Drucksache 18 / 17 077 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Kristin Brinker (AfD) vom 14. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. November 2018) zum Thema: Faktencheck Stellungnahme Volksinitiative » Unsere Schulen « Teil 3: Realistische Kostenschätzungen und Antwort vom 04. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Dez. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Dr. Kristin Brinker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17077 vom 14. November 2018 über Faktencheck Stellungnahme Volksinitiative » Unsere Schulen « Teil 3: Realistische Kostenschätzungen ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Abgeordneten: In der Stellungnahme der Volksinitiative »Unsere Schulen« vom 7. November 2018 heißt es1: „Der Bedarf im Bereich Neubau und Sanierung von Schulen wird bundesweit auf 48 Milliarden Euro geschätzt. Proportional zur Berliner Bevölkerung wäre der Anteil für die Berliner Schulen 2,15 Milliarden Euro. Vom Senat wird hingegen der Bedarf auf 5,5 Milliarden Euro[…] geschätzt – mehr als das Zweieinhalbfache dessen, was sich aus dem Bundesdurchschnitt ergeben würde. Das Bundesland Thüringen hat zum Beispiel mit ca. 2,15 Mio. Einwohnern nur etwa 60 Prozent der Bevölkerung von Berlin. Der dortige Sanierungsstau im Bereich Schulen inklusive erforderlichem Neubau liegt dort aber bei unter einer Milliarde Euro, also bei weniger als 20 Prozent des Berliner Bedarfs. Diese Unterschiede im bundesweiten Vergleich werfen Fragen auf. Sind Berlins Schulen tatsächlich viel stärker geschädigt als im bundesweiten Durchschnitt? Wurde der Bedarf für Neubauten tatsächlich sachlich so unterlegt, dass jetzt in kürzester Zeit Schulen mit einem Gesamtvolumen errichtet werden müssen, das an das Bauvolumen des Großflughafens BER heranreicht? Wer hat das errechnet, und wann? Und wurden diese Berechnungen seither überprüft und fortgeschrieben oder sogar vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse korrigiert? [H.d.V.]“ Der Webseite des Berliner Senats ist zu entnehmen (Stand 09.11.18): „Die Berliner Schulbauoffensive (BSO) ist das größte Investitionsvorhaben der laufenden Legislaturperiode . Für das auf zehn Jahre, bis Ende 2026 angelegte Programm sind Mittel von insgesamt 5,5 Mrd. Euro vorgesehen. Damit soll der Sanierungsstau an den Schulen abgebaut und neue Schulen für die wachsende Stadt errichtet werden. [H.d.V.]““2 1 Stellungnahme der Volksinitiative »Unsere Schulen« vom 7. November 2018, S.22. 2 Sentasverwaltung für Finanzen, Die Schulbauoffensive des Berliner Senats; https://www.berlin.de/sen/finanzen/haushalt/schulbauoffensive/artikel.613867.php 2 1. Warum weicht der Berliner Erhaltungs- und Sanierungsstau vom Bundesdurchschnitt ab? Welche Rolle spielt der Berliner Bankenskandal und der Berliner Finanznotstand der 2000er Jahre dabei? Zu 1.: Die Rohdaten der Studie liegen nicht vor, so dass eine abschließende Beantwortung nicht erfolgen kann. Das KfW-Kommunalpanel beruht auf einer jährlichen repräsentativen Befragung von Kämmerern in Städten und Gemeinden. Es handelt sich also um eine Abschätzung des Investitionsrückstands. In Berlin ist durch den Mittelabfluss im Instandhaltungsbereich unterhalb der 1,32 % der Wiederbeschaffungswert als Sollwert ein Sanierungsstau entstanden. Inwiefern dieser höher oder niedriger ist als in anderen Ländern und Kommunen kann auf Grundlage vorliegender Informationen nicht bewertet werden. In der Studie werden jedoch auch zwei Faktoren genannt, die einen Vergleich erschweren: - Steigende Schülerzahlen in wachsenden Gemeinden bzw. Stadtteilen können beispielsweise zu deutlichen Investitionsmehrbedarfen führen. - Besonderheiten der amtlichen Statistik, unter anderem in der Abgrenzung des Investitionsbegriffs. Einer Schlussfolgerung ist jedoch ungeteilt zuzustimmen: „Vielmehr muss die Höhe kommunaler Investitionen auch vor dem Hintergrund der haushälterischen Spielräume der Kommunen betrachtet werden, denn die Investitionen der Kommunen sind abhängig von deren Finanzlage. Das bedeutet, dass Kommunen mit hohen Haushaltsüberschüssen und einer vergleichsweise geringen Sozialbelastung mehr Mittel zur Verfügung stehen, die auch in den Bau und Unterhalt der Schulgebäude fließen können. Kommunen mit angespannter Haushaltslage haben diese Freiheiten hingegen nicht. Hier sind gerade viele strukturschwache Kommunen, unter ihnen auch bedeutende Großstädte, in fiskalischer Hinsicht besonders stark eingeschränkt.“ In der Logik dieser Analyse bleibend, besteht in Berlin ein höherer Nachholbedarf, für den jetzt Finanzmittel bereitgestellt werden. Die Gründe für die eng gezogenen haushälterischen Spielräume sind dabei nicht alleine monokausal zu betrachten. 2. Welche Rolle spielt es, dass die angesetzten Mittel von 5,5 Mrd. Euro nicht nur 1,3 Mrd. Euro für Sanierung, sondern auch 2,8 Mrd. Euro für Neubau und Erweiterung sowie 1,5 Mrd. Euro für baulichen Unterhalt enthält? Zu 2.: Der bauliche Unterhalt in Höhe von 1,5 Mrd. EUR dürfte in der Studie nicht abgebildet sein. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren ergeben sich vergleichbare Zahlen für Thüringen und Berlin, wenn man diese anhand der Einwohnerzahlen umrechnet. Diese betrugen am 31.12.2017 für Berlin rund 3,6 Mio., für Thüringen rund 2,2 Mio. Einwohner. In diesem Fall entspricht die genannte rund eine Milliarde Euro für Thüringen entsprechend 1,7 Mrd. EUR für Berlin; damit verbleiben nach Abzug des vollen Rahmens für Sanierungen i.H.v. 1,3 Mrd. EUR, für Neubau rd. 400 Millionen EUR. Der nach Planungen höhere Wert für Neubau in Berlin resultiert vermutlich daraus , dass in Thüringen aufgrund der anhaltend rückläufigen Bevölkerung trotz überdurchschnittlicher Fertilitätsrate ein vergleichsweise hohes Geburtendefizit vorliegt und die Bevölkerung kontinuierlich zurückgeht. Berlin hingegen hat eine wachsende Bevölkerung mit jüngerer Bevölkerungsstruktur und dementsprechend ein stärkeres Wachstum der Schülerzahlen. 3 3. Gab es mittlerweile Anpassungen der Kostenschätzungen der angestrebten Maßnahmen? Zu 3.: Bei den Sanierungsfällen lag teilweise nur ein Kostenrahmen vor. Die Präzisierung bis hin zur Kostenfeststellung verläuft asynchron, so dass zu keinem Zeitpunkt eine über alle möglichen Maßnahmen vorliegende Kostenberechnung oder Kostenanschlag vorliegt. Vielmehr ist die Präzisierung maßnahmenbezogen abhängig vom Planungsfortschritt und findet bei der Konkretisierung des Projekts statt. Die Summe der Kostenerhebungen (je nach Planungsfortschritt verschieden) findet sich im Maßnahmen- und Finanzcontrolling sowie der Investitionsplanung. 4. Wenn ja, bei welchen Maßnahmen bzw. Größenordnungssegmenten („Bezirks-Ebene“, „SenStadt- Ebene“, „HOWOGE-Ebene“)? Mit wie viel Mehrkosten ist je nach Segment zu rechnen? Zu 4.: Durch gestiegene Maßnahmenzahlen, erweiterten Umfang der Maßnahmen und weitere Faktoren wie die Entwicklung des Baupreisindex ergeben sich Kostensteigerungen in allen drei Segmenten. Die Höhe der zu erwartenden Mehrkosten ist noch nicht präzise abzuschätzen. In Drs. 18/156723 heißt es: „Zu 3.: Der Senat orientiert sich bei der Festlegung der Höhe der baulichen Unterhaltung an den Empfehlungen der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt). Derzeit beträgt die Höhe bei normalem Fachvermögen 1,2 % des Wiederbeschaffungswertes , bei Schulen ist es zurzeit ein erhöhter Wert von 1,32% des Wiederbeschaffungswertes . [H.d.V.]“4 5. Welchen Satz wendet der Senat momentan an? Welchen Satz gedenkt der Senat die nächsten zehn Jahre anzuwenden? Zu 5.: Derzeit wird der in der Drucksache 18/15672 angegebene Satz von 1,32 % für Schulen und 1,2 % für übriges Fachvermögen angewendet. Eine Änderung der Festlegung der Höhe der baulichen Unterhaltung ist nicht vorgesehen. 6. Wie werden die Wiederbeschaffungswerte bestimmt? Werden die Wiederbeschaffungswerte jährlich neu bestimmt und auf dieser Basis die Mittelbereitstellung für den baulichen Unterhalt abgeleitet? Wenn nein, wie wird es dann gemacht? 3 Anfrage Dr. Kristin Brinker, Gesamter Erhaltungs- und Erweiterungs-Investitionsbedarf im Öffentlichen Bereich Berlins und dessen Bedeutung für die einzelnen Ebenen der öffentlichen Finanzwirtschaft (gemäß dem Schalenkonzept) – Allgemein – Teil 1; http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-15672.pdf 4 Ebenda, S.3. 4 Zu 6.: Die Wiederbeschaffungswerte, die der Ermittlung der Bauunterhaltung zugrunde liegen werden regelmäßig jährlich fortgeschrieben. Für die Ermittlung der Wiederbeschaffungswerte wird der vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg veröffentlichte Baupreisindex resp. die jährliche Erhöhung für den Neubau im Hochbau (Wohngebäude , Bürogebäude, gewerbliche Betriebsgebäude) angesetzt. 7. In welcher Höhe wird die HOWOGE nach Rahmenvertrags-Entwurf baulichen Unterhalt leisten? Wie lange wird die HOWOGE nach Rahmenvertrags-Entwurf baulichen Unterhalt leisten? Zu 7.: Die HOWOGE wird in erforderlichen Maßen Bauunterhaltsmaßnahmen durchführen. Laut Rahmenvertrag in der Fassung vom 6.11.2018 werden bei Neubauten für die Übernahme des baulichen Unterhalts während der Gewährleistungsphase von fünf Jahren nach Übergabe des Gebäudes in Höhe von 0,4 % des Wiederbeschaffungswertes des Gebäudes p.a. kalkuliert (§ 6 (2) d). Bei Sanierungsfällen beträgt der Wert aufgrund der Altgebäudeanteile 0,8 %. (§ 13 (3), letzter Spiegelstrich). Mit dem Ende der Gewährleistungsfrist von fünf Jahren endet der bauliche Unterhalt durch die HOWOGE. 8. Um wie viel Geld muss der Plafond für baulichen Unterhalt aufgestockt werden, weil die Wiederbeschaffungskosten bzw. die Kosten für die Baumaßnahmen „außer Kontrolle geraten“ ? Zu 8.: Da es sich bei der Berechnung des Bauunterhaltes auf Basis durchschnittlicher Preissteigerungen gem. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg handelt, bewegen sich die Erhöhungen des Plafonds in einem kontrollierten Rahmen. So betrug die Steigerung von 2018 zu 2017 (Basis für Plafondsermittlung und Zumessung Haushaltsjahr 2020/21) 3,7 %. In den 7 Jahren lag die jährliche Steigerung bei ca. 25 %. Insofern ist zwar ein Ansteigen des Baupreisindex zu beobachten, es liegen jedoch keine Erkenntnisse vor, dass die Preissteigerungen im Baugewerbe die Wiederbeschaffungswerte übermäßig ansteigen lassen und somit den Bauunterhalt über ein normales Maß hinaus erhöhen. Bei der Berechnung des Plafonds für bauliche Unterhaltung spielen zwei Einflussfaktoren eine Rolle: - Entwicklung des Baupreisindexes (Preisentwicklung) - physische Bestandsänderungen bei den Gebäuden (Zu- und Abgänge) Gegenüber der ursprünglichen Plafondsberechnung 2018 (Basis Wiederbeschaffungswerte 2016) sind die Mittel für baulichen Unterhalt um 6,2 % aufgrund Baupreisindexentwicklung angestiegen. Dies entspricht –bereinigt um Bestandsänderungeneinem Betrag von insgesamt 12.840 TEUR für alle Bezirke (davon 9.514 TEUR für Schulen und 3.326 TEUR für übriges Fachvermögen der Bezirke). 9. Mit welchen Gesamtkosten für die Berliner Schulbauoffensive (BSO) ist nach aktuellem Stand zu rechnen? Bzw. um wie viel mehr als die ursprünglich geplanten Kosten von 5,5 Mrd. Euro ist zu rechnen ? 5 Zu 9.: Über die dem Abgeordnetenhaus vorliegende Investitionsplanung 2018 bis 2022 hinaus hat der Senat keine aktuelleren Erkenntnisse. Diese werden mit der Fortschreibung der Investitionsplanung und der Haushaltsanmeldung 2020 /2021 zu präzisieren sein Berlin, den 04. Dezember 2018 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie