Drucksache 18 / 17 049 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Hakan Taş und Katina Schubert (LINKE) vom 12. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. November 2018) zum Thema: Zahlen in Berlin lebender Geflüchteter zum Stand 30. September 2018 (V) und Antwort vom 26. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Nov. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) und Frau Abgeordnete Katina Schubert (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17049 vom 12. November 2018 über Zahlen in Berlin lebender Geflüchteter zum Stand 30. September 2018 (V) ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.) Welche Erkenntnisse hat der Senat darüber, dass es laut einem Bericht der „Zeit“ vom 28. August 2018 vergangenes Jahr in Hessen eine Überprüfung der Ausländerakten aller ausreisepflichtigen Personen gegeben hat und sich dabei herausstellte, dass von den zum Stichtag 31. August 2017 erfassten 10.956 in Hessen aufhältigen Ausreisepflichtigen lediglich 63 Prozent tatsächlich ausreisepflichtig und aufhältig waren, wie bewertet der Senat diese Erkenntnisse und welche Schlussfolgerungen bzw. Handlungsaufträge werden hieraus abgeleitet oder sind geplant (bitte ausführen)? 2.) Inwieweit lassen sich die aus der genannten Überprüfung in Hessen gewonnenen Erkenntnisse nach Auffassung des Senats auf das Land Berlin übertragen, bzw. aus welchen Gründen ist dies nach Auffassung des Senats nicht möglich (bitte darlegen und begründen), und inwieweit ist nach Auffassung des Senats insbesondere die Schlussfolgerung zulässig, dass sich womöglich nicht ca. 17.000 Ausreisepflichtige in Berlin aufhalten, sondern nur ca. 11.000 (63 Prozent), weil 6.000 der im Ausländerzentralregister (AZR) gelisteten ca. 17.000 angeblich ausreisepflichtigen Personen (37 Prozent) womöglich entweder nicht ausreisepflichtig sind oder sich nicht mehr in Deutschland bzw. Berlin aufhalten (bitte begründet darlegen)? Zu 1. und 2.: Die unzureichende Datenqualität des AZR ist dem Senat bekannt. Aus diesem Grund stützt sich der Senat in seiner Flüchtlingspolitik in erster Linie auf die Auswertungen des Fachverfahrens der Berliner Ausländerbehörde, die nach Einschätzung des Senats eine verlässlichere Datengrundlage als die AZR-Daten darstellen.Das Fachverfahren der Ausländerbehörde Berlin weist mit Stand vom 30.09.2018 eine Zahl von 12.441 Ausreisepflichtigen aus. Diese Angabe hält der Senat trotz auch insoweit nicht völlig zu beseitigender Unschärfen der Auswertung belastbarer, als den AZR-Wert von derzeit 17.041 Personen. Plausibel erscheint diese Zahl nicht zuletzt deshalb, weil die Differenz zum AZR prozentual der in der hessischen Prüfung festgestellten Abweichung in etwa entspricht. Seite 2 von 3 Ungeachtet dessen sieht der Senat die unter anderem auch durch den MPK- Beschluss vom 09.02.2017 geforderte Verbesserung der Datenqualität des AZR perspektivisch für dringend erforderlich an. Angesichts des anhaltend hohen Publikumsaufkommens wird einer retrograden Prüfung und Bereinigung von AZR-Datensätzen derzeit allerdings nicht die oberste Priorität eingeräumt. Eine am Vorbild Hessens orientierte Prüfung – nach der in der Frage zitierten Presseberichterstattung sichteten dort 40 Bedienstete in zwei Monaten 10.956 Ausländerakten – hält der Senat für nicht vertretbar, weil dies zu erheblichen Einschränkungen bei der Publikumsbedienung führen würde. Die Ausländerbehörde ist allerdings angewiesen, festgestellte Unrichtigkeiten des AZR im Rahmen der Einzelfallbearbeitung zu korrigieren. 3.) Welche Erkenntnisse hat der Senat darüber, ob und gegebenenfalls wann das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat den von einem Expertenkreis zur AZR-Datenqualität von Bund und Ländern im Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR) im Dezember 2017 entwickelten und dem Ministerium zur weiteren Verwendung zugeleiteten Katalog mit insgesamt 13 Duldungsgründen aufgreifen und entsprechende Änderungen im AZR anordnen wird? Zu 3.: Eine Initiative des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zur Änderung der Durchführungsverordnung zum AZRG (AZRG-DV) (Drucksache des Bundetags 508/18) befindet sich derzeit zur Beratung im Bundesrat. 4.) Wie steht der Senat zum Vorschlag der Arbeitsgruppe Integriertes Rückkehrmanagement bei der Innenministerkonferenz, zu prüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Maßgaben Personen statistisch als freiwillig ausgereist erfasst werden können, bei denen im AZR „Fortzug nach unbekannt “ einzutragen ist (bitte begründen)? Zu 4.: Die Erfassung der melderechtlich als „Fortzug nach unbekannt“ gemeldeten Personen als freiwillig ausgereist hält der Senat trotz erheblicher Unschärfen im Ergebnis für sinnvoll. Trotz eines fehlenden Nachweises über die Ausreise erscheint es überwiegend wahrscheinlich, dass Personen, die dauerhaft nicht mehr vorsprechen, keine Leistungen beziehen und die melderechtlich als nach „unbekannt verzogen „ erfasst sind, freiwillig ausgereist sind. Diese Annahme liegt auch den Auswertungen der Berliner Ausländerbehörde zur freiwilligen Ausreise zu Grunde. Perspektivisch setzt sich der Senat dafür ein, dass die Erfassung freiwilliger Ausreisen künftig im AZR abgebildet werden soll, damit eine Auswertung der erfassten Daten automatisiert über das AZR erfolgen kann. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat ist gefordert , die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erfassung aller freiwilligen Ausreisen über das AZR zu schaffen. Die Nachweisproblematik bezüglich der freiwilligen Ausreise wird sich auch auf diese Weise jedoch nicht vollständig lösen lassen. 5.) Wie viele nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigte Ausreisepflichtige ohne Duldung hielten sich Ende 2017 in Berlin auf, wie hoch war dazu im Vergleich die Zahl der Ausreisepflichtigen ohne Duldung nach Angaben des Ausländerzentralregisters zum Stand Ende 2017, und stimmt der Senat der Einschätzung zu, dass Ausreisepflichtige ohne Duldung nur in den seltensten Fällen über eine Arbeitserlaubnis bzw. über ein entsprechendes Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit verfügen dürften (bitte begründen)? Zu 5.: Zum Stand 31.12.2017 waren nach den Auswertungen der Berliner Ausländerbehörde insgesamt 11.754 Personen ausreisepflichtig. Von diesen waren 10.111 im Besitz Seite 3 von 3 einer Duldung. Zum angefragten Zeitpunkt hielten sich demnach 1.643 ausreisepflichtige Personen ohne Duldung im Land Berlin auf. Bei wie vielen Personen im Einzelfall eine Leistungsberechtigung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vorlag, entzieht sich der Kenntnis des Senats. Die Daten über den Leistungsbezug lassen sich der Statistik des Gesundheits- und Sozialinformationssystems (GSI) der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung entnehmen . Diese ist im Internet unter der Adresse http://www.gsi-berlin.info/index.asp veröffentlicht. Danach werden zum Stichtag 31.12.2017 insgesamt 635 Personen mit dem aufenthaltsrechtlichen Status „vollziehbar zur Ausreise verpflichtet“ als Empfängerinnen und Empfänger von Regelleistungen nach dem AsylbLG ausgewiesen . Der Senat teilt die Einschätzung der Fragestellenden, dass Ausreisepflichtige ohne Duldung nur in den seltensten Fällen über eine Arbeitserlaubnis bzw. ein entsprechendes Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit verfügen. Dieser Personenkreis ist im Regelfall im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung, welche grundsätzlich den Hinweis „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“ enthält. Eine Rechtsgrundlage, wonach diesem Personenkreis die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte, ist in der Regel nicht vorhanden. Berlin, den 26. November 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport