Drucksache 18 / 16 870 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Bettina Jarasch und June Tomiak (GRÜNE) vom 24. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Oktober 2018) zum Thema: Anschläge auf Religionsgemeinschaften seit 2016 II – Moscheen und Antwort vom 12. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Bettina Jarasch (GRÜNE) und Frau Abgeordnete June Tomiak (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16870 vom 24. Oktober 2018 über Anschläge auf Religionsgemeinschaften seit 2016 II – Moscheen ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Grundlage für die Beantwortung der Anfrage bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren eingeleitet oder an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Die Fälle der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen - gegebenenfalls bis zum rechtskräftigen Gerichtsurteil - einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. Es werden nur die Fälle gezählt, die gemäß den bundesweit verbindlichen Verfahrensregeln zur Erhebung von Fallzahlen im Rahmen des KPMD-PMK für Berlin statistisch zu zählen sind. Um die Fallzahlen übersichtlich und in Teilbereichen vergleichbar darzustellen, erfolgt die Unterteilung in die Deliktsarten Terrorismus, Gewaltdelikte, Propagandadelikte und sonstige Delikte. Seite 2 von 3 Terrorismus ist über die Strafbarkeit der Bildung einer terroristischen Vereinigung gemäß §§ 129a, 129b Strafgesetzbuch (StGB) gesetzlich bestimmt. Als Terrorismus werden darüber hinaus schwerwiegende Politisch motivierte Gewaltdelikte (Katalogtaten des § 129a StGB) sowie Verstöße gegen §§ 89a, 89b, 89c und 91 StGB erfasst. Gewaltdelikte sind Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brand- und Sprengstoffdelikte , Landfriedensbrüche, Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr , Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung und Widerstands- sowie Sexualdelikte einschließlich der Versuche. Propagandadelikte sind Verstöße gegen § 86 StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) und gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). Die sonstigen Delikte beinhalten alle weiteren Strafrechtsnormen des Strafgesetzbuches sowie der Strafrechtsnebengesetze, zum Beispiel Beleidigung gemäß § 185 StGB, Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB oder Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (VersG). Zur Beantwortung der Anfrage wurden die Daten aus dem Zeitraum Januar 2016 bis 31. Oktober 2018 (Tag der Erhebung) und aller Phänomenbereiche der PMK zugrunde gelegt. Für das Jahr 2018 sind noch nicht alle relevanten Straftaten im Rahmen des KPMD-PMK erfasst und bewertet worden, daher ist diese Aufstellung nicht abschließend. Es wurden die Daten zugrunde gelegt, bei denen als Tatörtlichkeit bzw. Angriffsziel der Katalogbegriff „Religion“ bzw. als geschädigte Organisation eine Religionsgemeinschaft erfasst wurde. Eine weitere Differenzierung nach Moscheen wurde manuell vorgenommen. Dabei wurden auch die Fälle zum Nachteil von islamischen Einrichtungen manuell herausgefiltert, sofern dies anhand der Sachverhaltsdarstellung ersichtlich war. Eine automatisierte Recherche nach islamischen Einrichtungen ist aufgrund fehlender Katalogbegriffe nicht möglich. 1. Wie viele Anschläge (z. B. Schändungen durch Farbschmierereien oder Schlachtabfälle, aber auch Brandanschläge) auf Moscheen, Moscheevereine oder sonstige islamische Einrichtungen in Berlin gab es nach Kenntnissen des Senats seit 2016? (Bitte einzeln nach Datum, Ort, Zeit, Name der Moschee/ Einrichtung, Art des Anschlags/ der Schändung bzw. Sachverhalt, Phänomenbereich, Thema und Tatmotiv des Anschlags auflisten.) 2. Bei welchen von diesen Anschlägen oder Schändungen von Moscheen/ Einrichtungen konnten nach Kenntnissen des Senats mutmaßliche Täter*innen ermittelt werden? Zu 1. und 2.: Die Beantwortung erfolgt in Tabellenform, siehe Anlage 1. Die Sortierung in der Tabelle erfolgt nach Tatzeit. Alle verwendeten Abkürzungen werden im Anschluss erläutert. Die Fragestellungen enthalten keine Definitionen der genutzten Begrifflichkeiten wie „Anschläge“ oder „Schändungen“. Insofern wurde zur Beantwortung auf begangene Straftaten aller Art abgestellt. Seite 3 von 3 3. Wie beurteilt der Senat die Entwicklung der Sicherheitslage von Moscheen seit 2016 und inwiefern hält der Senat zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Moscheen und islamischen Einrichtungen in Berlin für erforderlich? Zu 3.: Die allgemeine Sicherheitslage von Moscheen in Berlin hat sich seit 2016 insgesamt nicht verändert. Eine grundsätzliche Gefährdung von Moscheen kann derzeit nicht festgestellt werden. Dies schließt nicht aus, dass sich für einzelne Moscheen Gefährdungsaspekte ergeben und dort lageangepasst polizeiliche Schutzmaßnahmen durchgeführt werden. Aufgrund der derzeitigen Beurteilung der Gefährdungslage für einzelne Moscheen werden keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen als die bisher getroffenen für notwendig erachtet. Sollten gefährdungsrelevante Aspekte polizeiliches Handeln erforderlich machen, werden durch die Polizei Berlin, in Abstimmung mit anderen Behörden und Institutionen, lageangepasste Maßnahmen initiiert bzw. durchgeführt. 4. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat der Senat über die Beteiligung rechtsextremer Gruppierungen an Bürger*inneninitiativen und Protesten gegen den Bau / die Eröffnung von Moscheen in Berlin seit dem Jahr 2016? (Bitte einzeln nach Ort, Anlass, Zeitpunkt und beteiligten Gruppierungen aufschlüsseln.) Zu 4.: Eine rechtsextremistische Beteiligung an Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern gegen den Bau oder die Eröffnung von Moscheen seit 2016 ist dem Senat nicht bekannt. Am 16. Juni 2017 protestierte die „Identitäre Bewegung“ gegen den geplanten Bau einer Moschee in Alt-Mariendorf. Weitere Aktionen von Rechtsextremisten gegen Neubauten von Moscheen sind hier nicht bekannt Berlin, den 12. November 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport Anlage 1 – Schriftliche Anfrage Nr.: 18/16870 – Tabelle zu Frage 1 und 2 Phänomen Zähldelikt Thema Tatzeit Sachverhalt Straße Ortsteil geklärt Name PMK -rechts- § 166 StGB Rel 07.01.2016 15:45:00 Im Paketverteilerzentrum wurde ein Paket geöffnet, aus dem ein starker Verwesungsgeruch drang. Als Absender stand auf dem Paket die "Mevlana-Moschee". Der Inhalt bestand aus einem aufgeschlagenen Koran, auf dem sich eine stark riechende Schweinekopfhälfte befand. Schöneberger Str. Tempelhof nein Mevlana PMK -rechts- § 166 StGB fref;Rel 24.03.2016 Bei der islamischen Grundschule ging eine Postkarte mit islamfeindlichem Inhalt ein. Boppstr. Kreuzberg nein Islamische Grundschule PMK -rechts- § 126 StGB fref;Rel 15.04.2016 11:24:00 Ein anonymer Anrufer meldete sich beim Imam der Bayezid-Moschee und stellte Fragen zur Zugehörigkeit der Moschee. Nachdem die Fragen vom Imam beantwortet wurden, begann der Anrufer, islamfeindliche Beschimpfungen auszustoßen. Des Weiteren drohte er, dass in der Moschee eine Bombe hochgehen würde. Lindower Str. Wedding nein Bayezid Camii Moschee Phänomen Zähldelikt Thema Tatzeit Sachverhalt Straße Ortsteil geklärt Name Nicht zuzuordnen § 185 StGB A/A;ggA M 26.04.2016 23:59:00 Bei der "Ibrahim Al Khalil Moschee Berlin e.V." ging ein Brief als Retoursendung ein, der an das Bundeskanzleramt adressiert war und als Absenderangaben die Anschrift der Moschee enthielt. Im Schreiben wurde die Bundeskanzlerin beleidigt . Es sollte der Anschein erweckt werden, als wäre dieser Brief von Mitgliedern der Moschee verfasst worden. Colditzstr. Tempelhof nein Ibrahim Al Khalil Moschee PMK -rechts- § 303 StGB A/A;fref; Rel 09.07.2016 04:00:00 Unbekannte Täter sprühten vor dem Eingang des Moscheegeländes der Sehitlik-Moschee einen arabischen Schriftzug, der dazu auffordert, in die Heimat zurückzukehren. Columbiadamm Neukölln nein Sehitlik Moschee DITIB PMK -rechts- § 303 StGB A/A;fref; Rel 10.07.2016 03:00:00 Unbekannte Täter sprühten vor dem Eingang der Umar Ibn Al- Khattab-Moschee einen arabischen Schriftzug, der dazu auffordert, in die Heimat zurückzukehren. Wiener Str. Kreuzberg nein Umar Ibn Al- Khattab- Moschee Nicht zuzuordnen § 241 StGB A/A;fref;i slam 12.11.2016 10:00:00 Ein unbekannter Täter bedrohte die Besucher einer Moschee verbal, zog aus dem mitgeführten Rucksack einen sog. Fleischklopfer und drohte damit, den anwesenden Besuchern die Köpfe einzuschlagen. Spandauer Damm Charlottenburg nein Ensar Camii Moschee Phänomen Zähldelikt Thema Tatzeit Sachverhalt Straße Ortsteil geklärt Name PMK -rechts- § 130 StGB asm;fref; Rel;V/P 02.12.2016 13:15:00 Im Hausflur der Tevhid e.V. Moschee wurden antisemitische Schriftzüge, Doppelsigrunen und Hakenkreuze festgestellt. Schulstr. Wedding nein Tevhid e. V. Moschee PMK -rechts- § 303 StGB fref;islam 11.08.2017 15:54:00 Zwei unbekannte Personen liefen an der "Al-Nur-Moschee" vorbei und kehrten kurz danach zurück. Eine Person warf nun einen Stein in Richtung der Eingangstür der Moschee. Dadurch wurde die Glasscheibe der Eingangstür beschädigt. Haberstr. Neukölln nein Al Nur Moschee PMK -AI- § 306a StGB zwA;TÜ R;Kur 11.03.2018 02:00:00 Zeugen beobachteten drei unbekannte Jugendliche, wie sie die Scheibe des türkischen Kulturvereins einwarfen. Kurze Zeit später stand der Hauptraum des Geschäftes im Vollbrand. Es handelt sich um den türkischen Kulturverein KOCASINAN e.V. und stellt eine moscheeähnliche Einrichtung dar. Kühleweinstr. Reinicken dorf nein Kocasinan e.V. PMK -rechts- § 86a StGB fref;V/P;i slam 28.03.2018 11:00:00 Im Hinterhof befindet sich der "Moschee und Lehre vom Koran e. V." Im Durchgang zum Innenhof wurde mit einer unbekannten braunen Klebesubstanz ein Hakenkreuz angebracht. Lynarstr. Spandau nein Moschee und Lehre vom Koran e. V. Phänomen Zähldelikt Thema Tatzeit Sachverhalt Straße Ortsteil geklärt Name PMK -rechts- § 185 StGB fref;islam 21.04.2018 12:00:00 Im Briefkasten des türkischislamischen Kulturvereines wurde ein Brief mit Fotos von nackten Neandertalern und beleidigenden Inhalts gegen Mohammed und seiner Familie gefunden. Nehringstr. Charlottenburg nein Türkisch/ Islamischer Kulturverein PMK -AI- § 304 StGB fref;zwA; SYR;rel GER 28.04.2018 05:00:00 Unbekannte Täter beschädigten eine Fensterscheibe der Osman- Gazi-Moschee. Weiterhin war die Fassade mit einem Schriftzug mit Bezug zu den Kämpfen in Afrin beschrieben. Nehringstr. Charlottenburg nein Osman Gazi Camii Moschee PMK -AI- § 303 StGB A/A;SYR ;TÜR 27.05.2018 04:00:00 Unbekannte Täter besprühten die Hauswand im Durchgang zur Yunus-Emre- Moschee und die dortige Eingangstür mit Schriftzügen mit Bezug zu den Kämpfen in Afrin. Reinickendorfer Str. Gesundbrunnen nein Yunus-Emre- Moschee Erläuterungen: Abkürzung Bezeichnung Abkürzungen in den Spaltenköpfen Phänomen Phänomenbereich Thema Themenfeld bzw. Unterthema eines Falls Abkürzungen in den Spalten (außer Spalte „Thema“) Nicht zuzuordnen Bereich „Sonstige/Nicht zuzuordnen“ (gültig bis 31. Dezember 2016) Abkürzung Bezeichnung PMK -rechts- Politisch motivierte Kriminalität -rechts- PMK -AI- Politisch motivierte Kriminalität -ausländische Ideologie- (gültig ab 1. Januar 2017) StGB Strafgesetzbuch Abkürzungen in der Spalte „Thema“ A/A Ausländer-/Asylthematik asm antisemitisch fref fremdenfeindlich ggAM gegen Amts-/Mandatsträger islam islamfeindlich Kur Kurden Rel Religion (gültig bis 31. Dezember 2016) relGER gegen religiöse Gemeinden und deren Einrichtungen SYR Syrien TÜR Türkei V/P Verherrlichung Propaganda zwA zwischen Ausländern