Drucksache 18 / 17 117 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) vom 22. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. November 2018) zum Thema: Finanzierung der persönlichen Assistenz für Menschen mit Behinderung in allen Lebenssituationen – hat der Senat die Probleme erkannt? und Antwort vom 04. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Dez. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17117 vom 22.11.2018 über Finanzierung der persönlichen Assistenz für Menschen mit Behinderung in allen Lebenssituationen - hat der Senat die Probleme erkannt ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Senats: Menschen mit Behinderungen haben nach der UN-Behindertenrechtskonvention das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe, das in Deutschland durch Art. 3 Grundgesetz bekräftigt wird. Menschen mit Behinderungen werden gleichberechtigt, wenn generelle Maßnahmen vorhanden sind, um bestehende umwelt- oder personenbezogene Barrieren zu beseitigen. Dort, wo generelle Maßnahmen öffentlicher und privater Stellen nicht ausreichen, sind individuelle Maßnahmen erforderlich, die in Deutschland durch das gegliederte Sozialrechtsystem abgedeckt werden. Ein Teil dieser individuellen Maßnahmen wird für einen verhältnismäßig kleinen Personenkreis auch über die Eingliederungshilfe gedeckt, die mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) reformiert wird. Die Eingliederungshilfe des BTHG hat nicht den Auftrag, alle individuellen Maßnahmen für alle Menschen mit Behinderungen abzudecken. Der Senat hat sich in seinen Regierungsrichtlinien verständigt, dass die Umsetzung des BTHG durch ein ressortübergreifendes Projekt erfolgt, wie: 2 1. Der Vollzug des BTHG in Berlin wird auf einem hohen fachlichen, personellorganisatorischen , wirtschaftlichen und kundenorientierten Qualitätsniveau gewährleistet. 2. Die für den Vollzug des BTHG verantwortlichen Akteure in Berlin kooperieren, um die Teilhabesituation von leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen im Rahmen des BTHG zu verbessern, um so einen Meilenstein zur inklusiven Gesellschaft zu erreichen. 1. Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) sollen Menschen mit Behinderung mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung erhalten. Wie versteht der Senat dabei die Forderung der „Personenzentrierung“, die im neuen BTHG verankert ist? Zu 1.: Der Senat versteht unter dem Ansatz der Personenzentrierung den Mensch mit Behinderung als Mittelpunkt des Verfahrens und der Leistung zu sehen, was insbesondere Auswirkungen auf Beratung, die Beteiligung und Mitwirkung im Gesamtplanverfahren und auch die Gewährleistung des Wunsch- und Wahlrechts in der Leistungserbringung hat. Das bedeutet auch, dass der Bedarf des Menschen mit Behinderung unabhängig von gewählten Wohnformen oder von konkreten Leistungen als Ausgangspunkt aller Betrachtungen zu sehen ist. 2. Menschen mit Behinderung erhalten je nach Behinderung und benötigten Umfang Unterstützung im Alltag von unterschiedlichen Trägern. Wie informiert der Senat die Betroffenen und leistet seinen Beitrag, dass Menschen mit Behinderung ihre Bezüge und Leistungsansprüche erhalten? Zu 2.: In Wahrnehmung ihrer Aufgaben für den Träger der Eingliederungshilfe bzw. der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 AG SGB XII nehmen die Bezirke ihre Beratungspflicht nach § 11 SGB XII wahr. Im Teilhabeplanverfahren ist auch der Träger der Eingliederungshilfe gehalten – sofern er leistender Rehabilitationsträger nach §§ 14 ff. SGB IX ist – den individuellen Bedarf der antragsstellenden Person festzustellen. Dies beinhaltet auch die Beteiligung von anderen Rehabilitationsträgern oder anderen öffentlichen Stellen. Die Pflegekasse und der Sozialhilfeträger können bei entsprechenden Anhaltspunkten und ausschließlich mit Zustimmung der leistungsberechtigten Person nach § 117 Abs. 3 SGB IX beteiligt werden. Die beiden letztgenannten sind aber nicht an die Regelungen des §§ 14 ff. SGB IX gebunden. Der Senat begrüßt, dass sich die ergänzende, unabhängige Teilhabeberatung nach § 32 SGB IX auch in Berlin etablieren konnte. Er tritt dafür ein, dieses Angebot auch über das bundesgesetzlich vorgesehene Ende der Förderung dieser Stellen aus Bundesmitteln zu verlängern, um ein (weiteres) unabhängiges Beratungsangebot für Menschen mit Behinderungen zu schaffen und zu erhalten. Weitere Beratungsangebote der Bezirke werden z.B. in Form der Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen oder durch die Stellen für psychosoziale Beratung angeboten. Daneben nehmen die Leistungserbringer der Eingliederungshilfe im Rahmen ihres Auftrags auch Beratungen wahr. Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 3 3. Wie viele Menschen mit Behinderung erhalten im Land Berlin die Leistung „persönliche Assistenz“? Bitte aufgeteilt nach Bezirken. 4. Wie viele Dienstleister gibt es, die Menschen mit der Leistung „persönliche Assistenz“ in Berlin versorgen? 5. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten der persönlichen Assistenz pro Leistungsbezieher im Land Berlin? 6. Welche Kostenträger sind im Durchschnitt in welcher Höhe für die gesamte Leistung eines Menschen mit Behinderung in Berlin verantwortlich? Bitte aufgeteilt nach Kostenträger, Leistungsart, Höhe der Leistung und Bezirk. Zu 3. bis 6.: Die Fragen werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Mit Verweis auf die Vorbemerkung ist eine Darstellung von allen Leistungen, deren Bestandteile oder deren Leistungsträger für Menschen mit Behinderungen nicht möglich. Eine Möglichkeit Persönliche Assistenz zu erhalten, ist derzeit über Leistungskomplex 32 (LK 32) geregelt, der die Erbringung von Pflegeleistungen ermöglicht. Das Recht der Eingliederungshilfe wird ab 01.01.2020 gemäß §§ 113 Abs. 2 Nr. 2, 78 SGB IX auch Assistenz umfassen. Welchen Inhalt die Assistenzleistungen der Eingliederungshilfe haben wird, ist Gegenstand der derzeit laufenden Verhandlungen für einen Landesrahmenvertrag nach § 131 SGB IX. Die Interessensvertretungen für Menschen mit Behinderungen sind an den Verhandlungen beteiligt. Auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. 7. Wie wird der gleichberechtigte Zugang zur Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderung, die auf persönliche Assistenz angewiesen sind, gewährleistet? 8. Wird die persönliche Assistenz für den Leistungsbezieher bei einen Krankenhausaufenthalt weiterbezahlt? Wenn ja, wie hoch sind die jährlichen Kosten? 9. Wenn nein, warum nicht und wie wird die persönliche Assistenz, die durch vertraute und eingearbeitete Assistent_innen erbracht wird, auf die individuellen Anforderungen (persönlichen Verhältnisse) ausgerichtet ist und auf einem langjährigen Vertrauensverhältnis gründet, während des Krankenhausaufenthalts gewährleistet? Zu 7. bis 9.: Die Fragen werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung obliegt in erster Linie den für Gesundheit zuständigen Leistungssystemen, etwa dem der gesetzlichen Krankenversicherung nach SGB V. Der Senat ist der Auffassung, dass eine gleichberechtigte Teilhabe auch das Leistungssystem des SGB V betrifft, das im Sinne der Inklusion seine Angebote so zu gestalten hat, dass alle Menschen mit und ohne Behinderungen dies nutzen können. 4 Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Eine Assistenz in Form des LK 32 im Krankenhaus kann aufgrund von § 36 Abs. 4 SGB XI iVm. § 63 Abs. 3 SGB XII in Form der Pflegesachleistung nicht zulasten der Hilfe zur Pflege bzw. Pflegeversicherung gewährt werden. Eine Ausnahme ist das Arbeitgebermodell nach § 63b Abs. 4 S. 1 SGB XII, bei dem die pflegebedürftige Person ihre Pflege durch von ihr selbst beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellt. Leistungen der Eingliederungshilfe werden ab 2020 wohnortunabhängig erbracht. Demnach ist eine Leistung der Eingliederungshilfe im Krankenhaus denkbar. Insoweit müssten lediglich die Krankenhäuser offen dafür sein, dass die Leistungserbringerin bzw. der Leistungserbringer bzw. die Assistenzkraft der leistungsberechtigten Person (finanziert durch die Eingliederungshilfe) mitgebracht werden kann und ggf. entsprechende Räumlichkeiten für die Leistungserbringung vorfindet. Allerdings müssen die Fach- und Assistenzkräfte der Eingliederungshilfe die Anforderungen der jeweiligen Leistungsbeschreibung erfüllen. Auf die Antwort zu Fragen 3. bis 6. wird verwiesen. Andernfalls ist ein leistungsträgerübergreifendes Persönliches Budget nach § 29 SGB IX denkbar. 10. Hält der Senat angesichts der Forderung der „Personenzentrierung“ aus dem BTHG eine künftige Versagung der persönlichen Assistenz auch im Krankenhaus für rechtlich möglich bzw. integrationspolitisch akzeptabel? Zu 10.: Die Eingliederungshilfe nach dem BTHG ist keine Gesamtleistung für alle Menschen mit Behinderungen. Insoweit kann sie nur die ihr zugewiesenen Leistungen unter den bestimmten Leistungsvoraussetzungen gewähren. Auf die Vorbemerkung und die Antworten zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. 11. Was wird der Senat tun, um mit welchen konkreten Maßnahmen, die geforderte Personenzentrierung des neuen BTHG umzusetzen und sichtbar zu machen? Zu 11.: Im Rahmen des BTHG-Projekts wird von der Aufstellung bzw. Bestimmung des Trägers der Eingliederungshilfe, der Beratung, des Gesamt- und Teilhabeplanverfahrens einschließlich der Bestimmung des Bedarfsermittlungsinstruments sowie der Leistungen und deren Erbringung Personenzentrierung sichtbar gemacht werden. Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. 12. Wie wird der Senat insbesondere die Finanzierung der persönlichen Assistenz auch während eines Krankenhausaufenthaltes gewährleisten? Zu 12.: Der Senat prüft, inwieweit er im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen der von ihm verantworteten Leistungssysteme, insbesondere der Ergebnisse der Verhandlungen auf Rahmenvertragsebene eine Finanzierung sicherstellen kann. 5 Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu den Fragen 7 bis 9 wird verwiesen. Berlin, den 05. Dezember 2018 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales