Drucksache 18 / 16 868 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Bettina Jarasch (GRÜNE) vom 23. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Oktober 2018) zum Thema: Abschiebepraxis II – Umgang mit ärztlichen Gutachten und Antwort vom 12. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Bettina Jarasch (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16868 vom 23. Oktober 2018 über Abschiebepraxis II – Umgang mit ärztlichen Gutachten ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) In seiner Antwort auf eine schriftliche Anfrage zum Thema „Menschenwürdige Behandlung bei Abschiebungen“ mit der Drs.18/16508 führt der Senat aus, dass Gutachten oder Atteste niedergelassener Ärzt*innen im Vorfeld von Rückführungsmaßnahmen ggf. durch den Polizeiärztlichen Dienst im Auftrag der Berliner Ausländerbehörde überprüft würden. Hierbei werde ausschließlich die Flugfähigkeit für die Dauer des Rückführungsfluges beurteilt, um auszuschließen, dass dadurch Gefahr für Leib oder Leben der rückzuführenden Person entsteht. a) Wieviele Ärzt*innen wurden seit Januar 2017 vom Polizeiärztlichne Dienst bei Rückführungsmaßnahmen eingesetzt, welche Aufgaben hatten sie zu erledigen und welche fachärztliche Qualifikation haben diese Ärzt*innen? b) Gehört die freiwillige oder zwangsweise Verabreichung sedierender Medikamente bzw. Psychopharmaka zu den Aufgaben der beauftragten Ärzt*innen und wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt dies? In wie vielen Fällen wurden seit Januar 2017 sedierende Medikamente bzw. Psychopharmaka ohne Einverständnis der Betroffenen verabreicht? Zu 1 a: Der Ärztliche Dienst der Polizei Berlin wird im Zusammenhang mit Rückführungsmaßnahmen aktuell von insgesamt 24 Ärztinnen und Ärzten unterstützt, die als freie Mitarbeitende auf Honorarbasis für die Polizei Berlin tätig sind. Die Ärztinnen und Ärzte stellen die Flugfähigkeit fest und gewährleisten bei Bedarf die ärztliche Begleitung bzw. medizinische Versorgung der Rückzuführenden. Beim Polizeiärztlichen Dienst sind derzeit Fachärztinnen und -ärzte der Fachrichtungen Innere Medizin, Allgemeinmedizin, (Unfall-)Chirurgie/Orthopädie, Neurochirurgie, Neurologie, Psychiatrie/Psychotherapie, Physikalische/Reha-Medizin und Arbeitsmedizin tätig. Nicht alle für die Polizei Berlin auf Honorarbasis tätigen Ärztinnen und Ärzte sind Fachärztinnen/-ärzte; sie besitzen allerdings überwiegend die Fachkunde für Rettungsmedizin, die insbesondere für die ärztliche Begleitung bei Rückführungen auf dem Luftwege von Bedeutung ist. Seite 2 von 3 Zu 1 b: Sedierende Medikamente werden ausschließlich bei medizinischer Notwendigkeit bzw. entsprechender medizinischer Indikation auf Wunsch bzw. mit Einverständnis der / des Rückzuführenden verabreicht. Eine zwangsweise Verabreichung jeglicher Medikation findet insgesamt nicht statt. Insofern findet auch keine Erfassung von zwangsweisen Gaben durch Polizeiärzte statt, da sie nicht vorgenommen werden. 2a) In wie vielen Fällen wurde seit Januar 2017 seitens des polizeiärztlichen Dienstes eine Reisefähigkeit verneint? Zu 2 a: Beim Polizeiärztlichen Dienst erfolgt keine statische Erfassung über die Anzahl der festgestellten Fluguntauglichkeiten. 2b) In wie vielen Fällen wurde vom Polizeiärztlichen Dienst eine Reisefähigkeit festgestellt, obwohl Gutachten/Atteste behandelnder Ärzt*innen (niedergelassen oder auch Klinikpersonal) zu einer anderen Einschätzung gekommen waren? Zu 2 b: Es erfolgt beim Polizeiärztlichen Dienst keine statische Erfassung im Sinne der Fragestellung . 2c) Erfolgte im Fall eines Dissenses zwischen der Einschätzung des Polizeiärztlichen Dienstes und derjenigen von behandelnden Ärzt*innen (bzw. ihrer Gutachten/Atteste) eine Inaugenscheinnahme durch den Polizeiärztlichen Dienst? Zu 2 c: Sofern über die Flugtauglichkeit nicht nach Aktenlage entschieden werden kann, wird durch die Polizeiärztin bzw. den Polizeiarzt entschieden, ob eine Untersuchung beim Polizeiärztlichen Dienst durchgeführt wird. 2d) Wenn nein, warum nicht? Zu 2 d: Gegebenenfalls erfolgt am Rückführungstag vor Ort durch die/den verantwortliche/n Ärztin/Arzt eine Feststellung über die Flugtauglichkeit durch ärztliche Inaugenscheinnahme. 3) Verfügt der Polizeiärztliche Dienst über ausreichend Fachärzt*innen insbesondere für psychiatrische Fragestellungen? Wenn nein, wie gewährleistet der Polizeiärztliche Dienst dann, dass die psychiatrische Einschätzung der rückzuführenden Personen den fachlichen Standards entsprechend erfolgt? Zu 3.: Die Feststellung der Flugtauglichkeit hat beim Polizeiärztlichen Dienst höchste Priorität. Falls erforderlich werden die Ärztinnen/Ärzte der jeweils erforderlichen Fachrichtungen von anderen Aufgaben dafür freigestellt. 4) § 60 (7) Aufenthaltsgesetz verlangt, dass zumindest bei chronischen Krankheiten, die die Lebenserwartung einschränken können, bzw. bei Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder Hepatitis C auch die medizinische Versorgungssituation im Zielstaat unmittelbar vor der Abschiebung Berücksichtigung finden muss. a) Schließt sich der Senat der Auffassung an, dass daraus folgt, dass die Prüfung der Reisefähigkeit zumindest bei Patient*innen mit entsprechenden prognoserelevanten Krankheiten auch die Seite 3 von 3 Versorgungssituation und die konkreten Weiterbehandlungsmöglichkeiten im Zielstaat umfassen muss? b) Wenn ja, wie wird das gewährleistet, wenn vom Polizeiärztlichen Dienst ausnahmslos ausschließlich die unmittelbare Reisefähigkeit geprüft wird? c) Wenn nein, warum nicht? Zu 4 a-c: Die Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen nach § 60 Absatz 7 Aufenthaltsgesetz ist vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu treffen einschließlich der daraus gegebenenfalls zu ziehenden Konsequenzen. Vor diesem Hintergrund können diese Fragen durch den Senat von Berlin nicht beantwortet werden. 5) Welche Maßgaben gibt es bezüglich der Abschiebung von Menschen mit geistiger Behinderung? Zu 5: Die Feststellung der Flugtauglichkeit bzw. die ärztliche Begleitung und medizinische Versorgung unterliegt bei allen Rückzuführenden denselben fachlichen Leitlinien und Kriterien. Vorliegende geistige oder körperliche Behinderungen werden bei der Feststellung der Flugtauglichkeit im Einzelfall berücksichtigt. Berlin, den 12. November 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport