Drucksache 18 / 16 842 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 24. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Oktober 2018) zum Thema: Erkenntnisse aus Funkzellenabfragen 2017 und Antwort vom 06. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16842 vom 24. Oktober 2018 über Erkenntnisse aus Funkzellenabfragen 2017 -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele der 426 Ermittlungsverfahren, in denen im Jahr 2017 insgesamt 474 Funkzellenabfragen gerichtlich angeordnet wurden, führten zu der Erhebung der öffentlichen Klage? Zu 1.: Anklage zum Schwurgericht: 5 Anklage zur großen Strafkammer: 12 Anklage zur Jugendkammer: 8 Anklage zum Schöffengericht: 1 Anklage zum Jugendschöffengericht: 2 Anklage Strafrichter: 2 Gesamt : 30 2. Sofern die unter Frage 1.) genannten Fälle rechtskräftig abgeschlossen sind: welche Tatbestände wurden angeklagt und welche Strafen wurden verhängt? Zu 2.: Diese Angaben sind weder in polizeilichen Dateien noch allein in MESTA enthalten . Eine händische Aktenauswertung bei der Staatsanwaltschaft Berlin hat hierzu Folgendes ergeben: 2 Aktenzeichen in der FZ-Matrix Angeklagte Delikte Verhängte Strafen 352 Gs 887/17 Besonders schwere räuberische Erpressung mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 249 Abs.1, 250 Abs.2 Nr.1, 253, 255, 223 Abs.1, 224 Abs.1 Nr.2 und 4, 25 Abs.2, 52 Strafgesetzbuch (StGB)) Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde angeordnet. 352 Gs 1498/17 Schwerer Raub (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs.1 Nr.1 a), Abs.2 Nr.1, 252, 253, 255, 20, 21, 22, 23, 53, 63 StGB); Antrag im Sicherungsverfahren Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, ausgesetzt zur Bewährung für 5 Jahre 352 Gs 1603/17 Gemeinschaftlicher schwerer Raub (§§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) Freispruch 351 Gs 841/17 Totschlag, Unterschlagung, schwere und besonders schwere Brandstiftung (§§ 212, 246, 306a Abs.1 Nr.1, 306b Abs.2 Nr.2 Alt.2, 53 StGB) durch drei selbständige Taten Verurteilung unter Freispruch im Übrigen wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten, von der 7 Monate vor seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt , zu vollziehen sind 349 Gs 2224/17 Gemeinschaftlicher Diebstahl in besonders schwerem Fall in zwei Fällen (§§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 25 Abs. 2, 53 StGB) 7 Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung 348 Gs 1522/17 (Besch. 1) Gemeinschaftlicher versuchter schwerer Raub (§§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB) Freispruch 348 Gs 1522/17 (Besch. 2) Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 25,00 Euro 353 Gs 2153/17, verb. zu einem Verfahren ohne FZ-Betroffenheit (Besch. 1) Gemeinschaftliche Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in 360 Fällen (§§ 152b, 25 Abs. 2, 53 StGB) 3 Jahre Freiheitsstrafe 353 Gs 1522/17, verb. zu einem Verfahren ohne FZ-Betroffenheit (Besch. 2) 3 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe 349 Gs 1269/17 (Besch. 1) Gemeinschaftlicher versuchter schwerer Bandendiebstahl (§§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3, 244a, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB) 2 Jahre 8 Monate Freiheitsstrafe 349 Gs 1269/17 (Besch. 2) 2 Jahre 8 Monate Freiheitsstrafe 349 Gs 502/17 Sexueller Missbrauch oder schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in 35 Fällen, teils in Tateinheit mit Be- Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren 3 sitz kinderpornografischer Schriften sowie Menschenhandel; Besitz Kinderpornografischer Schriften (§§ 176 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 3a, 3b und 4, Abs. 5, Abs. 6, 176 Abs. 4 Nr. 1 bis 4 i.d.F. bis 27.01.2015, 176a Abs. 2 Nr. 1, 180 Abs. 2, 184 Abs. 1 Nr. 1, 184 Abs. 1 Nr. 1 i.d.F. bis 27.01.2015, 184b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, Abs. 6 S. 2, 184b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 i.d.F bis 27.01.2015, 232 Abs. 3 Nr. 1,232 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Nr. 1 i.d.F bis 15.10.2016, 232a Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2, Abs. 3 Alt. 3, Abs. 4, Abs. 22, 23, 52, 53 StGB). 352 Gs 1263/17 Gemeinschaftlicher gewerbsmäßiger Betrug in zwei Fällen, davon in einem Fall als Versuch (§§ 263 Abs. 1, 2 und 3 Nr. 1, 22, 23, 25 Abs. 2, 53 StGB) 10 Monate Jugendstrafe, ausgesetzt zur Bewährung 349 Gs 350/17 Gemeinschaftlicher Diebstahl mit Waffen in zwei Fällen (§§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1a, 25 Abs. 2, 53 StGB). 1 Jahr Freiheitsstrafe 348 Gs 349/17 (Besch. 1) Gemeinschaftlicher besonders schwerer Raub (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB) 2 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe 348 Gs 349/17 (Besch. 2) 3 Jahre Freiheitsstrafe 348 Gs 349/17 (Besch. 3) 2 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe 349 Gs 1611/17 Gemeinschaftlicher gewerbsmäßiger Bandendiebstahl in 15 Fällen, Diebstahl in besonders schwerem Fall in 9 Fällen, davon in einem Fall als Versuch (§§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 3, 244, 244a Alt. 1, 22, 23, 25 Abs. 2, 53 StGB) 4 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe 352 Gs 1083/17 (Besch. 1) Gemeinschaftlicher schwerer Raub mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 249 Abs.1, 250 Abs.1, Abs. 3 Ziff.1, 223, 224 Abs. 1 Ziff.4, 25 Abs.2, 52 StGB) 3 Jahre und 9 Monate Freiheitsstrafe 352 Gs 1083/17 (Besch. 2) 5 Jahre und 4 Monate Freiheitsstrafe 351 Gs 434/17 Gemeinschaftlicher Raub in zwei Fällen (§§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2, 53) 3 Jahre Jugendstrafe 4 3. Wie viele der unter Frage 1.) genannten Verfahren wurden aus welchen Gründen eingestellt oder führten nicht zu einer Anklageerhebung? Zu 3.: Einstellungen: a) gemäß § 170 Abs. 2 i.V.m. § 152 Abs. 2 StPO: 1 b) gemäß § 170 Abs. 2 StPO: 227 (davon 23 Verfahren gegen bekannte Tatverdächtigte und 204 Verfahren gegen unbekannte Tatverdächtigte) c) gemäß § 153 Abs. 1 StPO: 1 d) gemäß § 154f StPO: 1 Sonstige nicht zur Anklageerhebung führende Gründe: Verfahrensabgaben: 8 Verbindungen mit anderen Verfahren: 6 Übergang in ein Js-Verfahren (Verfahren gegen bekannte Tatverdächtigte): 102 Noch nicht abgeschlossene Verfahren: Verfahren gegen bekannte Tatverdächtigte: 13 Verfahren gegen unbekannte Tatverdächtigte: 31 Gesamt: 390 4. Wie viele der unter Frage 1.) genannten Verfahren führten zu weiteren Ermittlungsansätzen außerhalb der unter Frage 1.) genannten Ermittlungsverfahren? Zu 4.: Hierzu werden bei den Strafverfolgungsbehörden keine statistischen Daten erhoben . 5. Wie viele der unter Frage 1.) genannten Verfahren sind dem Bereich der organisierten Kriminalität zuzuordnen ? Zu 5.: Siehe Antwort zu Frage 4. 5 6. Welche Kosten sind im Jahr 2017 für die Funkzellenabfragen entstanden (bitte gesondert nach den Kosten für das Programm, die Abfrage bei den Providern, sonstigen Programmkosten sowie den Personalkosten darstellen)? Zu 6.: Kosten für nichtindividualisierte Funkzellenabfragen entstehen sowohl im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Inneres und Sport als auch im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. Für das elektronische Verfahren zur Erhebung von Verkehrsdaten sind im Jahr 2017 bei der Polizei Berlin für einen Wartungsvertrag konsumtive Ausgaben in Höhe von 53.176,56 € entstanden. Investive Programmkosten sind im Jahr 2017 nicht angefallen. Funkzellenabfragen werden zusammen mit Auskunftsersuchen und Anschlussinhaberfeststellungen aus dem Titel 52 610 bezahlt und zwar je nach Sachverhalt aus dem jeweiligen Polizeikapitel der beauftragenden Dienststelle. Im Jahr 2017 betrug die aus diesem Titel gezahlte Rechnungssumme insgesamt 635.595,85 €. Es wurden 1.657 Rechnungsvorgänge bearbeitet, wobei die Rechnungen meistens mehrere Teilleistungen umfassen. Gesonderte Personalkosten für die Funkzellenauswertung fallen nicht an, da diese durch die im Haushaltsplan von Berlin für die Polizei eingestellten Haushaltsmittel gedeckt sind. Den Strafverfolgungsbehörden entstanden durch die Funkzellenabfragen bei der Strafverfolgung keine Programm-, Programmier- oder Personalkosten. Der zeitliche Aufwand für die Auswertung der Funkzellenabfrage wird nicht erfasst. Im Jahr 2017 sind 3.688,96 € von den Strafverfolgungsbehörden für die Pflege des erweiterten Statistikmoduls "InfReq" gezahlt worden. 7. Welche Kosten sind für das geplante Informationssystem für die, deren Mobilfunkgerät von einer Funkzellenabfrage erfasst wurden, bereits entstanden und welche Kosten sind für den laufenden Unterhalt und die Wartung dieses Systems wo etatisiert (bitte gesondert nach Kosten für das Programm, Personalkosten, Wartungskosten und sonstige Programmkosten darstellen)? Zu 7.: Die bisherigen Kosten stellen sich wie folgt dar: Software: keine (Eigenentwicklung) Personalkosten: keine (Inanspruchnahme von ohnehin für das Land Berlin tätigen Bediensteten mit nur geringfügiger Freistellung von anderen Aufgaben) 6 Wartungskosten: fallen vor Projektabschluss nicht an sonstige Programmkosten: unter 5.000 € (Anschaffung eines Entwicklungs-Servers, SMS-Gebühren) Die zukünftigen Kosten sind bisher nirgends etatisiert, da dies vor der Festlegung der dauerhaften Betriebsform des Systems nicht sinnvoll möglich ist. 8. Wann soll die laufende Testphase beendet und das unter Ziffer 7.) genannte Informationssystem endgültig für die Öffentlichkeit starten? Zu 8.: Das Anmeldesystem wurde kürzlich erfolgreich getestet, eine Freigabe für die Öffentlichkeit ist zeitnah geplant. Die übrigen Systemkomponenten befinden sich noch in der Entwicklung, so dass kein genauer Zeitplan genannt werden kann. 9. Haben bereits andere Bundesländer Interesse an dem Informationssystem gezeigt? Wenn ja, welche Bundesländer? Zu 9.: Es liegen zwei mündliche Interessenbekundungen von Landesdatenschutzbeauftragten vor. Wegen der bisher rein informellen und vertraulichen Mitteilungen können die betreffenden Länder derzeit noch nicht namhaft gemacht werden. 10. Hat sich die Praxis der Funkzellenabfrage seit dem 08.12.2016 im Vergleich zu dem davorliegenden Zeitraum ab dem 12.01.2012 geändert und wenn ja, wie konkret geändert? Zu 10.: Weder am 12. Januar 2012 noch am 8. Dezember 2016 ist eine Änderung von § 100g StPO in Kraft getreten. Da die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung keine Weisungen im Einzelfall der Strafverfolgung an die Strafverfolgungsbehörden erteilt, ist auch die Neubildung des Senats ohne Einfluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in Bezug auf die konkrete Ermittlungstätigkeit und die Nutzung der Funkzellabfrage in Strafermittlungsverfahren geblieben. Insofern sind beide Daten für die Praxis der Funkzellenabfragen ohne Bedeutung. Die Fassung von § 100g StPO, die am 12. Januar 2012 galt, galt bis zum 24. Juli 2015 unverändert fort. Die Vorschrift ist in der Folge mehrfach, auch noch nach dem 8. Dezember 2016, geändert worden. Jede dieser Änderungen mag sich in Einzelfällen ausgewirkt haben. Feststellen lässt sich das jedoch nicht, da ein Vergleich der tatsächlichen Praxis mit einer hypothetischen alternativen Praxis (was wäre geschehen, wenn sich das Gesetz nicht geändert hätte) nicht vorgenommen wurde. Berlin, den 6. November 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung