Drucksache 18 / 16 782 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Nicole Ludwig (GRÜNE) vom 16. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Oktober 2018) zum Thema: Wie attraktiv ist Berlin als Wirtschaftsstandort? und Antwort vom 01. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Frau Abgeordnete Nicole Ludwig (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16782 vom 16.10.2018 über Wie attraktiv ist Berlin als Wirtschaftsstandort? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Branchen sind vordergründig für das anhaltende Wirtschaftswachstum Berlins verantwortlich ? Wie viele Arbeitsplätze wurden seit 2015 in den entsprechenden Branchen gegründet? Zu 1.: Von 2014 bis 2016 ist die Bruttowertschöpfung (BWS) um 8,8 Prozent gewachsen . Daten für 2017 sind noch nicht veröffentlicht. Wachstumstreiber waren folgende Branchen: Branche Anteil in Prozentpunkten am BWS-Wachstum Veränderung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung 2017/2015 Absolut in % Information und Kommunikation 1,7 +15.400 +20,3 Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz 1,1 +8.100 +5,0 Erziehung und Unterricht 1,1 +10.900 +12,7 Freiberufl. wissenschaftl. u. techn. Dienstleister 0,9 +57.200 +11,5 Sonstige Unternehmensdienstleister 0,9 +70.700 +13,9 2. In welchen Branchen werden die meisten Unternehmensgründungen verzeichnet? Wo steht Berlin hier im internationalen Städtevergleich? Welche Gründe gibt es für Unternehmer*innen in Berlin zu gründen? Zu 2.: Dargestellt sind im Folgenden Betriebsgründungen. Bei Betriebsgründungen handelt es sich um Gründungen, bei denen bspw. ein Eintrag im Handelsregister oder eine Handwerkseigenschaft vorliegt bzw. mindestens eine Arbeitnehmerin/ein 2 Arbeitnehmer beschäftigt wird und denen daher ein höheres wirtschaftliches Gewicht zugerechnet wird. Betriebsgründungen nach Branchen (2017) Branche Betriebsgründungen in 2017 Handel 2.041 Gastgewerbe 1.269 Freiberufl. Wiss. & techn. Dienstleistungen 1.218 Sonst. Wirtsch. Dienstleistungen 912 Information und Kommunikation 799 Amtliche statistische Erhebungen, die die Anzahl von Gründungen im internationalen Städtevergleich erheben, sind uns nicht bekannt. Die einzige weltweite Erhebung – der Global Entrepreneurship Monitor GEM – vergleicht die Zahlen auf nationaler Ebene, die allerdings stark von der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur geprägt sind. Entscheidender als die Anzahl der Gründungen ist deshalb die internationale Wahrnehmung Berlins als attraktiver Standort für technologieorientierte Startups. Hier wird Berlin in allen uns bekannten Studien zu den führenden Startup-Ökosystemen der Welt und zu den TOP 3 in Europa gezählt (z.B. Global Startup Ecosystem Report 2017, Startup Europe Heatmap 2018). Dieses Ökosystem – das enge Netzwerk aus Startups, etablierten Unternehmen, Inkubatoren und Akzeleratoren, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Kapitalgebern und Fördereinrichtungen – macht die Attraktivität für ausländische Gründerinnen und Gründer aus. Hinzu kommen die hohe Verfügbarkeit von Fachkräften aus dem In- und Ausland, die Internationalität der Stadt (Geschäftssprache in den meisten Startups ist Englisch), die starke Präsenz nationaler und internationaler Wagniskapitalgeber, sowie ein ausgebautes öffentliches Unterstützungsangebot, das von kostenlosen Seminaren im Rahmen des Businessplan-Wettbewerbs über Stipendien und Gründungszuschüsse bis zum VC-Fonds der Investitionsbank Berlin (IBB) alle Instrumente bietet, um Startups in der Anfangsphase umfassend zu fördern. 3. Wie hoch ist die Anzahl von Unternehmensgründungen der Digitalwirtschaft im nationalen und internationalen Vergleich und welche Bereiche der Digitalwirtschaft sind besonders stark vertreten? Zu 3.: Laut einer Studie der IBB von Oktober 2018 gab es in Berlin 2017 521 Betriebsgründungen in der Digitalwirtschaft. In Deutschland gab es insgesamt 4.957 Betriebsgründungen. Eine besonders hohe Gründungszahl weist der Bereich Software- und Datendienstleister mit 436 Gründungen, gefolgt vom Digitalen Handel (56 Gründungen), auf. International verfügbare und vergleichbare Daten werden in der Studie nicht ausgewiesen . 4. Wie groß ist der Anteil der Startups, die nicht in Berlin gegründet wurden sondern erst später gezielt Berlin als Standort ausgesucht haben? Welche Gründe stehen nach Ansicht des Senats hinter der Entscheidung, als Startup den Standort Berlin zu wählen? 3 Zu 4.: Daten für Startups werden von der amtlichen Statistik nicht erfasst. Laut einer externen Auswertung der Startup-Landschaft von Startup Genome ist fast jedes fünfte ansässige Startup außerhalb von Berlin gegründet worden (Startup Genome, Global Startup Ecosystem Report 2018, S. 166). Das ist der höchste Anteil der weltweit untersuchten Gründungshubs und wird als wichtiger Indikator für das weitere Wachstum der Startup-Szene betrachtet, da die bereits bestehenden nationalen und internationalen Vernetzungen der Startups bei ihrer Weiterentwicklung zu größeren Unternehmen („Scale-ups“) helfen können. Die Gründe für einen Zuzug nach Berlin entsprechen im Wesentlichen den unter 2. genannten Gründen für eine Existenzgründung in der Stadt. 5. Welche Aussagen können in dem Zusammenhang zu Gründungen durch Frauen gemacht werden? Zu 5.: Über alle Berliner Branchen hinweg beträgt die Quote der Existenzgründungen durch Frauen etwa 30 % (bezogen auf die Gründung eines gewerblichen Einzelunternehmens ). Im Bereich der technologieorientierten Startups lässt sich diese Quote nicht der amtlichen Statistik entnehmen. Umfragebasierte Studien wie der Deutsche Startup-Monitor zeigen jedoch, dass die Frauen-Quote bei Startup-Gründungen unter 20 % liegt und Frauen damit deutlich unterrepräsentiert sind. Es ist erklärtes Ziel der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, vermehrt Frauen für die Gründung zu interessieren. Instrumente hierfür sind u.a. der Berliner Unternehmerinnentag, der gezielt selbständige Frauen bzw. Frauen, die sich für eine Unternehmensgründung interessieren, anspricht sowie die Vorstellung positiver Beispielunternehmerinnen durch den alle zwei Jahre vergebenen Preis zur „Unternehmerin des Jahres“. 6. Wie hoch sind die Venture Capital Investitionssummen in Berlin im Vergleich zu Bayern, Baden- Württemberg, Hamburg und der gesamten Bundesrepublik in der Digitalwirtschaft und im produzierenden Bereich? Zu 6.: Venture Capital Investitionen werden in der IBB Studie zur Digitalwirtschaft nicht gesondert ausgewertet und sind auch beim Amt für Statistik für die Digitalwirtschaft sowie den produzierenden Bereich nicht verfügbar. Der jährlich erscheinenden Ernst&Young-Studie zum Thema Start-up-Barometer 2017 zu Folge betrug der Wert der Start-up-Finanzierungsrunden für Deutschland 4,276 Mrd. Euro. Davon entfielen 2,969 Mrd. Euro auf Berlin, 529 Mio. auf Bayern, 207 Mio. auf Baden-Württemberg und 230 Mio. auf Hamburg. 7. Wie viele und welche DAX-Unternehmen haben Innovations-Labs oder Digital Think Tanks in Berlin ? Welche bedeutsamen internationalen Unternehmen haben Innovations-Labs oder Digital Think Tanks in Berlin? Zu 7.: Berlin ist mit rund 150 Akzeleratoren, Inkubatoren, konzerngetriebenen Digital Think Tanks sowie vielen weiteren hochschul- und forschungsnahen Innovationslaboren die Hauptstadt der Innovation Labs in Deutschland. Rund 20 der 150 Innovation Labs/ Digital Think Tanks gehen auf Dax-Konzerne bzw. deren Töchter zurück (darunter SAP, Daimler, EON, Bayer, Henkel, Lufthansa, RWE, Siemens, VW). International agierende Unternehmen mit Sitz im Ausland und Beteiligung an einem Berliner Innovation Lab oder eigenem Digital Think Tank: u.a. Amazon, Bombardier, Cisco, Google, Microsoft, Pfizer, Huawei, Telefonica, Vodafone. International agierende Unternehmen mit Sitz in Deutschland und Beteiligung an einem Berliner Inno- 4 vation Lab oder eigenem Digital Think Tank: Axel Springer, B. Braun Melsungen, Bosch, Klöckner, Otto Bock, Otto Group, Schaeffler, Airbus, Alba, UFA, Veolia, Viessmann, ProSiebenSat. 8. Welche Rolle spielen Forschung, Innovation und technologische Leistungsfähigkeit für den Wirtschaftsstandort Berlin? Wo steht Berlin hier im Vergleich zu anderen Bundesländern? Zu 8.: Forschung, Innovation und technologische Leistungsfähigkeit spielen für den Wirtschaftsstandort Berlin eine große Rolle. Berlin hat die dichteste universitäre und institutsgebundene Forschungslandschaft Deutschlands und gehört zu den größten und vielfältigsten Wissenschaftsregionen Europas. Die international renommierten Hochschulen und Forschungseinrichtungen bieten Unternehmen optimale Bedingungen für Forschung und Entwicklung und sichern ein großes Potenzial an hoch qualifiziertem Personal und Führungskräften aus aller Welt. Um den Wirtschaftsstandort Berlin zu stärken, hat die Berliner Forschungs-, Technologie - und Innovationspolitik zwei wesentliche Ziele. Zum einen wird die Kooperation zwischen Akteuren aus Wissenschaft/Forschung und Unternehmen unterstützt. Zum anderen wird die schnelle Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in marktfähige Produkte und Dienstleistungen (Technologietransfer) gefördert. Diese Aufgabe wird in Berlin v.a. im Rahmen der Gemeinsamen Innovationsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg (innoBB) mit der Arbeit der fünf länderübergreifenden Cluster wahrgenommen. Den technologieintensiven und innovationsstarken Unternehmen in der Hauptstadtregion stehen darüber hinaus diverse Landesförderinstrumente, z.B. „Pro FIT“, „VC Fonds Technologie Berlin“, „Innovationsassistent“, „Coaching BONUS“, „Transfer BONUS“, zur Verfügung, die auf die Erhöhung der Innovationsfähigkeit der Berliner Wirtschaft und den Wissens- und Technologietransfer abzielen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern zeigt sich, dass Berliner Unternehmen insgesamt innovationsfreudiger sind, als die bundesdeutsche Wirtschaft. Sowohl die Innovationsintensität als auch die Intensität im Bereich von Forschung und Entwicklung (Anteil der jeweiligen Ausgaben am Umsatz) liegen nach wie vor über dem Bundesdurchschnitt . Dies unterstreicht die letzte Innovationserhebung (Daniel Feser, Innovationserhebung 2017, Technologiestiftung Berlin, 2018), bspw. lag die Innovatorenquote (Anteil der Unternehmen, die erfolgreich neue Produkte oder Verfahren eingeführt haben) im Jahr 2016 bei 51 % und damit 5 % höher als der Bundesdurchschnitt. Berlin, den 01.11.2018 In Vertretung Christian R i c k e r t s ......................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe