Drucksache 18 / 17 224 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabriele Gottwald und Stefanie Fuchs (LINKE) vom 04. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Dezember 2018) zum Thema: Trägerwohnungen in Berlin und Antwort vom 19. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Dez. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Frau Abgeordnete Gabriele Gottwald und Frau Abgeordnete Stefanie Fuchs (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17224 vom 04. Dezember 2018 über Trägerwohnungen in Berlin ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ein wesentliches Instrument in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen bzw. bei den Hilfen zur Überwindung besonderer Sozialer Schwierigkeiten im Sinne der §§ 67 ff SGB XII ist das Vorhalten sogenannter Trägerwohnungen. Wie viele dieser Trägerwohnungen gibt es derzeit in Berlin und wie hat sich der Bestand an Trägerwohnungen seit 2008 entwickelt (bitte nach Bezirken, öffentlicher oder privater Vermieter und, soweit bekannt, Miethöhe aufschlüsseln)? 2. Wie korrespondiert der Bestand an Trägerwohnungen mit dem realen Bedarf; wie sah die Lage im Vergleich dazu vor zehn Jahren aus? Zu 1. und 2.: Von Seiten der Träger ist die Rede von ca. 6.000 Trägerwohnungen für alle Bereiche bzw. Personenkreise (§§ 53 und 67 SGB XII einschließlich psychisch erkrankter Menschen). Der Senat kann aus folgenden Gründen die Zahl der Trägerwohnungen in den verschiedenen Bereichen nicht beziffern: a) Die Behindertenhilfe in Berlin ist in den unterschiedlichen Zielgruppen der Versorgungsangebote für Menschen mit seelischen oder vorrangig mit geistiger und /oder mehrfacher Behinderung unterschiedlich aufgestellt und wird nach aktueller Rechtslage auf der Grundlage der §§ 53 ff in Verbindung mit den §§ 75 SGB XII entgeltlich finanziert. Strukturelemente sind im stationären Bereich die Wohnheime, im ambulanten Bereich die Wohngemeinschaften und das Betreute Einzelwohnen. Nur im stationären Bereich werden die Standorte durch Mietverträge, Erbbaurechtsverträge oder Eigentum des jeweiligen Leistungserbringers gewährleistet und über den sogenannten Investitionsbetrag innerhalb der Verträge nach § 75 Abs. 3 SGB XII aus öffentlichen Mitteln refinanziert. 2 Im ambulanten Bereich (Wohngemeinschaften und Betreutes Einzelwohnen) werden Unterkunftskosten im Rahmen der existenzsichernden Leistungen im Rahmen der Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und §§ 35 und 36 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AV – Wohnen) erbracht. Da es sich hier um privatrechtliche Verträge des Mieters bzw. der Träger bei sog. Trägerwohnungen handelt, liegen über die Anzahl der Trägerwohnungen keine Daten vor. Aufgrund der rechtlichen Veränderungen durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) bzw. das SGB IX könnte durch Verzicht auf die Begriffsdefinitionen stationär, teilstationär und ambulant ein Bedarf in Höhe der bisherigen stationären Plätze definiert werden. Dieser läge dann bei Wohnraum für ca. 3500 Menschen mit vorrangig geistiger Behinderung. b) Im Bereich der Wohnungslosenhilfe gilt grundsätzlich das gleiche Prinzip, demzufolge auch hier keine Daten über die Anzahl der Trägerwohnungen vorliegen. Es kann lediglich festgestellt werden, dass per Stichtag 31.12.2017 3.673 ambulante Maßnahmen gem. §§ 67 ff SGB XII gewährt wurden. Diese werden zwar überwiegend aber nicht ausschließlich in Trägerwohnungen erbracht, so dass diese Zahl lediglich annähernd die Größenordnung widerspiegeln kann, nicht jedoch die konkrete Zahl an Trägerwohnungen im Bereich der Wohnungslosenhilfe. Die Träger beklagen eine nicht hinreichende Zahl an Trägerwohnungen. So konnten vor Jahren, in Zeiten eines entspannteren Wohnungsmarktes, Trägerwohnungen im Bereich des Betreuten Einzelwohnens durchaus nach Abschluss der Maßnahme an die Teilnehmenden im Hauptmietverhältnis überlassen werden. Dies ist lt. Aussage der Verbandsvertreterinnen bzw. der Verbandsträger heute nur selten möglich, da nicht in gleichem Maße neue Trägerwohnungen gefunden werden können. c) Valide Daten zur tatsächlichen Anzahl von sogenannten Trägerwohnungen im Bereich der seelisch behinderten Menschen liegen ebenfalls nicht vor. Diese Wohnungen befinden sich entweder im Eigentum der Leistungserbringerinnen bzw. Leistungserbringer oder die Leistungserbringerin oder der Leistungserbringer tritt als Zwischenmieterin bzw. Zwischenvermieter auf. Es existieren auch hier verschiedene Formen der wohngebundenen Betreuung von Menschen mit seelischer Behinderung, welche in Trägerwohnungen stattfinden. 1. Trägerwohnraum im Rahmen entgeltfinanzierter Einrichtungen für seelisch behinderte Menschen gem.§§ 53 ff SGB XII: - Betreutes Einzelwohnen Betreutes Einzelwohnen findet entweder in der klienteneigenen oder in einer Trägerwohnung statt. Auch Apartmentkomplexe zählen zum Einzelwohnen. - Betreute Wohngemeinschaften Gemeinschaftswohnen bezieht sich auf das Wohnen in einer Wohnung. Dafür müssen mindestens 2 betreute Klientinnen bzw. Klienten eine Wohnung bewohnen. Maximal bewohnen 7 betreute Menschen eine Wohnung bzw. eine Wohngemeinschaft (WG). Diese Gemeinschaftswohnkontexte existieren als Einzelprojekt oder sind in Verbünden verortet. Diese ambulanten Gemeinschaftswohnkontexte generieren ebenso wie die stationären Einrichtungen Standorte, nur deren Anzahl und Adressen werden in der Fachabteilung erfasst. 3 Derzeit werden vorgehalten: - Therapeutische Wohngemeinschaft ( TWGSB): 75 Whg, 248 Plätze - Therapeutische Wohngemeinschaft m. Nachtwache (TWASB): 43 Whg, 81 Plätze - Therapeutische Gemeinschaftswohnkontexte Verbund (VT2SB): 465 Whg, 1733 Plätze - Dazu treten mindestens 712 Einzelwohnungen. Für die Anzahl der tatsächlich vorhandenen Wohnungen in der Ambulanten Wohnbetreuung kann keine abschließende Aussage gemacht werden, da bislang keine Grundlage zur Verpflichtung der Träger, in den Konzepten eine expliziten Aufführung und Zuordnung des gesamten Wohnraums im Sinne der Frage 1 vorzunehmen, existiert. Weitere bekannte Trägerwohnungen 2. Trägerwohnraum im Rahmen entgeltfinanzierter Einrichtungen der Suchthilfe - Betreutes Wohnen für Substituierte gem.§§ 53 ff SGB XII: 190 Wohnungen - Betreutes Gruppenwohnen für ehemals Drogenabhängige nach abgeschlossener Therapie gem.§§67 ff SGB XII: 78 Wohnungen, davon drei in trägereigenen Immobilien 3. Vorgehaltener Wohnraum im Rahmen von Zuwendungsmaßnahmen des Integrierten Gesundheitsprogramms „Handlungsfeld Drogen und Sucht“ - Je eine Wohnung/Haus für suchtkranke Frauen und eine für suchtkranke Männer mit Migrationshintergrund. Die Erfassung der Gemeinschaftswohnungen erfolgt fortlaufend im Rahmen der durch die Verankerung der Wohngemeinschaften im Wohnteilhabegesetz (in Kraft getreten am 01.07.2010) ausgelösten Meldepflicht an die Heimaufsicht. Das Wohnteilhabegesetz und die dazu gehörenden Verordnungen regeln die ordnungsrechtlichen Anforderungen an die Leistungserbringer (Pflege- und Betreuungseinrichtungen und -dienste) sowie die ordnungsrechtlichen Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörde, der Heimaufsicht beim Landesamt für Gesundheit und Soziales. Im Oktober 2018 stehen in den Berliner Bezirken über 11.200 Betreuungsplätze in der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Menschen zur Verfügung, die weitestgehend belegt sind. Von diesen 11.200 Betreuungsplätzen sind schätzungsweise 45% wohnungsgebundene Betreuungsangebote (TWG, Trägerwohnungen, Übergangswohnheime, Heime). Das heißt, rund 5.000 Plätze in Berlin1. In den Berliner Bezirken könnten rund 60 Personen pro Bezirk (720 Personen in Berlin) aus den 1 Den wohnraumbezogenen Betreuungsplätzen liegt eine Untersuchung aus dem Bezirk Mitte von April 2018 zugrunde. Die dort erhobenen Daten wurden für das Land Berlin als Berechnungsgrundlage genutzt (Anlage). 4 Betreuungsangeboten entlassen werden, wenn ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehen würde. Die Höhe des tatsächlichen Bedarfes lässt sich allerdings nicht valide quantifizieren. Für die Zielgruppe der Menschen mit seelischer Behinderung fehlt es grundsätzlich an kleinen, preiswerten (im Rahmen der AV- Wohnen) Wohnungen in der Stadt. Die Problematiken der Verschuldung, Abhängigkeit von Transferleistungen, Komorbiditäten z. B. aus dem Bereich Sucht oder direkte Krankheitsfolgen verhindern häufig die Anmietung von eigenem Wohnraum oder begünstigen den Verlust der Wohnung. Die Evaluierung der sogenannter „Verwaltungskostenpauschale für Trägerwohnungen“ im Zusammenhang mit der derzeit geltenden AV Wohnen (Wohnen für Menschen mit Anspruch auf die Gewährung von Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff. SGB XII bzw. Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53 ff. SGB XII) lässt sicher auch Rückschlüsse über das derzeitige Gesamtaufkommen an Wohnraumbedarf zu. 3. Welche Maßnahmen sind geplant, um Trägerwohnungen vor Umwandlung, Kündigung und Mieterhöhungen zu schützen und langfristig zu erhalten? Zu 3.: Der Senat nutzt seine Möglichkeiten auf zivilrechtliche Verträge zwischen Vermieterinnen bzw. Vermieter und soziale Träger einzuwirken. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften unterstützen soziale Träger umfangreich (siehe Antwort zu Frage 4). Das bundeseinheitliche Mietrecht für Trägerwohnungen wird durch das Mietrechtsanpassungsgesetz verbessert (siehe Antwort zu den Fragen 5 und 6). Mit der Änderung der Vorschriften für das Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum wurden auch Verbesserungen für soziale Träger eingeführt. Die Nutzung als Trägerwohnung muss regelmäßig nur noch angezeigt und nicht mehr genehmigt werden. Mit den Wohnungsbauförderungsbestimmungen 2018 werden gemeinschaftliche Wohnformen bei der förderungsfähigen Wohnfläche zusätzlich begünstigt. Ein Förderprogramm Trägerwohnungen wurde eingerichtet. Anerkannte Träger von Einrichtungen, die Sozialwohnungen (Erster Förderweg) angemietet haben, können zu Gunsten der Nutzenden der Einrichtung Mietzuschuss beantragen. 4. Inwieweit werden Trägerwohnungen bevorzugt im Rahmen der Vermietungsstrategien der städtischen Wohnungsbaugesellschaften berücksichtigt, z.B. in Form einer entsprechenden Vermietungspolitik, Mietpreisbindung und Quote? Zu 4.: Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften orientieren sich bei der Vermietung an soziale Träger an den diesbezüglichen Vorgaben aus dem Wohnraumversorgungsgesetz und der im April 2017 abgeschlossenen Kooperationsvereinbarung „Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung“. Im Wohnungsbestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind grundsätzlich drei Vermietungskonstellationen zu finden: Ein Mietvertrag wird zwischen Wohnungsbaugesellschaft und dem sozialen Träger, der besondere Wohnformen bzw. Zielgruppen betreut, direkt abgeschlossen. Ein Mietvertrag besteht zwischen Wohnungsbaugesellschaft und Klient des sozialen Trägers. Ein Mietvertrag wird erst direkt mit dem sozialen Träger abgeschlossen. Nach positiver Einschätzung wird dem Betreuten die Wohnung mit einem eigenen Vertrag übertragen. 5 Aktuell sind an soziale Träger bzw. an besondere Wohnformen und Zielgruppen, die mit dem sozialen Träger zusammenarbeiten, circa 1.917 Wohn- und 78 Gewerbeeinheiten vermietet. Dazu gibt es eine Vielzahl an Wohnungen, die direkt durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften vermietet werden, deren Bewohnerinnen und Bewohner aber im Rahmen des betreuten Einzelwohnens durch soziale Träger betreut werden. Diese Zahl an Wohnungen ist nicht ermittelbar, da die Verträge unmittelbar zwischen Mieterinnen bzw. Mieter und sozialem Träger abgeschlossen werden und es für die Wohnungsbaugesellschaft keine Veranlassung gibt, den Träger in den Mietvertrag aufzunehmen. Die Wohnungsbaugesellschaften achten bei der Vermietung darauf, dass möglichst alle Bedarfsgruppen bei der Nachfrage nach Trägerwohnungen berücksichtigt werden und sich im Gesamtbild der Vermietung an Träger abbilden lassen. In den Beständen sind vor allem die Zielgruppen Wiedereingliederung/Resozialisierung, Geflüchtete, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Obdachlose, Jugendliche, Betreutes Wohnen für Senioren, Menschen mit psychischen oder physischen Handicap sowie Frauenschutzwohnungen vertreten. Daneben erfolgt auch eine Berücksichtigung der Zielgruppen Familien, Mutter-Kind-/Vater-Kind-Haus, Kindertagesstätten sowie Migrantinnen und Migranten. Die Erfüllung des Versorgungsauftrages der Wohnungsbaugesellschaften gegenüber den am Wohnungsmarkt besonders benachteiligten Haushalten wurde außerdem mit dem Wohnungsversorgungsgesetz und der Kooperationsvereinbarung normiert. Es wurden spezielle Sonderregelungen vereinbart, die für diese Haushalte den Zugang zu Wohnungen erleichtern sollen. Das Wohnungsversorgungsgesetz sieht vor, dass 11 % aller Wiedervermietungen an besondere Bedarfsgruppen wie Obdachlose, Flüchtlinge oder betreute Wohnformen erfolgen. Im Jahr 2016 wurde die Quote bereits mit 14,8 % deutlich übererfüllt. Die Quote betrug 2017 sogar 18,3 %. Mit der Kooperationsvereinbarung wurden die Vorgaben des Versorgungsauftrages der Wohnungsbaugesellschaften gegenüber besonderes benachteiligten Haushalten weiter verschärft und die besonderen Bedarfsgruppen um die Zielgruppen Studierende und Transfereinkommensbeziehende erweitert, wobei von den 60 % der zur Wiedervermietung kommenden Bestandswohnungen wiederum 25 % an Wohnberechtigte besonderer Bedarfsgruppen zu vermieten sind. In 2017 wurde diese Vorgabe von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften mit einer Quote von 32,0 % übererfüllt. Die 60 % der zur Wiedervermietung gelangenden Bestandswohnungen dürfen gemäß Kooperationsvereinbarung maximal zur ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet werden. Zudem wird gewährleistet, dass die Mietbelastung des jeweiligen Haushalts nicht mehr als 30 % des Nettohaushaltseinkommens beträgt. Mit der Kooperationsvereinbarung haben sich die Wohnungsbaugesellschaften verpflichtet, auf ein ausreichendes Angebot an Wohnungen und Gewerbeeinheiten in den Neubauprojekten zu achten und eine Nutzungsvielfalt zu gewährleisten, die auch soziale Träger und Einrichtungen begünstigt. Im Rahmen der Neubau-Projektentwicklung wird durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften regelmäßig bereits bei der Planung geprüft, ob verschiedene Wohnformen oder Einrichtungen für soziale Träger mit errichtet werden können. Aktuell 6 besteht bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften eine Vielzahl von konkreten Projekten, die mit sozialen Trägern oder für soziale Träger entwickelt werden. 5. Wie bewertet der Senat die mietrechtliche Beurteilung von Trägerwohnungen als "Nutzung, die nicht dem Wohnen dient" (zuletzt: Kammergericht Berlin, Urteil vom 9. August 2018, Az.: 12 U 2/18)? 6. Inwieweit stellt die im Zuge des Mietrechtsanpassungsgesetzes am 29. November 2018 beschlossene Änderung von § 578 BGB eine Verbesserung des mietrechtlichen Schutzes von Trägerwohnungen dar und welchen darüber hinaus gehenden Handlungsbedarf sieht der Senat gegebenenfalls? Zu 5. und 6.: Nach Kenntnis des Senats wurden die zwischen den sozialen Trägern und den Vermieterinnen und Vermieter geschlossene Mietverträge über Wohnraum im Rahmen der Rechtsprechung regelmäßig als Gewerbemietverträge eingestuft, auch wenn letztendlich eine Wohnnutzung durch die Betreuten vorliegt. Das Kammergericht Berlin fällt mit dem Urteil vom 9.8.2018 - 12 U 2/18 - eine Einzelfallentscheidung zu einem Zeitpunkt, der vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsanpassungsgesetzes liegt. Der Charakter der Einzelfallentscheidung wird in erster Linie auch daran deutlich, dass die Frage der jeweiligen konkreten Vertragsausgestaltung einschließlich der Vereinbarung zu Kündigungsfristen als von entscheidender Bedeutung herausgehoben wurde. Deswegen teilt der Senat die öffentlich diskutierte Gefahr massenhafter Kündigungen von Trägerwohnungen zumindest auf der Grundlage dieses Einzelfallurteils nicht. Einzig generell geklärt hat das Kammergericht, auch nach eigener Feststellung in dem genannten Urteil, dass man sich bei der Vermietung an Träger und damit an nicht natürliche Personen im Bereich des Gewerbemietrechts befindet. Die Argumentation lautete weiter, dass nicht natürliche Personen eine Wohnung nicht selbst bewohnen sondern diese lediglich zum Zwecke der Weitervermietung anmieten können. Das Kammergericht hat deswegen auch eine weitere Revision - eben mangels grundsätzlicher Bedeutung seiner Entscheidung - nicht zugelassen. Die in der Frage als Zitat gekennzeichnete Formulierung ist dem Urteil wortwörtlich so nicht zu entnehmen. Der Senat nimmt die Urteilsbegründung unter Wahrung der Gewaltenteilung zur Kenntnis und respektiert die Argumentation des Gerichts auf der Grundlage des bislang geltenden Rechts, das die generelle Anwendung der Kündigungsschutzvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für Mieterinnen und Mieter von Wohnraum im Gewerbemietrecht nicht vorsieht. Durch das Mietrechtsanpassungsgesetz (Änderung § 573 BGB) wird der Mieterschutz für die Träger der Wohlfahrtspflege, die zukünftig Mietverträge schließen, um die Räume Menschen mit dringendem Wohnbedarf zu überlassen, verbessert. Die Regelungen über die Miethöhe, insbesondere die Regelungen zur Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete und Mieterhöhungen nach Modernisierungsmaßnahmen, sind bei diesen Mietverträgen entsprechend anzuwenden. Keine Anwendung finden weiterhin die Regelungen zur Mietpreisbremse, die die Miete zu Mietbeginn begrenzt. Die Regelungen zum Kündigungsschutz werden weitgehend, einschließlich des Vorkaufsrechts und der Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung, auf die Wohnraumanmietung durch soziale Träger erstreckt. 7 Ein Kündigungswiderspruch aufgrund einer Härte ist durch soziale Träger allerdings nicht möglich. Dennoch begrüßt der Senat die mit dem Mietrechtsanpassungsgesetz vorgenommenen Klarstellungen, für den Bereich der Trägerwohnungen – zumindest bei Überlassung der Räume an Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zum Wohnen. Nach Einschätzung des Senats wäre die Änderung allerdings auf alle Trägerwohnungen, die von Trägern zu Wohn- und Betreuungszwecken für zum Beispiel Menschen mit Behinderung angemietet werden, auszuweiten. Zu bedauern ist auch, dass auf bereits vor Inkrafttreten des Mietrechtsanpassungsgesetzes bestehende Verträge über Trägerwohnungen der verbesserte Mieterschutz keine Anwendung findet. Eine bessere Übergangsregelung, die auch eindeutige Wohnungsmietverträge über Trägerwohnungen erfasst, wäre für den Mieterschutz besser gewesen. Zur Ermittlung des weiteren Handlungsbedarfs müssen die Wirkungen der neuen Regelungen in der Praxis und die zukünftige Rechtsprechung näher betrachtet werden. Der Bundesrat hat dem Mietrechtsanpassungsgesetz am 14.12.2018 zugestimmt. Das Gesetz kann vorbehaltlich der Veröffentlichung noch im Dezember 2018 damit am 01.Januar 2019 in Kraft treten. Der Senat beobachtet fortlaufend die Entwicklung im Bereich der Trägerwohnungen und wird über weiteren Handlungsbedarf zu gegebener Zeit berichten Berlin, den 19. Dezember 2018 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales