Drucksache 18 / 17 110 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 21. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. November 2018) zum Thema: „Diskriminierung an Berliner Schulen“ und Antwort vom 04. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Dez. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17110 vom 21. November 2018 über „Diskriminierung an Berliner Schulen“ ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Die Schriftliche Anfrage von Herrn Sebastian Walter (Bündnis 90/Die Grünen) zum Thema: Diskriminierung von Schüler*innen an Berliner Schulen [Drs. 18/16794] beantwortet der Senat u.a. wie folgt: „Die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz, Justiz und Antidiskriminierung fördert das Projekt Kids- Courage des Trägers „Sozialistische Jugend Deutschland Die Falken LV Berlin“ und führt Projekttage an Grundschulen zum interkulturellen Lernen, Nachhaltigkeit und zu Demokratie und Mitbestimmung in verschiedenen Stadtteilen durch. [..] Die Projekttage werden überwiegend in Stadtteilen mit hohem Migrantenanteil durchgeführt sowie in Bezirken mit hohem rechtsextremen Wählerpotenzial.“ 1.) Wieso fördert der Senat Aktivitäten der „Sozialistischen Jugend Deutschland“, deren politische Tendenz auf der Homepage des Projektes „Kids-Courage“ explizit benannt wird, an Berliner Grundschulen? Zu 1.: KidsCourage ist ein Projekt der Sozialistischen Jugend – Die Falken Berlin. Die Falken sind ein demokratischer, parteiunabhängiger Kinder – und Jugendverband, der sich aktiv für die Rechte der Kinder einsetzt und Kinder und Jugendliche mit Seminaren, Gruppentreffen, Kinderfreizeiten, Sommercamps, Gedenkstättenfahrten und internationalen Begegnungen für Respekt, Toleranz, Akzeptanz und Antidiskriminierung stark macht. 2 2.) Inwiefern ist es zweckmäßig und Aufgabe der Schule, den Unterricht darauf abzustimmen, welche Parteien die Eltern der Schüler (mutmaßlich) wählen? Zu 2.: Der Unterricht wird nicht nach einem mutmaßlichen Wählerinnen- und Wählerverhalten von Eltern oder Fürsorgeberechtigten abgestimmt. 3.) Auf welchen Daten fußt die Einschätzung des Senates zu hohem rechtsextremem Wählerpotential? Zu 3.: Die Einschätzung, in welchen Sozialräumen die Projektarbeit angeboten wird, richtet sich, abgesehen von konkreten Nachfragen interessierter Schulen, nach den Analysen von rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Ereignissen oder Agitationsbestrebungen. Diese Analysen nehmen die Projektverantwortlichen vor und nicht der Senat. 4.) Aus welchem Grund wird das Projekt „Kids-Courage“ gerade in Stadtteilen mit hohem Migrantenanteil durchgeführt? Zu 4.: Zum einen wird das Angebot „KidsCourage“ bedarfsorientiert zur Verfügung gestellt und reagiert somit auf Unterstützungsnachfragen von Schulen. Zum anderen liegt dem Angebot von „KidsCourage“ ein Empowerment-Ansatz zu Grunde, der sich auch an von Rassismus Betroffene richtet. Die Erreichbarkeit dieser Zielgruppe ist in Sozialräumen mit einem hohen Migrantinnen- und Migrantenanteil leichter gegeben. 5.) Der Senat führt u.a. folgendes aus: „Das Berliner Schulgesetz (SchulG Bln) formuliert neben dem Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang ein allgemeines Toleranzgebot.“ Der Begriff der „Toleranz“ findet sich weder im bestehenden Schulgesetz noch in der novellierten Fassung. Wo wird im Schulgesetz ein „allgemeines Toleranzgebot“ formuliert? Zu 5.: Grundlage der Beantwortung von Frage 7b der Schriftlichen Anfrage 18/16794 waren unter anderem die Verfassung von Berlin und das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG). Grundlage dieser Verfassung sind die Grundrechte und Art. 1 Abs. 2 GG nennt ebenso das Bekenntnis zu den Menschenrechten, wie Art. 3 GG das Toleranzgebot formuliert. Die Verfassung von Berlin ist die verbindliche Leitlinie für die Politik im Land Berlin; Gesetze für das Land Berlin müssen sich im Rahmen der Landesverfassung bewegen. Der Begriff Toleranz gehört zwar nicht zum unmittelbaren Wortschatz der Verfassung noch des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, ergibt sich aber aus dem Gesamtsinn. Das Bundesverfassungsgericht entnimmt das Gebot der Toleranz vor allem dem Bekenntnis zur Unantastbarkeit der Menschenwürde. 3 6.) Toleranz ist eine innere Haltung gegenüber einem Sachverhalt; innere Haltungen lassen sich weder verbieten noch gebieten. Plant der Senat, ein „allgemeines Toleranzgebot“ zu erlassen? Zu 6.: Nein. 7.) Der Senat begründet die Tatsache, daß sich für den Zeitraum 2013 bis September 2016 im Sinne der Anfrage Herrn Walters keine validen Angaben zu Diskriminierungen von Schülerinnen und Schülern an Berliner Schulen machen ließen, wie folgt: „Die Datenerhebung während des Berichtzeitraums lässt keine verlässlichen Rückschlüsse auf das tatsächliche Ausmaß oder die quantitative Entwicklung von Diskriminierungen im Bereich Schule zu, da hierfür ein Datenabgleich mit allen Beratungs- und Registerstellen nötig wäre und starke Beschwerdehemmnisse in Schule wirken, so dass sich nicht alle von Diskriminierungen, Rassismus und Antisemitismus Betroffenen überhaupt beschweren. Darüber hinaus bräuchte es für valide Aussagen bezüglich Fallzahlen u. a. einen Abgleich mit verlässlichen Zahlen zu Betroffenengruppen innerhalb der Stadt und Informationen zu Diskriminierungserfahrungen, die aufgrund von falschen Zuschreibungen gemacht werden.“ Wenn sich „von Diskriminierungen, Rassismus und Antisemitismus Betroffene“ nicht beschweren, woher weiß der Senat dann, daß Diskriminierungen stattgefunden haben bzw. als solche erlebt wurden? Zu 7.: In der Antwort auf die Schriftliche Anfrage 18/16794 wurden die Fallzahlen von Beschwerden und Meldungen von Betroffenen für das Schuljahr 2016/17 veröffentlicht. Ebenso wurde die Datenlage von Beratungsstellen erfragt. Über diese Datenlage hinaus können keine verlässlichen Rückschlüsse zu Ausmaß und quantitativer Entwicklung getroffen werden. Qualitative Studien geben u.a. Aufschluss über Beschwerdehemmnisse. 8.) „In dem Bericht 2016/2017 werden unter Rassismus alle Formen von Rassifizierung erfasst (Antisemitismus, Anti-muslimischer Rassismus, Rassismus gegen Sinti und Roma, Rassismus gegen Schwarze Menschen und Rassismus in Bezug auf Herkunft, Sprache, Religion und/oder sog. Hautfarbe).“ Wenn der Senat von einer „sog. (sogenannten) Hautfarbe“ spricht, Hautfarbe für ihn also kein Unterscheidungskriterium ist, wen bezeichnet er dann als „Schwarze Menschen“? Zu 8.: Der Prozess der Markierung von Menschen anhand der Konstruktion von Hautfarben über bestimmte Hauttöne ist durch das Wort „sogenannt“ historisch kontextualisiert worden. Schwarz ist keine Hauttonbeschreibung, sondern eine Selbstbezeichnung afrikanischer und afro-deutscher Menschen. 9.) Der Senat führt u.a. aus: „Das Berliner Netzwerk gegen Diskriminierungen in Schule und Kitas (BeNeDiSK) hat über das Online-Meldeverfahren für die Jahre 2016 und 2017 insgesamt 111 auswertbare Diskriminierungsfälle im Bereich Kita (24 Fälle) und Schule (87 Fälle) zurückgemeldet.“ Koordinatorin des Netzwerks ist Frau Maryam Haschemi Yekani, die als Rechtsanwältin auf „Antidiskriminierungs-recht, Arbeitsrecht, Aufenthaltsrecht und Schulrecht“ spezialisiert ist. Laut Impressum wird die Arbeit des „Berliner Netzwerkes gegen Diskriminierung in Schule und Kita“ seit 2014 finanziell von der „Open Society Justice Initiative“ unterstützt. 4 Hält der Senat es für angemessen, keinen Hinweis auf das wirtschaftliche Eigeninteresse von Frau Maryam Haschemi Yekani an dem oben zitierten Projekt zu geben? Zu 9.: Die Schriftliche Anfrage 18/16794 hat um Daten zu Diskriminierungen von Schülerinnen und Schülern von Beratungsstellen gebeten. Diese Zahlen wurden erfragt und zurückgemeldet. 10.) Wurde das „Berliner Netzwerk gegen Diskriminierungen in Schule und Kitas (BeNeDiSK)“ finanziell durch den Senat unterstützt? Wenn ja, in welcher Höhe? Zu 10.: Nein. 11.) Der Senat führt u.a. aus: „Das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan e.V.) erfasst über Workshops, die sie mit Jugendlichen durchführen, Berichte von Diskriminierungsvorfällen mit Mitschülerinnen und Mitschülern und vor allem Lehrerinnen und Lehrern.“ Laut der Auskunft des Senates auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15795 über Neutralitätsgesetz und Open Society Foundation ist Frau Zeynep Çetin Projektkoordinatorin des vom Senat finanzierten Projekts „Netzwerke gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit“ mit einem Stundenumfang von 28 Wochenstunden. Der Verein „Inssan e.V.“ ist personell mit deutschen Vertretern der Muslimbruderschaft verflochten; Frau Çetin setzt sich als Rechtsanwältin für die Abschaffung des Berliner Neutralitätsgesetzes ein. Weshalb unterstützt der Senat finanziell und organisatorisch Vertreter einer Position, welche im Falle ihrer Umsetzung die politische Neutralität an Schulen weiter untergraben würde? Zu 11.: Über die im Rahmen des geförderten Projekts „Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit“ tätige Projektmitarbeiterin und ihre Aufgaben wurde bereits berichtet, vgl. Drucksache 18/15795. 12.) Der Senat führt u.a. folgendes aus: „Eltern beraten Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung e.V. ist eine Beratungsstelle für Eltern von Eltern von Kindern mit Behinderung und das Thema Schule ist eines von vielen. [..] In den Beratungen (persönlich, telefonisch und per Mail) wird deutlich, dass jede Familie mit einem schulpflichtigen Kind in Berlin immer wieder Diskriminierung in und um das Schulthema herum erfahren, z.B. werden Eltern bei Krankheits-stand im Kollegium gebeten, die Kinder mit Behinderung früher abzuholen, Fahrdienste werden nicht genehmigt, Medikamente werden nicht verabreicht, Kinder werden an Schulen abgelehnt, es existiert nur eine unzureichende oder gar keine Förderung, Sportevents, Schulfeste, usw. sind nicht barrierefrei. Da diese Diskriminierung für Familien von Kindern mit Behinderung Alltag ist, beschweren sich Eltern oft gar nicht mehr oder kennen die Rechte und Möglichkeiten auch nicht. Viele Familien haben keine Energie für eine Beschwerde, weil es im Leben von Familien von Kindern mit Behinderung immer wieder Ablehnung (Amt/Krankenkasse/…) gibt und Familien ständig ihre Rechte erkämpfen müssen.“ Handelt es sich bei den oben aufgeführten Missständen um mutwillige Diskriminierungen durch Lehrer oder eher doch um Sachverhalte, die der Unterversorgung der Schulen mit pädagogisch geschultem Personal zuzurechnen sind? 5 Zu 12.: Die Schriftliche Anfrage 18/16794 fragt nach Rückmeldungen der Beratungsstellen. Dem wurde nachgekommen. Es wurde hier keine Aufschlüsselung nach Urheberschaft geliefert, denn die Beratungsstelle dokumentiert nach Beratungsthemen. Eine Beurteilung der Fälle im Sinne der Anfrage ohne diese spezifische Angaben und Informationen ist nicht möglich. Es können hier daher keine validen Aussagen zu Umfang, Verhältnis und Verschränkungen von eventuellen Diskriminierungen durch Lehrerinnen und Lehrer und anderen Faktoren getroffen werden. Auch über eine eventuelle Mutwilligkeit lässt sich keine Aussage treffen. Berlin, den 04. Dezember 2018 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie