitteilung (z. B. Berliner Morgenpost, Sexualstraftäter soll erneut ein Kind missbraucht haben , 09.10.2018) mussten zwei Sexualstraftäter aus der Sicherungsverwahrung freigelassen werden, weil das Landgericht Berlin eine Frist versäumt hatte. Wie viele ähnliche Fälle gab es seit 2013 bis heute? Bitte kurz beschreiben, welche Versäumnisse des Landgerichts zu vorzeitigen Entlassungen von Straftätern geführt haben. 3 Zu 4.: Hierzu liegen keine statistischen Informationen vor. 5. Welche Gründe sieht der Senat für derartige Versäumnisse und welche Maßnahmen werden dagegen ergriffen? Zu 5.: Zu den Gründen, die in dem konkreten unter Frage 4 benannten Einzelfall zu Versäumnissen geführt haben mögen, kann keine verallgemeinerbare Aussage getroffen werden. 6. Wie hat sich die Zahl der Richter am Landgericht Berlin in Strafsachen in den letzten 10 Jahren entwickelt ? Zu 6.: Die Anzahl der Richterinnen und Richter am Landgericht in Strafsachen (in Arbeitskraftanteilen ) für die letzten 10 Jahre stellt sich wie folgt dar: 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 114,36 108,69 109,87 109,22 105,56 103,72 112,03 115,24 132,26 136,21 7. Frau Oberstaatsanwältin Petra Leister (Staatsanwaltschaft Berlin; Leiterin der Abteilung Organisierte Kriminalität) äußerte bei einer Anhörung im Innenausschuss am 24.09.2018 folgendes: „Auf der Seite des Gerichts ist es für uns auch wichtig, wir kommen häufig dazu, hochkarätige Taten anzuklagen, aber es gibt keine Kapazitäten aufseiten des Gerichts, diese Fälle zu verhandeln, weil diese Verhandlungen nun mal – die Verteidiger wurden schon erwähnt – so lange dauern, dass schlicht die Kammern überlastet sind. Das heißt, für uns wäre wichtig, dass natürlich sowohl die erweiterten Schöffengerichte als auch die Landgerichte so ausgestattet sind, dass zeitnah Verhandlungen möglich sind“ (Wortprotokoll InnSichO 18/30). Was gedenkt der Senat kurz- mittel- und langfristig zu unternehmen, um eine Überlastung der Kammern bei den erweiterten Schöffengerichten und dem Landgericht reduziert werden und ausreichend Kapazitäten für Verhandlungen vorhanden sind? Zu 7.: Mit dem Doppelhaushalt 2018/2019 wurden zusätzliche Richterstellen zur Einrichtung von vier neuen großen Strafkammern bereitgestellt. Daneben wurden sowohl im Jahr 2018 als auch für das Jahr 2019 gemäß Ziff. 1.8 zu § 49 Landeshaushaltsordnung (LHO) jeweils vier Richterstellen zur Stärkung der Strafjustiz dem Landgericht Berlin zugewiesen . Hinsichtlich der konkreten Anzahl von allgemeinen großen Strafkammern, Wirtschaftsstrafkammern und Schwurgerichtskammern am Landgericht Berlin und deren Entwicklung in den letzten Jahren wird auf die Schriftlichen Anfragen Nrn. 18/16642, 18/16643 sowie 18/16644 verwiesen. Berlin, den 1. November 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung