Drucksache 18 / 17 165 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 30. November 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. November 2018) zum Thema: Gendermainstreaming und Genitalbeschneidung und Antwort vom 14. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Dez. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Stefan Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17 165 vom 30. November 2018 über Gendermainstreaming und Genitalbeschneidung Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Die Schriftliche Anfrage Genitalbeschneidung und Antidiskriminierungsgesetz [Nr. 18/16817] beantwortet der Senat u.a. wie folgt: "Zu 1. und 2.: Die Beschneidung von Jungen erfüllt den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung gemäß § 223 Strafgesetzbuch (StGB). Nach § 228 StGB ist es aber grundsätzlich möglich, dass die betroffene Person mit der Folge in den Eingriff einwilligt, dass die Rechtswidrigkeit und damit die Strafbarkeit entfällt, wobei bei einwilligungsunfähigen Personen der gesetzliche Vertreter die Einwilligung erteilen muss. [..] Die Verstümmelung weiblicher Genitalien ist seit 2013 in § 226a StGB (Verstümmelung weiblicher Genitalien) besonders unter Strafe gestellt. Auch bezüglich dieses Tatbestandes kommt eine Einwilligung nach § 228 StGB in Betracht. Der Gesetzgeber hat für einwilligungsunfähige Mädchen jedoch keinen dem des § 1631d Absatz 1 Satz 1 BGB vergleichbaren Rechtfertigungsgrund geschaffen." 1. Durch die Einwilligung als Rechtsgutsverzicht kann die Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit einer Handlung entfallen. Dazu muss der Einwilligende allerdings die Dispositionsbefugnis über das betroffene Rechtsgut innehaben. Geht der Senat davon aus, dass der Wunsch, beschnitten zu werden, vom Kind selber ausgeht und die Eltern in diesen Wunsch einwilligen? Falls "nein": Verhält es sich so, dass die Eltern dem Kind einen Wunsch nach Beschneidung unterstellen , in welchen sie dann anstelle des Kindes einwilligen? 2 Zu 1.: Der Gesetzgeber hat die Entscheidung über die Beschneidung bei nicht einsichts - und urteilsfähigen Jungen den Personensorgeberechtigten übertragen. Daraus folgt, dass für die Beschneidungen einsichts- und urteilsfähiger männlicher Kinder die Einwilligung der Personensorgeberechtigten nicht ausreichend ist; da bei einwilligungsfähigen Kindern davon auszugehen ist, dass sie aufgrund ihres Entwicklungsstandes in der Lage sind, Wesen, Bedeutung und Tragweite des mit der Beschneidung verbundenen Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit zu erfassen, wird stets zusätzlich auch ihre Einwilligung einzuholen sein. Weder können die Personensorgeberechtigten ohne vorherige Zustimmung des einwilligungsfähigen Kindes noch dieses Kind ohne Einwilligung der Personensorgeberechtigten die Beschneidung durchführen lassen. Auch unterhalb der Schwelle der Einsichts- und Urteilsfähigkeit muss ein ernsthaft und unmissverständlich zum Ausdruck gebrachter entgegenstehender Kindeswille des nicht einwilligungsfähigen männlichen Kindes beachtet werden. Im Übrigen wird für die rechtliche Situation bei einwilligungsunfähigen Jungen auf die Antwort zu Fragen 1 und 2 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/16817 vom 22. Oktober 2018 verwiesen . 2. Der Senat trifft folgende Aussage: "Darüber hinaus setzt sich der Berliner Senat gegen jede Form von Gewalt ein." Hieran schließt sich eine Aufzählung der Maßnahmen an, die der Prävention weiblicher Genitalbeschneidung dienen sollen. Stellt nur die Beschneidung von Mädchen Gewalt dar oder auch die von Jungen? Zu 2.: Wie in der Antwort zu den Fragen 1 und 2 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/16817 erläutert, erfüllt die Beschneidung von Jungen – wie jeder chirurgische Eingriff – den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung gemäß § 223 Strafgesetzbuch, die aber nach § 1631d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gerechtfertigt sein kann. Maßnahmen des Senats gegen Gewalt beschränken sich auf rechtswidrige Handlungen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Fragen 1 und 2 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/16817 vom 22. Oktober 2018 verwiesen. 3. Der Senat trifft folgende Aussage: "In dem Kontext ist es ihm auch im Hinblick auf eine wirksame Prävention ein wichtiges Anliegen, dass von Genitalverstümmelung (FGM/C) bedrohte oder betroffene Frauen und Mädchen frühzeitig gezielte Unterstützung und Beratung erhalten." Im Falle "betroffener Frauen" kommt die Prävention zwar zu spät; zielen aber die Bemühungen um Prävention wenigstens bei "bedrohten Frauen und Mädchen" konkret darauf ab, dass diese sich an Polizei und Strafverfolgungsbehörden wenden? Zu 3.: Im Bereich der Prävention spielt die Beratung und Aufklärung betroffener Frauen eine wichtige Rolle, um die Beschneidung von Mädchen zu vermeiden. Zur Präventionsarbeit von Balance e.V. gehört unter anderem auch die Aufklärung über die deutsche Gesetzgebung zu FGM/C (Genitalverstümmelung) sowie über die Möglichkeiten der Strafverfolgung. Darüber hinaus wird über die verschiedenen Institutionen und Hilfestellen, an die sich bedrohte Frauen und Mädchen wenden können, informiert . 4. Warum erfolgt im Falle der Jungen keine präventive Aufklärung, zumal die Zahl betroffener Jungen weitaus höher ist als die von Mädchen? Zu 4.: Der Umstand, dass die Beschneidung einwilligungsunfähiger Mädchen gesetzlich grundsätzlich verboten ist und – anders als bei Jungen – auch nicht durch die 3 Einwilligung der Personensorgeberechtigten gerechtfertigt werden kann, begründet einen gesteigerten Präventionsbedarf. Der Senat sieht hingegen keinen Anlass für Präventionsmaßnahmen hinsichtlich Beschneidungen von Jungen, die den gesetzlichen Vorgaben des § 1631d BGB entsprechen. Rechtswidrige Beschneidungen von Jungen unterliegen wiederum der strafrechtlichen Verfolgung. Informationen über die rechtlichen und medizinischen Hintergründe der Beschneidung von Jungen stehen Ratsuchenden über frei zugängliche Medien zur Verfügung. Berlin, den 14. Dezember 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung