Drucksache 18 / 16 977 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 01. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. November 2018) zum Thema: Polizei Berlin: Gesundheitliche Gefährdung in Dienstgebäuden – Status Quo 2018 und Antwort vom 22. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 6 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16977 vom 01. November 2018 über Polizei Berlin: Gesundheitliche Gefährdung in Dienstgebäuden – Status Quo 2018 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Dienstunfälle verursacht durch Schimmelbefall, Rattenbefall und belastetes Wasser in den Dienstgebäuden der Polizei Berlin wurden in den letzten zehn Jahren durch Polizeivollzugskräfte zur Anzeige gebracht? (Aufstellung nach Jahren, Direktionen inklusive der Dir E sowie den örtlichen Polizeiabschnitten erbeten.) Zu 1.: Bei der Polizeibehörde erfolgt erst seit 2015 eine themenbezogene Aufstellung, die jedoch nicht abschließend ist. Darüber hinaus erfolgt seit 2017 eine statistische Auswertung im Bereich Arbeitssicherheit. Aus diesen beiden Erhebungen ergibt sich folgendes Bild: Trinkwasser: Seit 2015 wurden insgesamt 16 Anzeigen von Mitarbeitern verschiedener Dienststellen - Landeskriminalamt 1 (1), Landeskriminalamt 2 (1), Landeskriminalamt 3 (4), Polizeiakademie (1), Direktion Einsatz (2), Direktion 3 (1), Direktion 5 (6) – im Zusammenhang mit Trinkwasserbelastungen gestellt: 1 Anzeige im Jahr 2015, 8 Anzeigen im Jahr 2016, 2 Anzeigen im Jahr 2017 und 5 Anzeigen im Jahr 2018. Die diesen Dienstunfallanzeigen zu Grunde liegenden Ereignisse gehen bis in das Jahr 1991 zurück und sind überwiegend nicht auf ein Jahr begrenzt, so dass eine differenzierte Zuordnung zu einzelnen Jahren nicht möglich ist. Schimmelbelastung: 2017: 1 Anzeige (Direktion 1, Abschnitt 14) 2018: 5 Anzeigen (Polizeiakademie) Seite 2 von 6 Alle Anzeigen betreffen die Liegenschaft Ruppiner Chaussee 268. Rattenbefall: 2017: keine Anzeigen 2018: keine Anzeigen. Für Zeiträume vor 2015 können mangels statistischer Erhebungen keine Angaben zu Dienstunfallanzeigen im Zusammenhang mit Trinkwasserbelastung, Schimmelbelastung und Rattenbefall gemacht werden. 2. Wie und mit welchen Ergebnissen wurde den jeweiligen Dienstunfallanzeigen konkret nachgegangen? (Aufstellung erbeten.) Zu 2.: Jede Dienstunfallanzeige wird sowohl vom Vorgesetzten als auch vom zuständigen Sicherheitsbeauftragten unterzeichnet. Werden bauliche oder andere Mängel des Gebäudes als Ursache für einen angezeigten Dienstunfall vermutet, erfolgt die sofortige Meldung durch den Sicherheitsbeauftragten an den Arbeitsschutzkoordinator, der die Einleitung erforderlicher Maßnahmen initiiert. In den überwiegenden Fällen werden Mängel jedoch auf anderen Wegen bekannt und es wird sofort darauf reagiert. Die Dienstunfallanzeigen werden erst später gestellt, sodass in den meisten Fällen schon vor der eigentlichen Dienstunfallanzeige an der Mängelbeseitigung gearbeitet wird. Bei baulichen Mängeln wird je nach Art des Mangels entweder der zuständige Hausmeisterdienst oder das Mietermanagement der Serviceeinheit Technik und Logistik (SE TL) informiert. Von dort erfolgt dann eine Aufforderung an die Berliner Immobilienmanagement (BIM) GmbH, die Feststellung und Beseitigung der Mängel zu veranlassen. Hierzu werden von der BIM GmbH in eigener Zuständigkeit als Vermieterin Aufträge an entsprechende Dienstleister erteilt. Bis zur Beseitigung der Mängel ist entsprechend des Gefahrenpotentials zu verfahren. Die Maßnahmen reichen von der Minimierung der Gesundheitsgefährdung (Sperrung von Duschen bei Schimmelbefall, Bereitstellung von Trinkwasser etc.) bis zur Sperrung der betroffenen Bereiche. Ich verweise hierzu auch auf die Beantwortung der Frage 4. In allen oben benannten Fällen von Dienstunfallanzeigen ist entsprechend verfahren worden. Im Fall der Trinkwasserbelastung in der Liegenschaft Friesenstraße (2017) erfolgten zunächst Sofortmaßnahmen (Trinkwasser nicht benutzen, Getränke wurden zur Verfügung gestellt, Duschen wurden geschlossen). Die BIM GmbH wurde mit der Umsetzung von technischen Maßnahmen an der Trinkwasseranlage beauftragt. Es erfolgte eine komplette Erneuerung des Trinkwassernetzes. Daraufhin durchgeführte Kontrollen wiesen keine Belastungen mit Schwermetallen und keine Grenzwertüberschreitungen mehr auf. Die Schimmelbelastung in der Ruppiner Chaussee war bereits in 2012 bekannt geworden (Dienstunfallanzeigen erfolgten erst in 2018). Seither erfolgten umfangreiche Untersuchungen, um die Quellen der Schimmelbelastungen zu ermitteln und zu beseitigen. Zuletzt erhielt eine Schadstofffirma, die bereits zuvor an den Messungen und Untersuchungen beteiligt war, im April 2018 den Auftrag von der BIM GmbH, Schimmelquellen hinter Wandvertäfelungen zu entfernen. Bis zur Seite 3 von 6 jeweiligen Beseitigung der Schimmelquellen waren durch Beschäftigte der BIM GmbH vier Räume sowie zwei Keller gesperrt worden. Im weiteren Verlauf erfolgt durch Dienstkräfte der Dienstunfallfürsorge jeweils eine Einzelfallprüfung zur Anerkennung als Dienstunfall oder Berufserkrankung. Seit 2015 wurden 11 unter Hinweis auf eine Trinkwasserbelastung angezeigte Dienstunfälle wegen fehlender Kausalität zum bestehenden Gesundheitsschaden abgelehnt. Die Prüfung und Bearbeitung der restlichen Anzeigen ist noch nicht abgeschlossen. In allen Fällen bezüglich der Schimmelbelastung erfolgte nach einzelfallbezogenen Prüfungen eine Ablehnung der Anerkennung als Dienstunfall. 3. Welche Rolle übernahm das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) bei der Überprüfung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei der Polizei Berlin in den letzten zehn Jahren? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 3.: Die Berliner Arbeitsschutzbehörde (Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit - LAGetSi) ist die staatliche Aufsichtsbehörde für den Arbeitsschutz über die gewerblichen Berliner Betriebe. Für die Dienststellen und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gilt nach der Verfassung von Berlin das Ressortprinzip, sodass die jeweilige Senatsverwaltung ihre nachgeordneten Behörden (auch im Hinblick auf den Arbeitsschutz) selbst zu beaufsichtigen hat. Dabei werden die landeseigenen Dienststellen durch Betriebsärztinnen bzw. Betriebsärzte, Sicherheitsngenieurinnen bzw. Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit sog. überbetrieblicher Dienste (i.S.d. Arbeitssicherheitsgesetz – ASIG) unterstützt. Für die Polizei Berlin fungiert nicht das LAGetSi, sondern die Unfallkasse Berlin (UKB) als Aufsichtsinstitution. Sie begleitet die Polizei Berlin in einer Vielzahl von Themen den Arbeitsschutz betreffend und agiert auch in konkreten Fällen von gesundheitlichen Beeinträchtigungen. So werden dort die Anzeigen von Arbeitsunfällen von Tarifbeschäftigten bearbeitet, in deren Zusammenhang die UKB die Unfallursachen ermittelt und die Beseitigung der ggf. ursächlichen Mängel überwacht. Hierzu werden von der Polizei Berlin keine Daten erhoben. In den letzten zehn Jahren wurde dem LAGetSi im August 2010 ein Vorgang aufgrund der Mitteilung eines Gesundheitsamtes bekannt. Es handelte sich um eine anonyme Beschwerde eines Beschäftigten über unhygienische Zustände in einem Duschraum eines Polizeiabschnittes. Das LAGetSi stellte daraufhin vor Ort vereinzelte Fliesenschäden, verkalkte Seifenschalen und einige Stockflecken fest. Es wurde empfohlen, das Reinigungsregime zu verbessern und die Schäden zeitnah zu sanieren. 4. Wann wurde die Schließung von Dienststellen oder ihrer Teilbereiche wegen einer möglichen oder erwiesenen Gesundheitsgefährdung in Betracht gezogen bzw. durchgeführt? (Aufstellung erbeten. Falls nein, Begründung erbeten.) Zu 4.: Bei Schimmelbelastung werden die betroffenen Räume geschlossen und unverzüglich eine Messung durch das Mietermanagement der SE TL beauftragt. Diese Messung bildet die Grundlage für eine Freigabe oder Maßnahmen zur Seite 4 von 6 Sanierung. Eine Wiederfreigabe sanierter Räume erfolgt erst nach erfolgreicher Freimessung. Bei Nagetierbefall ist es noch nicht zu einer Schließung von Dienststellen oder ihrer Teilbereiche gekommen. Bei belastetem Wasser kommt es nur zu Schließungen, wenn bei Duschen ohne installierten Legionellenfilter eine erhöhte Legionellenbelastung festgestellt wurde. Die Schließung wird durch das zuständige Gesundheitsamt angeordnet, welches vom Messinstitut gemäß Trinkwasserverordnung sofort informiert wird. Bei optisch oder geruchlich beeinträchtigtem Trinkwasser (z. B. Verfärbungen) wird von einem Verzehr schriftlich in der Nähe der Entnahmestelle abgeraten und eine Messung initiiert. Aufgrund der Messergebnisse ergeben sich Maßnahmen, in der Regel sind Sperrungen von Dienststellen oder ihrer Teilbereiche nicht notwendig. 5. Worin sieht der Senat begründet, dass mit dem Thema Arbeitsschutz und Dienstunfälle innerhalb der Polizei Berlin in den vergangenen Jahren nicht proaktiver umgegangen wurde, um auf ein Abmildern oder Beseitigen gesundheitsgefährdender Zustände hinzuwirken? Zu 5.: Bereits in der Vergangenheit wurde bei Bekanntwerden von Gesundheitsgefährdungen aufgrund baulicher Mängel nach dem oben geschilderten Verfahren gehandelt und es wurden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Gefährdung der Gesundheit der Mitarbeitenden der Polizei Berlin weitestgehend zu minimieren. Dabei werden solche Mängel eher wenig durch Dienstunfallanzeigen bekannt, sondern auf anderen Wegen an die Zuständigen herangetragen. Durch den Aufbau des seit 2017 installierten Arbeitsschutzmanagementsystems können nun die bestehenden Mängel umfänglicher dokumentiert und deren Beseitigung nachhaltiger verfolgt werden. Mit Hilfe intensiver Beschulungen zum Thema Arbeitsschutz ist bei den Führungskräften der Berliner Polizei in den zurückliegenden Jahren das Bewusstsein für Gesundheitsgefahren während der Arbeit deutlich geschärft worden. Auch dadurch wird nun adäquater auf solche Problematiken reagiert. Bis zum Abbau des Sanierungsstaus werden die Verantwortungsträger für den Arbeitsschutz auf jede einzelne akute Gefährdung reagieren und geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Mitarbeitenden zu schützen. Die notwendigen Maßnahmen, um den Zustand der von der Polizei Berlin genutzten Liegenschaften grundsätzlich deutlich zu verbessern, liegen in der Zuständigkeit der BIM GmbH und werden von dort hinsichtlich des Gefährdungspotentials der Mängel priorisiert und entsprechend dieser Priorisierung behoben. 6. Welche Rolle nahmen und nehmen die örtlichen Personalräte und der Gesamtpersonalrat ein, um auf ein Abmildern oder Beseitigen gesundheitsgefährdender Zustände hinzuwirken? Seite 5 von 6 Zu 6.: Gemäß § 77 Abs. 3 des Personalvertretungsgesetzes Berlin (PersVG Bln) nehmen die von den Personalräten beauftragten Mitglieder an den quartalsmäßig stattfindenden gesamtbehördlichen oder dezentralen Arbeitsschutz-Ausschuss- Sitzungen (ASA) teil. Gemäß § 85 Abs.1 Ziff.7 PersVG Bln haben die Personalräte ein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen. 7. Wurden bis heute Strafanzeigen wegen Körperverletzung im Amt seitens der Polizeivollzugskräfte gegen Unbekannt gestellt? (Wenn ja, Aufstellung nach Direktionen erbeten.) Zu 7.: Die für „Körperverletzung im Amt“ zuständigen Kommissariate der Polizeibehörde haben in dem zu Grunde liegenden Zeitraum keine einschlägigen Ermittlungsverfahren geführt. 8. Welche konkreten Maßnahmen werden künftig ergriffen, um potenziell wie auch nachweislich gesundheitsgefährdende Missstände zu beseitigen? Zu 8.: Hierzu wird auf die Beantwortung der Fragen 2, 4 und 5 verwiesen. 9. Welche Rolle nehmen der Dienstherr und insbesondere die Dienstvorgesetzten bei Bekanntwerden von gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen ein? Zu 9.: Gemäß der §§ 2 und 13 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 PersVG Bln in Verbindung mit Nr. 5 der Anlage zum PersVG liegt die Arbeitgeberverantwortung für die Polizei Berlin bei der Behördenleitung (Polizeipräsidentin und Polizeivizepräsident) sowie bei den Amts- und Direktionsleiterinnen und -leitern. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 ArbSchG sind neben dem Arbeitgeber auch diejenigen Personen für die Erfüllung der sich aus dem ArbSchG ergebenden Pflichten verantwortlich, die mit der Leitung eines Betriebes beauftragt sind. Als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes gelten für den Bereich des öffentlichen Dienstes die Dienststellen (vgl. § 2 Abs. 5 S. 1 ArbSchG), die nach Maßgabe des Personalvertretungsrechts zu definieren sind. Nach § 5 Abs. 1 PersVG i. V. m. Nr. 5 der Anlage zum PersVG sind jede örtliche Direktion bzw. die Direktion Einsatz, das Landeskriminalamt und die Dienststelle Polizeipräsidium (ehemals Dienststelle Behördenleitung) personalvertretungsrechtlich und somit auch im Sinne des § 2 Abs. 5 S. 1 ArbSchG als Dienststelle anzusehen. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber nach § 13 Abs. 2 ArbSchG die Verantwortung an zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich übertragen (sog. Pflichtenübertragung). Die Verantwortung gilt dann nur für den eigentlichen Verantwortungsbereich. Förmliche Pflichtenübertragungen haben aktuell der Leiter der Serviceeinheit Personal, der Serviceeinheit Informations- und Kommunikationstechnik und der Bußgeldstelle. Die Gesamtverantwortung bleibt immer bei der Behördenleitung. Seite 6 von 6 Diese Verantwortungsträger nehmen ihre Verantwortung im Sinne der gesetzlichen Vorschriften wahr. Dazu gehört es auch, bei Bekanntwerden von gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen adäquat zu reagieren bzw. diese nach Möglichkeit bereits präventiv zu verhindern. Darüber hinaus hat jede/r Vorgesetzte im Rahmen seiner/ihrer Fürsorgepflicht dafür Sorge zu tragen, dass seine/ihre Mitarbeitenden keinen vermeidbaren Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind. Bei Bekanntwerden von gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen hat also auch der/die Vorgesetzte entsprechend zu reagieren und beispielsweise das Betreten von gefährdenden Räumlichkeiten zu untersagen. Für die Einleitung von Maßnahmen zur Beseitigung der Gefährdung ist dann der Verantwortungsträger nach o.g. gesetzlichen Vorschriften zuständig. Berlin, den 22. November 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport