Drucksache 18 / 16 898 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Adrian Grasse (CDU) vom 30. Oktober 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Oktober 2018) zum Thema: Viele offene Fragen: Die Entlassung von Dr. Hubertus Knabe und Antwort vom 12. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Herrn Abgeordneten Adrian Grasse (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 16898 vom 30. Oktober 2018 über Viele offene Fragen: Die Entlassung von Dr. Hubertus Knabe Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche konkreten Gründe haben den Stiftungsrat der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen am 25.09.2018 dazu veranlasst, Herrn Dr. Hubertus Knabe als Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen zu kündigen und von der Arbeit freizustellen? Zu 1.: Am 12. Juni 2018 ging ein Brief von sechs Frauen bei Senator Dr. Lederer und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Frau Prof. Grütters ein. Die darauf eingeleiteten Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Gedenkstätte Berlin -Hohenschönhausen seit Jahren ein Arbeits- und Betriebsklima herrschte, in dem sexuelle Belästigungen und andere Grenzüberschreitungen möglich waren und toleriert wurden. Für das Arbeits- und Betriebsklima ist Herr Dr. Knabe als Leiter der Gedenkstätte maßgeblich verantwortlich. In Auswertung der Untersuchung ist der Stiftungsrat der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zu der Überzeugung gelangt, dass von Herrn Dr. Knabe nicht zu erwarten ist, dass er den dringend notwendigen innerbetrieblichen Kulturwandel einleiten wird oder einen solchen glaubhaft vertreten kann. 1.1. Welches Vergehen hat der Stiftungsrat Herrn Dr. Knabe persönlich angelastet? Zu 1.1: Siehe Antwort zu 1. 1.2. Wann hat der Stiftungsrat Herrn Dr. Knabe in welcher Form die ihm vorgeworfenen Vergehen vorgehalten? Zu 1.2: Die Frage tangiert laufende Rechtsstreitigkeiten und kann daher nicht beantwortet werden. Seite 2 von 4 1.3. Wie hat Herr Dr. Knabe auf den Vorhalt reagiert? 1.4. Hat der Stiftungsrat Herrn Dr. Knabe die Möglichkeit gegeben, auf den Vorhalt des Stiftungsrates mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren? 1.5. Wie lange dauerte die Sitzung des Stiftungsrates am 25.09.2018 und wie lange hat Herr Dr. Knabe daran teilgenommen? Zu 1.3 – 1.5.: Siehe Antwort zu 1.2. 1.6. Ist es richtig, dass Herr Dr. Knabe laut Stiftungssatzung das Recht hat, an allen Sitzungen des Stiftungsrates mit Rederecht teilzunehmen? Zu 1.6: Gemäß Gesetz über die Errichtung der Stiftung „Gedenkstätte Berlin- Hohenschönhausen“ vom 21. Juni 2000, zuletzt geändert durch Art. 1 Erstes ÄndG vom 21. Juni 2018 § 5 und § 6 ist der Vorstand kein Mitglied des Stiftungsrats. Die Satzung der Stiftung „Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen“ vom 25. Juni 2001 und 5. Februar 2009 regelt in § 3 (1): „[…] Der oder die Vorsitzende beruft den Stiftungsrat ein. Der Vorstand und der stellvertretende Vorstand können mit Rederecht teilnehmen.“ Demnach sind der Vorstand und der stellvertretende Vorstand keine Mitglieder des Stiftungsrats und haben kein Recht auf eine vollumfängliche Teilnahme in den Stiftungsratssitzungen . 1.7. Trifft es zu, dass der Kultursenator dem Leiter der Gedenkstätte das Recht abgesprochen hat, an der Sitzung des Stiftungsrates vollumfänglich teilzunehmen und dass Herr Dr. Knabe während des Großteils der Beratungen in einem Nebenzimmer warten musste? Zu 1.7: Siehe Antwort zu 1.6. 1.8. Wurde Herr Dr. Knabe während der Sitzung des Stiftungsrates mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen konfrontiert, und wenn ja, mit welchen? 1.9. Was hat Herr Dr. Knabe auf die vom Stiftungsrat erhobenen Vorwürfe erwidert? Zu 1.8 – 1.9: Siehe Antwort zu 1.2. 2. Aussagen des Kultursenators im Abgeordnetenhaus zufolge soll ein an ihn gerichteter Beschwerdebrief ehemaliger Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte vom Juni 2018 Auslöser für weitergehende Prüfungen gewesen sein, die den Stiftungsrat zur Kündigung von Dr. Knabe veranlasst hätten. Handelt es sich dabei um den von der “Berliner Zeitung” am 20.09.2018 im Internet veröffentlichten Brief eines “Frauenzusammenschlusses” vom 08.06.2018? Zu 2.: Ja. 2.1. Wann hat der Kultursenator den vorgenannten Brief Herrn Dr. Knabe auf welchem Weg übergeben ? 2.2. Welche Auflagen bzw. Erwartungen hat der Kultursenator bei der Übergabe des Beschwerdebriefes an Herrn Dr. Knabe diesem gegenüber in welcher Form formuliert? 2.3. Wann hat der Kultursenator eine Rechtsanwältin mit der Überprüfung der Beschwerde beauftragt und wann hat er Herrn Dr. Knabe darüber informiert? Seite 3 von 4 2.4. Macht sich der Kultursenator die in dem Brief erhobenen Vorwürfe inhaltlich zu eigen, wenn ja, welche, wenn nein, welche nicht? 2.5 Machen die Verfasserinnen ihre in dem Brief erhobenen Vorwürfe dem Direktor der Gedenkstätte persönlich zum Vorwurf und wenn ja, macht sich der Senat diese Einschätzung zu eigen? 2.6. Macht sich der Senat die in dem Brief vertretene Auffassung zu eigen, dass es sich bei nachfolgend genannten Sachverhalten um eine “erschreckende Regelhaftigkeit übergriffiger Verhaltensmuster ” handelt: •“gering strukturierte Arbeitsorganisation bei eingeforderter maximaler Verfügbarkeit und Arbeitsbelastung mit starkem psychischen Druck durch Zeitverträge” •“wiederholte Angebote, die Mitarbeiterin nach der Arbeit nach Hause zu fahren” •“Übertragen von Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die nicht dem Ausbildungscharakter des wissenschaftlichen Volontariates entsprechen” •“maximale Arbeitsbelastung der Mitarbeiterinnen bei fehlendem inhaltlichen Austausch” •“Abwälzung von Verantwortung für Fehler und Misserfolge auf die Mitarbeiterin”? 2.7. In welchen Behörden und Einrichtungen des Landes Berlin außer der Gedenkstätte Hohenschönhausen sind die vorgenannten Verhaltensweisen ebenfalls aufgetreten und hat der Senat dort ebenfalls den Leiter abgelöst? 2.8. Was versteht der Senat unter einer “teils sexistischen Zurückweisung von ‘anderen’ Argumenten”, von der in dem Brief die Rede ist, und hat diese zur Entlassung von Herrn Dr. Knabe geführt? 2.9 Wie definiert der Senat “strukturellen Sexismus”, von dem in dem Brief die Rede ist, und hat dieser zur Entlassung von Herrn Dr. Knabe geführt? 2.10. Was versteht der Senat unter dem in dem Brief genannten Begriff der “sexuellen Belästigung” und hat diese zur Entlassung von Herrn Dr. Knabe geführt? 2.11. In welcher Form wurde die laut dem Brief Anfang 2018 in eine andere Einrichtung gewechselte Volontärin von wem an der Gedenkstätte sexuell belästigt? 2.12. Hat der Stiftungsrat vor seiner Entscheidung, Herrn Dr. Knabe zu kündigen, mit den Verfasserinnen des Briefes gesprochen oder haben die Mitglieder des Stiftungsrates die von ihnen erhobenen Vorwürfe nur aus zweiter Hand erfahren? 2.13. Hat der Stiftungsrat vor seiner Entscheidung, Herrn Dr. Knabe zu kündigen, den Direktor der Gedenkstätte, die übrigen dort tätigen Mitarbeiter und den Personalrat der Gedenkstätte zur Stichhaltigkeit der Vorwürfe befragt, wenn ja, wann und wie? 2.14. Wann und in welcher Form hat der Stiftungsrat Herrn Dr. Knabe über das Ergebnis seiner Befragungen informiert? 2.15. Wann hat der Stiftungsrat dem Leiter der Gedenkstätte welche Informationen und Zeugenaussagen übergeben, die geeignet waren, dass dieser mit Erfolg arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten konnte? 3. Wann ging das erste Beschwerdeschreiben über den Vizedirektor der Gedenkstätte beim damaligen Stiftungsratsvorsitzenden Tim Renner ein? 3.1. Was war der Inhalt des Beschwerdeschreibens an Herrn Renner und unterscheidet es sich inhaltlich von dem des Jahres 2018, wenn ja, in welchen Punkten? 3.2. Wann wurde der Direktor der Gedenkstätte vom damaligen Stiftungsratsvorsitzenden Tim Renner über den Eingang des vorgenannten Beschwerdeschreibens informiert? 3.3 Wann wurde dem Direktor der Gedenkstätte das vorgenannte Schreiben zur Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiterinnen übergeben? 3.4 Wann hat der Leiter der Gedenkstätte das Beschwerdeschreiben zum Anlass für ein Personalgespräch mit dem Beschuldigten Vizedirektor genommen? Seite 4 von 4 3.5. Hat Herr Dr. Knabe insoweit zeitnah auf die Vorwürfe gegen den stellv. Leiter reagiert? 3.6. Welche Reaktion gab es von Seiten des damaligen Stiftungsratsvorsitzenden Tim Renner auf die Nachfrage von Herrn Dr. Knabe, ob er weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen für erforderlich hielte? Zu 2.1 – 3.6: Siehe Antwort zu 1.2. 4. Wie definiert der Senat die im Gesetz zur Errichtung der Stiftung Gedenkstätte Berlin- Hohenschönhausen verwendeten Begriffe „Personalstelle und Personalwirtschaftsstelle”? Zu 4.: Personalstelle und Personalwirtschaftsstelle sind Verwaltungsstellen zur Personalbetreuung bzw. zur Bewirtschaftung der zur Verfügung stehenden Personalmittel. Sie führen administrative Aufgaben aus und können keine Beschlüsse fassen. 4.1 Welche Verantwortung hatte der Vorsitzende des Stiftungsrates als „Personalstelle und Personalwirtschaftsstelle “ bis zum 01.07.2018? 4.2 Wann hat der Vorsitzende des Stiftungsrates erstmals von den Vorwürfen gegen den Vizedirektor der Gedenkstätte erfahren? 4.3 Welche konkreten Schritte hat der Kultursenator als Vorsitzender des Stiftungsrates wann ergriffen , um die Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte vor sexuellen Belästigungen zu schützen? Zu 4.1 – 4.3.: Siehe Antwort zu 1.2. 4.4. Warum hat der Kultursenator Ende 2017 trotz der bei seinem Vorgänger eingegangenen Beschwerde einer ehemaligen Volontärin über sexuelle Belästigungen erneut eine Volontärin in die Gedenkstätte entsandt? Zu 4.4: Der Senator Herr Dr. Lederer hat Ende 2017 keine Volontärin in die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen entsandt. 5. Was plant der Kultursenator, wenn die Kündigung des Direktors vom zuständigen Gericht als unrechtmäßig aufgehoben wird? In welcher Form plant der Kultursenator, den Direktor der Gedenkstätte in diesem Fall zu rehabilitieren und zu entschädigen? Zu 5.: Siehe Antwort zu 1.2. Berlin, den 12.11.2018 In Vertretung Dr. Torsten Wöhlert Senatsverwaltung für Kultur und Europa