Drucksache 18 / 17 149 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Carola Bluhm und Stefanie Fuchs (LINKE) vom 27. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. November 2018) zum Thema: Stationäre Pflege in Alt-Mitte – Schließung von Pflegeeinrichtungen und Antwort vom 13. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Dez. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Carola Bluhm (LINKE) und Frau Abgeordnete Stefanie Fuchs (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17149 vom 27. November 2018 über Stationäre Pflege in Alt-Mitte – Schließung von Pflegeeinrichtungen ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die Folgen der Schließung dreier Pflegeeinrichtung in Berlin Alt-Mitte (Magazinstraße 6-7, Invalidenstraße 120-121, Am Hackeschen Markt), wodurch rund 700 Plätze in der Stationären Pflege wegfallen, es in Alt-Mitte überhaupt keine Angebote in der stationären Pflege mehr gibt, die Bewohner *innen der Einrichtungen die ihnen vertraute Umgebung verlieren, Angehörige weite Wege in Kauf nehmen müssen und der Stress des Umzugs in eine neue Umgebung dazu führt, dass sich bei vielen Heimbewohner *innen der Zustand verschlechtert? Zu 1.: Von den drei benannten vollstationären Pflegeeinrichtungen ist die - Pro Seniore Residenz Vis à vis der Hackeschen Höfe, Rosenthaler Straße 43-45, 10178 Berlin mit ursprünglich 233 zuletzt 40 Plätzen geschlossen worden. Die vollstationären Pflegeeinrichtungen - Senioren-Domizil Am Alexanderplatz, Magazinstr. 6-7, 10179 Berlin mit 258 Plätzen und - Senioren-Domizil Invalidenstraße, Invalidenstr. 120/121, 10115 Berlin mit 154 Plätzen wurden zum 01.12.2018 von der Vivantes Forum für Senioren GmbH übernommen. Auch wenn diese Pflegeeinrichtungen nicht weiter an genannten Standorten betrieben werden können, wird die Pflege und Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner zumeist von den ihnen bekannten Pflege- und Betreuungskräften weitergeführt werden, da die Vivantes Forum für Senioren GmbH die Beschäftigten in den Einrichtungen weiterbeschäftigen will. Somit kann der Trägerwechsel für die derzeitigen Bewohnerinnen und Bewohner in den Einrichtungen weitestgehend ohne große Beeinträchtigungen vollzogen werden. - 2 - 2 2. Was gedenkt der Senat zu tun, um in Alt-Mitte für ein ausreichendes Angebot an Plätzen in der Stationären Pflege zu sorgen? 3. Entspricht es aus Sicht des Senats den realen Bedürfnissen der Bewohner*innen des Bezirkes Mitte, wenn alle drei o.g. Pflegeheime einer künftigen Büro- oder Hotelnutzung weichen müssen? Zu 2. und 3.: Die Entwicklung des Marktangebotes an vollstationären Langzeitpflegeplätzen wird vom Senat ständig beobachtet. Er steht im stetigen Austausch mit den Trägern der Pflegeeinrichtungen sowie mit den Pflegekassen. Nach derzeitigem Stand steht in Berlin aktuell insgesamt ein ausreichendes Angebot an Pflegeplätzen in vollstationären Pflegeeinrichtungen zur Verfügung. In den letzten 5 Jahren sind 13 vollstationäre Pflegeeinrichtungen mit insgesamt 659 Plätzen (d.h. durchschnittlich 51 Plätze pro Einrichtung) geschlossen worden. Im gleichen Zeitraum sind 14 vollstationäre Pflegeeinrichtungen mit insgesamt 1.845 Plätzen (d.h. durchschnittlich 132 Plätze pro Einrichtung) neu entstanden. Die Berliner vollstationären Pflegeeinrichtungen mit derzeit insgesamt 33.041Plätzen sind durchschnittlich zu rund 89 % ausgelastet. Insofern bestehen noch ausreichende Aufnahmekapazitäten, um die Versorgung von Pflegebedürftigen sicherzustellen. 4. Welche Strategie verfolgt der Senat, auch was die Versorgung psychisch kranker Menschen im Bezirk Mitte anbelangt, um bei künftigen Stadtplanungen den nun entstandenen eklatanten Mangel zu beseitigen? Zu 4.: Keine der in Frage 1 genannten Pflegeeinrichtungen hielt bzw. hält besondere Wohnbereiche für die Betreuung von mobilen, erheblich verhaltensauffälligen Menschen mit einer medizinisch-therapeutisch nicht beeinflussbaren Demenz bzw. für die Betreuung von erheblich verhaltensauffälligen Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen (nach Anlage A bzw. E des Rahmenvertrages gemäß §75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege) vor. Daher hat die Schließung der Pro Seniore Residenz Vis à vis der Hackeschen Höfe in der Rosenthaler Straße keine Auswirkungen auf das Angebot an vollstationären Pflegeplätzen für die genannte Personengruppe. Im Übrigen führt die Schließung von Pflegeeinrichtungen nicht zu einem Mangel an Wohnraum für seelisch behinderte Menschen im Sinne der Eingliederungshilfe. 5. Stimmt der Senat zu, dass es – auch trotz der Maxime: ambulant vor stationär – künftig in Alt-Mitte einen steigenden Bedarf an stationären Pflegeplätzen geben wird? Zu 5.: Der Landespflegeplan 2016 prognostiziert für Berlin insgesamt für das Jahr 2030 den Platzbedarf in vollstationären Pflegeeinrichtungen auf ca. 42.500 Plätze. Die Prognosen sind lineare Fortschreibungen der Ausgangssituation. Sie berücksichtigen nicht die Veränderungen im Nutzungsverhalten der Pflegebedürftigen in Bezug auf die bestehenden Angebote . - 3 - 3 Mit dem Pflegestärkungsgesetz II (PSG II) erfolgte eine deutlich bessere Ausstattung des ambulanten Bereiches (und der den ambulanten Bereich stützenden Tages- und Kurzzeitpflege ) mit Leistungsansprüchen im SGB XI sowie Leistungsansprüchen im SGB V. Kombiniert mit dem starken Wachstum der Wohngemeinschaften hat dies bereits zu einer Änderung im Nutzungsverhalten geführt. Diesem Nutzungsverhalten passt sich das Angebot an. Um Prognosen zum Nutzungsverhalten zu schärfen, wird der Senat im Rahmen des Dialogprozesses „Pflege 2030“ Bürgerbeteiligung sowie Gutachten initiieren. 6. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, hier über regionale Versorgungsschlüssel ausreichend Vorsorge zu treffen, die berücksichtigen, dass Menschen, die in eine stationäre Pflegeeinrichtung gehen müssen, in ihren vertrauten Quartieren bleiben möchten? 7. Plant der Senat, in diese Richtung die Initiative zu ergreifen und vorhandene Lücken auf Landesebene zu schließen sowie auf Bundesebene ausreichende Regelungen einzufordern? Zu 6. und 7.: Das Elfte Sozialgesetzbuch (SGB XI) geht davon aus, dass marktwirtschaftliche Strukturen zu einer ausreichenden Anzahl von Angeboten der pflegerischen Versorgung Älterer führen. Der Senat bewertet diese im Jahr 1995 getroffene systemische Entscheidung aus heutiger Sicht politisch kritisch. Er setzt sich deshalb für mehr Steuerung sowie größere Verantwortung des Staates ein. Darüber hinaus hat die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung die Bedarfe für Pflegeeinrichtungen in die Liegenschaftspolitik des Landes Berlin eingebracht und steht diesbezüglich in stetigem Austausch mit anderen Senatsverwaltungen sowie den Bezirken. Berlin, den 13. Dezember 2018 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung