Drucksache 18 / 16 798 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm (LINKE) vom 19. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Oktober 2018) zum Thema: Probleme der Erfassung von Gewalt gegenüber Obdachlosen in Berlin 2018 und Antwort vom 05. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16 798 vom 19. Oktober 2018 über Probleme der Erfassung von Gewalt gegenüber Obdachlosen in Berlin 2018 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Straftaten und wie viele Gewalttaten hat die Polizei im Rahmen des „Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK) dem Unterthema „gesellschaftlicher Status“ im Themenfeld „Hasskriminalität“ jeweils in den Jahren seit 2013 zugeordnet? a. Wie viele dieser Straftaten sind gleichzeitig auch dem Phänomenbereich PMK-rechts zugeordnet? b. Wie viele dieser Straftaten sind welchen anderen Phänomenbereichen der PMK zugeordnet? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl, Monat und Jahr, Ort, Anlass, vorgeworfenem Delikt und Phänomenbereich.) Zu 1.: Grundlage für die Beantwortung der Anfrage bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren eingeleitet oder an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Die Fälle der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen − gegebenenfalls bis zum rechtskräftigen Gerichtsurteil − einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Seite 2 von 3 Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. Es werden nur die Fälle gezählt, die gemäß den bundesweit verbindlichen Verfahrensregeln zur Erhebung von Fallzahlen im Rahmen des KPMD-PMK für Berlin statistisch zu zählen sind. Für das laufende Jahr 2018 sind noch nicht alle relevanten Straftaten im Rahmen des KPMD-PMK erfasst und bewertet worden. Aus diesem Grund liegen noch keine endgültigen Fallzahlen vor. Regelmäßig können die Fallzahlen des aktuellen Jahres erst in der Mitte des Folgejahres valide erhoben werden. Die erbetene Aufschlüsselung nach „Anlass“ wird so interpretiert, dass hier aufzuführen ist, ob es sich beispielsweise um einen Obdachlosen oder einen Vermögenden gehandelt hat. Monat Jahr Ortsteil Anlass Zähldelikt Phänomenbereich Oktober 2015 Charlottenburg Obdachlose(r) § 185 StGB PMK -rechts- August 2016 Friedrichshain Vermögende(r) § 224 StGB PMK -links- Dezember 2016 Tegel Geschlecht § 241 StGB PMAK Erläuterungen: PMK -rechts- Politisch motivierte Kriminalität -rechts- PMK -links- Politisch motivierte Kriminalität -links- PMAK Politisch motivierte Ausländerkriminalität, gültig bis 31.Dezember 2016, danach Trennung in die Phänomenbereiche Politisch motivierte Kriminalität -ausländische Ideologie- (PMK -AI-) und Politisch motivierte Kriminalität -religiöse Ideologie- (PMK -RI-) 2. Welche genaue Definition und welche Kriterien der Straftateneinordnung liegen dem Hasskriminalität- Unterthema „gesellschaftlicher Status“ zugrunde? Zu 2.: Eine verbindliche Definition zum Unterthema „gesellschaftlicher Status“ liegt nicht vor. Im bundesweit gültigen „Themenfeldkatalog zur KTA-PMK (Kriminaltaktische Anfrage in Fällen Politisch motivierter Kriminalität)“ ist als Erläuterung angegeben, dass Taten dazuzurechnen sind, die sich gegen „niedere“ bzw. „höhere“ Schichten richten. 3. Wird das Unterthema „Gesellschaftlicher Status“ auch solchen Straftaten zugeordnet, die aus einer Abneigung gegenüber Personen heraus verübt werden, die bestimmte Berufe ausüben oder nicht wegen ihres gesellschaftlichen Status‘ marginalisiert oder diskriminiert werden (vermögende Personen etc.)? Zu 3.: Sobald eine Tat aus einer politischen Motivation heraus begangen wurde, ist die Vergabe aller zutreffenden Themenfelder bzw. Unterthemen zu prüfen. Daher käme bei einer derartigen Konstellation unter Umständen auch eine Vergabe des Unterthemas „gesellschaftlicher Status“ in Betracht. Ein entsprechendes Fallaufkommen ist in Berlin jedoch nicht zu verzeichnen. Seite 3 von 3 4. Welchen Mehrwert in Bezug auf die Analyse von Gewalttaten und die Entwicklung zielgenauer politischer Strategien zur Bekämpfung von Feindlichkeit gegenüber Obdachlosen als Hasskriminalität besitzt nach Auffassung des Senats eine Kategorie, welche die Tatmotivationen Obdachlosenfeindlichkeit und beispielsweise Feindlichkeit gegenüber Vermögenden in einem gemeinsamen Unterthema vermischt? Zu 4.: Aufgrund der geringen Fallzahlen kann eine Trennung der Sachverhalte von Obdachlosenfeindlichkeit und Feindlichkeit gegenüber Vermögenden manuell vorgenommen werden, wodurch die bedarfsorientierte Erstellung entsprechender Lagebilder möglich ist. 5. Hat die Polizei Straftaten im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen am 1. Mai 2018 im Ortsteil Grunewald dem Hasskriminalität-Unterthema „gesellschaftlicher Status“ zugeordnet? Wenn ja, wie viele mit welchen jeweiligen Deliktsvorwürfen und mit welcher jeweiligen Begründung? Zu 5.: Nein. 6. Hat sich der Berliner Senat in der Innenministerkonferenz bzw. das Berliner LKA in der Arbeitsgruppe „Qualitätskontrolle PMK“ dafür eingesetzt, dass die Begehung von Straftaten aus einer feindlichen Einstellung gegenüber Obdachlosen heraus auf eine solche Weise trennscharf erfasst wird, dass sie im Themenkatalog der Hasskriminalität als statistisch eigenständige Tatmotivation darstellbar und auswertbar ist? Wenn ja, wann mit welchen konkreten Initiativen zu welchen genauen Sitzungen der IMK bzw. der „Qualitätskontrolle PMK“? Wenn nein, aus welchen genauen Gründen nicht? Zu 6.: Aufgrund der wenigen Fälle, die sich aus einer politischen Motivation heraus gegen Obdachlose richteten, sieht der Berliner Senat keinen Anlass, hierfür ein eigenständiges Unterthema einzurichten, im Weiteren wird auf die Antwort zu 4. verwiesen. 7. Ist eine Neufassung der PMK-Statistik im Hinblick auf Straftaten gegen Obdachlose in Zukunft vorgesehen? Wenn ja, wann und in welcher genauen Form? Wenn nein, aus welchen genauen Gründen nicht (bitte begründen)? Zu 7.: Bei mehrjähriger Betrachtung der Statistiken zur PMK waren lediglich Einzelfälle zu verzeichnen, die sich aus einer politischen Motivation heraus gegen Obdachlose richteten. Daher wird eine Neufassung der PMK-Statistik nicht als erforderlich erachtet. Berlin, den 05. November 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport