Drucksache 18 / 16 895 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Philipp Bertram (LINKE) vom 29. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Oktober 2018) zum Thema: Kettenbriefe an Kinder – Kinder schützen und Antwort vom 13. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Philipp Bertram (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16895 vom 29. Oktober 2018 über Kettenbriefe an Kinder – Kinder schützen ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat bekannt, dass a. seit einiger Zeit ein Kettenbrief über den Nachrichtendienst WhatsApp verbreitet wird, in dem Kinder direkt von einer Figur namens Momo angesprochen werden, die die Kinder auffordert, diesen Brief weiterzuleiten und droht, dass ihnen oder ihren Eltern, Geschwistern oder anderen nahestehenden Personen körperlicher Schaden, Schmerzen oder sogar der Tod droht, sollten sie dieser Aufforderung nicht nachkommen; b. in der Folge Kinder und Jugendliche diesen Brief selbstständig untereinander teilen und zum anderen Accounts unter dem Namen „Momo“ direkt Kontakt zu Personen aufnehmen; c. bei der direkten Kontaktaufnahme der „Momo-Accounts“ aber nicht nur der Brief verschickt wird, sondern es in der Regel eine Interaktion in Form von weiteren Nachrichten wie „Pass auf dich auf!“ oder mit Sprachnachrichten und Anrufen stattfindet; d. die direkte Kontaktaufnahme in der Regel wohl nachts stattfindet und es bereits etliche Berichte gibt, dass dieses Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen zum Teil Verängstigung und Schlafstörungen verursacht? 2. Wie bewertet der Senat solcherart Kettenbriefe und speziell den Inhalt dieses Kettenbriefs, der den Kindern droht und ihnen Angst macht? Zu 1. a. bis d. und 2.: Dem Senat ist bekannt, dass über Dienste, die bei Kindern und Jugendlichen beliebt sind, immer wieder Kettenbriefe verschickt werden. Dies stellt kein neues Phänomen dar. Manche dieser Kettenbriefe haben dem in der Frage konkret benannten Kettenbrief ähnliche Inhalte. Bei dieser Art von Kettenbriefen handelt es sich aus Sicht des 2 Senats um ein typisches Kommunikationsrisiko bei der Nutzung von sog. Neuen bzw. Sozialen Medien. Die Verlockung, solche Inhalte trotz bestehender Warnungen durch Betreiber und Medien weiterzusenden, ist daher auch hoch: Denn in der Einschätzung von Minderjährigen besteht immer die Chance, dass die Meldung doch wahr sein könnte. Recherchen von www.jugendschutz.net – dem gemeinsamen Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet – haben ergeben, dass solche Kettenbriefe von immer neuen Nummern versandt werden, von denen jedoch keine Antwort erfolgte und dass die Accounts dieser Nummern nach Beschwerden bei den Dienstleistern von dort gesperrt wurden. Dem Senat ist es ein wichtiges Anliegen, dass Medieninhalte, von denen sich Kinder und Jugendliche bedroht fühlen und / oder die ihnen Angst machen, so wenig wie möglich Verbreitung finden. Daher begrüßt der Senat, dass die Bundesregierung beschlossen hat, in dieser Legislaturperiode „einen zukunftsfähigen und kohärenten Rechtsrahmen – unter Berücksichtigung der kompetenzrechtlichen Zuständigkeiten der Länder – für den Kinder- und Jugendmedienschutz im Jugendmedienschutzstaatsvertrag und Jugendschutzgesetz (zu) schaffen“. 3. Welche Vorgehensweise empfiehlt der Senat Kindern und Eltern? 4. An wen können sich Eltern, Kinder oder andere Betroffene und Besorgte wenden, wenn sie solche Briefe bekommen und verunsichert sind? Zu 3. und 4.: Kinder und Jugendliche benötigen Unterstützung, um die Kommunikationsrisiken in den Sozialen Medien einschätzen und einordnen zu können. Je jünger die Kinder sind, desto schwerer fällt es ihnen, Gefahren im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Medien zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu erwähnen, dass der Messenger-Dienst WhatsApp mit Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) das Mindestalter für Nutzerinnen und Nutzer auf 16 Jahre angehoben hat. Dort wird also selbst eingeschätzt, dass der Dienst für Kinder nicht geeignet ist. Bei der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen kommt den Eltern eine zentrale Rolle zu. Sie sollten ihre Kinder bei der Nutzung von digitalen Medien begleiten und sie auch über den Umgang mit Kettenbriefen aufklären. Bei Empfang von Kettenbriefen sollen diese sofort gelöscht, nicht beantwortet und nicht weitergeleitet werden, zudem sollen enthaltene Links nicht angeklickt und Dateianhänge nicht geöffnet werden . Sofern der Kettenbrief von einem unbekannten Absender versendet wurde, soll diese Telefonnummer/dieser Kontakt blockiert werden, um weitere Kontaktaufnahmen zu verhindern. Im Zusammenhang mit bedrohlichen oder ängstigenden Kettenbriefen ist es vor allem wichtig, Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, dass ihnen keine Gefahr droht und dass es sich zum Beispiel bei „Momo“ um eine frei erfundene Figur handelt. Es soll ihnen auch erklärt werden, dass sie die Nachricht nicht weiterleiten dürfen, auch dann nicht, wenn sie nur andere „warnen“ wollen. Bei Inhalten, die sie bedrohlich fin- 3 den oder die sie ängstigen, sollen sie sich zudem an eine erwachsene Vertrauensperson wenden. Eltern, Kinder oder andere Betroffene und Besorgte können sich bei Fragen zu den sog. Neuen bzw. Sozialen Medien insbesondere an die Medienkompetenzzentren wenden, die im Rahmen des Landesprogramms „jugendnetz-berlin.de“ in jedem Bezirk eingerichtet wurden und die aufklären und beraten können und auch mit anderen Jugendfreizeiteinrichtungen und mit Schulen kooperieren (vgl.: http://www.jugendnetz-berlin.de/de/jugendnetz-berlin/medienkompetenzzentren.php). Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe stehen Eltern und Kindern zudem in allen Bezirken die Erziehungs- und Familienberatungsstellen in öffentlicher und freier Trägerschaft sowie bezirksübergreifend die Fachberatungsstellen für Kinderschutz mit ihren umfassenden Beratungsangeboten zur Verfügung. Auch bei dem seit Mitte September 2018 bestehenden neuen Angebot www.jugendnotmail.berlin finden Kinder und Jugendliche – auch anonym – Hilfe und Beratung bei seelischen Problemen. Das Gemeinschaftsprojekt des Kinderschutz-Zentrum-Berlin e. V. und jungundjetzt e. V. wird von der für Jugend und Familie zuständigen Senatsverwaltung gefördert. Da die meisten minderjährigen Nutzerinnen und Nutzer von Messengerdiensten Schülerinnen und Schüler sind, können sie sich zudem an die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die im Rahmen des Landesprogramms „Jugendsozialarbeit an Schulen“ dort eingesetzt sind, oder an die regionalen Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ) wenden. Darüber hinaus stehen im Internet zahlreiche Informationen zum Thema zur Verfügung , zum Beispiel auf den Seiten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ, www.bmfsfj.de), das im Rahmen der Initiative „Ein Netz für Kinder“ unter dem Leitgedanken „Gutes Aufwachsen mit Medien“ hilfreiche Broschüren für Eltern und pädagogische Fachkräfte bereithält. Empfehlenswerte Internetauftritte zum Thema haben beispielsweise auch die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (www.datenschutz-berlin.de), die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK, www.polizeiberatung .de/medienangebot), die Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“ (www.schau-hin.info) sowie die Initiative „Klicksafe“ (www.klicksafe.de). Auch bei www.jugendschutz.net, www.surfen-ohne-risiko.net, www.sicher-im-netz.de, www.juuuport.de, https://jup.berlin oder www.bildungsserver.de sind wichtige Hinweise zum Thema zu finden. An jugendschutz.net können zudem öffentlich gepostete Inhalte gemeldet werden. Schließlich ist es auch möglich, sich beim Anbieter selbst, im vorliegenden Fall also bei WhatsApp, zu beschweren. 5. Inwieweit sieht der Senat Handlungsbedarf, um insbesondere Schulen auf solche Kettenbriefe hinzuweisen , damit sie pädagogisch richtig darauf reagieren, falls Kinder fragen oder Angst haben, bzw. die Eltern darüber informiert und beraten werden? Zu 5.: Den Schulen stehen die regionalen Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ) beratend zu allen psychologischen und pädagogischen Fragestellungen im Kontext von Schule, Lernen und Ver- 4 halten zur Verfügung. Auch Schülerinnen und Schüler sowie Eltern können sich in den multiprofessionell ausgestatteten SIBUZ, die mit den anderen bezirklichen Institutionen vernetzt sind, beraten lassen. Das betrifft auch spezifische Fragestellungen im Kontext von Mediennutzung. Ein weitergehender Handlungsbedarf wird nicht gesehen . 6. Inwieweit sieht der Senat bei solchem offensichtlichen Missbrauch der elektronischen Medien den Kinderschutz gefährdet und die Notwendigkeit, Polizei und Datenschutz einzuschalten, um Kinder zu schützen und Schaden von ihnen abzuwenden? Zu 6.: Da von den Kettenbriefen keine konkrete Gefahr ausgeht und die Polizei Berlin nicht für die Vermittlung von Medienkompetenz zuständig ist, ist eine Kontaktaufnahme zur Polizei Berlin nur bedingt geeignet, um konkrete Abhilfe zu leisten. 7. Was wird der Senat tun, um Kinder vor Schaden zu bewahren, wenn sie Ziele von solchen Kettenbriefen werden? Zu 7.: Aus Sicht des Senats ist Information, Beratung und die präventive Förderung von Medienkompetenz der beste Jugendmedienschutz. Dieser Grundsatz, den der Senat bereits im Jahr 2006 in seinem Bericht „Bildung für Berlin – Maßnahmen zum Jugendmedienschutz in Berlin“ formuliert hat, ist immer noch gültig: „Der Senat ist der Überzeugung, dass die wirksamste Methode des Jugendmedienschutzes präventiv ist und darin besteht, Kindern und Jugendlichen den souveränen und kompetenten Umgang mit den neuen Medien zu ermöglichen.“ Die in der Antwort zu den Fragen 3 und 4 dargestellten Beratungs- und Unterstützungssysteme folgen diesem Grundsatz. Der Senat unterstützt diese Systeme zudem , indem er unter anderem ein umfangreiches Fortbildungsangebot „Medienbildung für sozialpädagogische Fachkräfte“ bereithält und das Landesprogramm „Jugendsozialarbeit an Schulen“ noch ausbauen wird. Auch mit dem geplanten Jugendfördergesetz soll eine Stärkung des Themas Medienbildung und -kompetenzförderung erreicht werden, indem die Förderung der digitalen Teilhabe junger Menschen als ein Ziel und die medienbezogene Jugendarbeit als ein Schwerpunkt der Jugendarbeit formuliert werden. Berlin, den 13. November 2018 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie