Drucksache 18 / 17 061 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 13. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. November 2018) zum Thema: Todesfall in der JVA Plötzensee im Oktober 2018 und Antwort vom 28. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Dez. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17061 vom 13. November 2018 über Todesfall in der JVA Plötzensee im Oktober 2018 ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Gab es, und wenn ja: wann, im Oktober 2018 einen Todesfall in der JVA Plötzensee? Zu 1.: Am 27. oder 28. Oktober ereignete sich zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in der Zeit zwischen 22:30 Uhr bis 2:45 Uhr ein Suizid in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee . 2. Wie kam es zu diesem Todesfall? Zu 2.: Der Inhaftierte strangulierte sich in seinem Haftraum. 3. Sofern eine Selbsttötung vorlag: Womit wurde die Selbsttötung vorgenommen? Zu 3.: Der Gefangene hatte sich mit seinem Gürtel stranguliert. 4. Sofern die Selbsttötung mit Kleidungsstücken/Gegenständen des/der Gefangenen durchgeführt wurde: warum sind diese Gegenstände nicht vor Verschluss des Haftraums entfernt und dem/der Gefangenen zum Selbstschutz abgenommen worden? Zu 4.: Besondere Sicherungsmaßnahmen, wie den Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen , sind zulässig, wenn u. a. aufgrund des seelischen Zustandes des Gefangenen in erhöhtem Maße die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht. In dem vorliegenden Fall äußerte sich der Gefangene während der Kontrollrunde um 19:20 Uhr, dass er unverzüglich in die Justizvollzugsanstalt Heidering verlegt werden wolle, sonst würde er sich noch heute etwas antun. Das Auftreten des Gefangenen wurde als Mittel zur Durchsetzung seines Verlegungswunsches und nicht krankheitsverursacht eingestuft. Dennoch wurde von der diensthabenden Ärztin eine Unterbringung aus vollzuglichen Gründen im besonders gesicherten Haftraum (BgH) mit Monitorüberwachung angeregt. Der Gefangene wurde sodann in die Obhut der begleitenden Bediensteten des Hafthauses A übergeben . Auf dem Rückweg ins Haus A gegen 20:30 Uhr normalisierte sich das Verhalten des Gefangenen soweit, dass die zuführende Bedienstete den Gefangenen zunächst in seinen 2 Haftraum einschloss, um sodann mit den anwesenden Bediensteten und der Alarmzentrale das weitere Vorgehen zu koordinieren. In Absprache mit der Alarmzentrale wurden zunächst vier weitere Bedienstete aus den anderen Teilanstalten zusammengezogen, um die drei diensthabenden Bediensteten des Hauses A bei der Verbringung in den BgH zu unterstützen . Gegen 20:40 Uhr wurde der bereits schlafende Gefangene nochmals durch die Schichtleitung angesprochen. Daraufhin wiederholte dieser zwar, dass er nach Heidering verlegt werden wolle, distanzierte sich aber auf Nachfrage klar davon, sich selbst verletzten oder suizidieren zu wollen. In Absprache zwischen den entscheidungsbefugten Mitarbeitenden der Alarmzentrale sowie Mitarbeitenden der Schichtleitung wurde daraufhin entschieden , den Gefangenen in seinem Haftraum zu belassen und es wurde eine unregelmäßige nächtliche Beobachtung angeordnet. Der klare und geordnete Eindruck, den der Gefangene im Gespräch hinterließ, mit der Perspektive, am nächsten Werktag mit dem Sozialdienst seine Probleme besprechen zu können, ließen die Beamten, die ihre Entscheidung in Abstimmung mit dem Schichtleiter trafen, zu der nachvollziehbaren Annahme einer nicht mehr bestehenden akuten Suidzidgefahr gelangen. Somit bestand keine Veranlassung für sie, dem Gefangenen gefährliche Gegenstände, wie seinen Gürtel, zu entziehen. Gegen 22:30 Uhr erfolgte die erste Kontrolle des Gefangenen, wobei dieser schlafend aufgefunden wurde und auf Ansprache reagierte. 5. Wo und wie war der/die Gefangene zu diesem Zeitpunkt untergebracht? Zu 5.: Der Gefangene war in seinem Haftraum untergebracht. 6. Gab es, und wenn ja: welche Anhaltspunkte für eine mögliche Selbsttötungsabsicht des/der Gefangenen und wer hat diese festgestellt? Zu 6.: Der Gefangene äußerte während einer Kontrolluntersuchung im Justizvollzugskrankenhaus in der JVA Plötzensee der diensthabenden Ärztin gegenüber, dass er umgehend in die JVA Heidering verlegt werden wolle, da er sich ansonsten etwas antun werde. 7. Sofern eine Selbsttötungsabsicht erkannt wurde: was wurde daraufhin von wem veranlasst? Zu 7.: Die diensthabende Ärztin beurteilte die Suizidmotivation im Sinne eines demonstrativerpresserischen Verhaltens bei dem Strafgefangenen. Dennoch empfahl sie aus vollzuglichen Gründen eine Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum mit Monitorüberwachung . 8. Gab es ärztliche oder andere Anweisungen zur besonderen Unterbringung des/der Gefangenen, z. Bsp. in einem besonders gesicherten Haftraum oder in einem Haftraum mit Mehrfachbelegung? Wenn nein: Warum nicht? Zu 8.: Die im Dienst befindlichen sehr erfahrenen Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes sind von der ärztlichen Empfehlung abgewichen, weil sich der Gefangene auf Nachfrage den Bediensteten gegenüber klar davon distanzierte, sich selbst zu verletzen oder zu suizidieren. In diesem Gespräch gewannen die Bediensteten den Eindruck, dass dies glaubhaft sei. Es ist nicht ungewöhnlich, dass von ärztlichen Empfehlungen aufgrund veränderter Erkenntnislagen abgewichen wird. Die Unterbringung eines Strafgefangenen in den besonders gesicherten Haftraum ist stets ultima Ratio. Daher besteht seitens der Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung zur regelmäßigen Überprüfung vollzuglicher Sicherungsmaßnahmen. 3 9. In welchen Zeitabständen müssen Gefangene, insbesondere Gefangene mit Selbsttötungsabsicht kontrolliert werden und woraus ergibt sich die Kontrolldichte? Zu 9.: Die Zeitabstände der Kontrollen und die Kontrolldichte bei Gefangenen mit Selbsttötungsabsicht werden jeweils nach den Umständen des Einzelfalles festgelegt. 10. In welchen Abständen wurden bei dem/der Gefangenen am Tag der mutmaßlichen Selbsttötung Lebendkontrollen durchgeführt? Wann wurden diese Kontrollen am Tag der mutmaßlichen Selbsttötung erstmalig und wann zuletzt durchgeführt? Zu 10.: Der Gefangene wurde um 20:40 Uhr, um 22:30 Uhr und um 2:45 Uhr aufgesucht. 11. Ist das ärztliche Personal in der JVA Plötzensee weisungsbefugt in Bezug auf den Ort und die Art und Weise der Unterbringung Gefangener, z. Bsp. bei festgestellter Suizidabsicht? Wenn ja: gegenüber wem? Wenn nein: warum nicht? 12. Gab es Fälle in der JVA Plötzensee, in denen die Weisung des ärztlichen Personals nicht beachtet wurde? Wenn ja: wann und was war jeweils die Folge dessen? Zu 11. und 12.: Das ärztliche Personal ist nicht entscheidungs- oder weisungsbefugt. Nach den gesetzlichen Bestimmungen ordnen die von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter dazu bestimmten Bediensteten besondere Sicherungsmaßnahmen wie die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum an (§ 87 Abs. 1 Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes Berlin). In Alarmfällen zur Nachtzeit sind dies nach den in den Berliner Haftanstalten geltenden Weisungslagen die Beamtinnen und Beamten der Alarmzentrale. Die Anstaltsärzte haben insoweit keine Entscheidungskompetenz. Ihnen kommt lediglich eine beratende Funktion zu. Fälle, in denen von einer ärztlichen Empfehlung etwa aufgrund einer veränderten Sachlage abgewichen wird, sind im vollzuglichen Alltag nicht unüblich. Allerdings werden hierüber in der JVA Plötzensee keine Aufzeichnungen geführt. Berlin, den 28. November 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung