Drucksache 18 / 17 227 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Fadime Topaç (GRÜNE) vom 04. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Dezember 2018) zum Thema: Die Situation von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Berliner Pflegeheimen und Antwort vom 18. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Dez. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Fadime Topaç (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17227 vom 04. Dezember 2018 über Die Situation von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Berliner Pflegeheimen ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse hat der Senat zur Fehlplatzierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit Behinderungen (mit Pflegegrad 0 oder 1) in Pflegeheimen? Zu 1.: Dem Statistischen Bericht K VIII 1-2j/17 des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg ist zu entnehmen, dass am 15.12.2017 insgesamt 314 Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 in Berliner Pflegeheimen betreut und gepflegt wurden. In der Statistik wird keine Aussage darüber getroffen, ob es sich um Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit Behinderungen handelt. Gemäß § 43 Abs.1 SGB XI haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 Anspruch auf Pflege in vollstationären Einrichtungen (Pflegeheimen). Aber auch Pflegebedürftige mit einem Pflege- und Betreuungsbedarf unterhalb des Pflegegrades 2 können in Pflegeheimen betreut und gepflegt werden. Der Senat geht davon aus, dass im Zuge der Veränderungen durch das Pflegestärkungsgesetz II (PSG II), insbesondere aufgrund des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes, in den Pflegeheimen keine Pflegebedürftigen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen ohne Pflegegrad aufgenommen werden. Eine Befragung der Einrichtungen mit Wohnbereichen zum besonderen pflegerischen Versorgungs- und Betreuungsbedarf von erheblich verhaltensauffälligen Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen nach Anlage E des Rahmenvertrages gem. § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege hat diese Einschätzung weitestgehend bestätigt. In den 17 Einrichtungen leben in den Wohnbereichen nach Anlage E insgesamt lediglich 3 Bewohner /Bewohnerinnen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen, die ohne Pflegegrad sind. Diese Bewohner/Bewohnerinnen leben bereits seit 2012 bzw. 2016 in den jeweiligen Einrichtungen. 2. Wie viele Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen befinden sich in Berliner Pflegeheimen ? - 2 - 2 3. Welche Pflegeheime sind dies mit welcher Anzahl an Plätzen und welcher Belegung mit psychisch Erkrankten /Menschen mit Behinderungen (bitte tabellarisch auflisten)? Zu 2. und 3.: Eine statistische Erhebung zur Anzahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen in Berliner Pflegeheimen liegt der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung nicht vor. Nachstehend erfolgt eine Auflistung der Pflegeheime mit Wohnbereichen zum besonderen pflegerischen Versorgungs- und Betreuungsbedarf von geistig behinderten Menschen oder geistig und mehrfach behinderten Menschen (Anlage D des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege) sowie zum besonderen pflegerischen Versorgungs- und Betreuungsbedarf von erheblich verhaltensauffälligen Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen (Anlage E des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege). Pflegeheime mit Wohnbereichen zum besonderen pflegerischen Versorgungs- und Betreuungsbedarf von geistig behinderten Menschen oder geistig und mehrfach behinderten Menschen (Anlage D des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege): Einrichtung Adresse Platzzahl Einrichtung Platzzahl besonderer Wohnbereich Wohngruppe für geistig behinderte Menschen mit erhöhtem Pflegebedarf Allee der Kosmonauten 23 A 10315 Berlin 10 10 St. Elisabeth Haus Lichtenrade - Behindertenpflegewohnheim Briesingstr. 22 12307 Berlin 48 48 Haus der Betreuung und Pflege Am Grabensprung Grabensprung 29 12683 Berlin 150 32 BWS Blindenwohnstätten Gemeinn. Betriebs GmbH Spandau Niederneuendorfer Allee 6-9 13587 Berlin 120 20 AGAPLESION Bethanien Radeland Radelandstr. 199- 203 13589 Berlin 171 31 Pflegeheime mit Wohnbereichen zum besonderen pflegerischen Versorgungs- und Betreuungsbedarf von erheblich verhaltensauffälligen Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen (Anlage E des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege): - 3 - 3 Einrichtung Adresse Platzzahl Einrichtung Platzzahl besonderer Wohnbereich Pro Seniore Residenz „Am Märchenbrunnen “ Barnimstr. 18 10249 Berlin 220 66 FSE Pflegeeinrichtung „House of Life“ Blücherstr. 26b 10961 Berlin 118 44 Seniorenheim Buckower Ring Buckower Ring 62 12683 Berlin 119 22 Haus Fichtenberg Carl-Heinrich- Becker-Weg 27-29 12165 Berlin 46 46 Pflegeheim Pinecki GmbH Caspar-Theyß-Str. 23 14193 Berlin 71 38 Pro Seniore Krankenheim Eichborndamm Eichborndamm 176 13403 Berlin 156 76 Pflegewohnheim „Am Kreuzberg“ Fidicinstr. 2 10965 Berlin 185 24 Seniorenzentrum „Haus Havelblick“ Havelschanze 3 13587 Berlin 516 24 Pflegeheim Huttenstraße GmbH Huttenstr. 65 10553 Berlin 80 37 Verbund Lichtenberger Seniorenheime, Seniorenheim „Judith -Auer-Straße“ Judith-Auer-Str. 8 10369 Berlin 122 21 Pflegewohnheim am Cecilienplatz Lily-Braun-Str. 54 12619 Berlin 145 42 Seniorenzentrum „Haus am Loeperplatz “ Möllendorffstr. 28/29 10367 Berlin 271 76 AGAPLESION Bethanien Radeland Radelandstr. 199- 203, 13589 Berlin 171 108 AGAPLESION Bethanien Havelstrand Rohrweihstr. 15 13505 Berlin 45 44 Sozialpsychiatrisches Pflegezentrum „Am Körnerpark“ Rübelandstr. 13 12051 Berlin 62 62 KATHARINENHOF City West Schlüterstr. 62 10625 Berlin 114 52 Senioren- und Therapiezentrum „Haus am Park“ Schonensche Str. 25 13189 Berlin 258 46 - 4 - 4 4. Wie viele Menschen mit psychischen Erkrankungen, in welchem Alter sind in Berliner Altenpflegeheimen untergebracht? Zu 4.: Eine statistische Erhebung zur Anzahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen, die in Berliner Pflegeheimen betreut und gepflegt werden, liegt der Senatsverwaltung für Gesundheit , Pflege und Gleichstellung nicht vor. 5. Welche Handlungsmöglichkeiten bestehen seitens des Senats, eine den Bedürfnissen entsprechende Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit Behinderungen in Pflegeheimen zu verbessern und sicherzustellen? Zu 5.: Sowohl für die Betreuung und Pflege von geistig behinderten Menschen oder geistig und mehrfach behinderten Menschen als auch für die Betreuung und Pflege von erheblich verhaltensauffälligen Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen sind von den Kostenträgern, unter Beteiligung der zuständigen Senatsverwaltung, gemeinsam mit den Verbänden der Leistungsanbieter Anlagen zum Rahmenvertrag gemäß 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege erarbeitet worden (Anlagen E und D). Diese Anlagen werden bei Bedarf unter Beteiligung der zuständigen Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung überarbeitet bzw. weiterentwickelt. 6. Wie erfolgt die Zuweisung der betroffenen Menschen in eine für sie geeignete Wohnform? Wird die Suche nach einer Wohnform in allen Fällen über die Steuerungsgremien Psychiatrie der Bezirke geregelt, oder sind die Betroffenen abhängig von der Entscheidung der Betreuer*innen oder Angehörigen? Zu 6.: Im Land Berlin erfolgt die Vergabe und Steuerung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 und 54 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (zukünftig §§ 99 ff des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) für Menschen mit seelischer Behinderung seit vielen Jahren unter Einbeziehung der „Steuerungsgremien Psychiatrie/Sucht“, die in jedem der zwölf Berliner Bezirke bestehen. In den Steuerungsgremien wird der aktuelle Teilhabebedarf der Betroffenen festgestellt und in der Regel bedarfsgerechte Maßnahmen im Rahmen der Eingliederungshilfe vorgeschlagen. Diese Steuerungsgremien haben sich in den vergangen Jahren als zentrale Schaltstellen für die fachlichen Empfehlungen zu Hilfen und deren Vermittlung an Leistungserbringer von Eingliederungshilfeleistungen entwickelt. Im Jahr 2017 wurden von den insgesamt 3.148 Empfehlungen der Steuerungsgremien Psychiatrie sieben Empfehlungen für eine stationäre Pflegeeinrichtung, acht Empfehlungen für häusliche psychiatrische Pflege und zwei Empfehlungen für eine ambulante Pflege ausgesprochen. Die Zahlen verdeutlichen, dass Empfehlungen zu Pflegeleistungen eher selten vorkommen, da sie in der Regel nicht Gegenstand der Beratungen in den Steuerungsgremien sind. 7. Besteht eine sogenannte "Rücknahmevereinbarung“ zwischen den Pflegeheimen und den Bewohner *innen, damit die Bewohner*innen auch nach einem stationären Aufenthalt in der Psychiatrie zurück in die Pflegeeinrichtung gehen können, sofern dies ihren Bedürfnissen entspricht? - 5 - 5 Zu 7.: Es gilt die Regelung in Abschnitt V des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI - Pflegevergütung bei vorübergehender Abwesenheit des Pflegebedürftigen aus der Pflegeeinrichtung - gemäß § 75 Abs. 2 Nr. 5 SGB XI. Hier ist in § 27 - Abwesenheit des Pflegebedürftigen – geregelt, dass bei vorübergehender Abwesenheit für einen Abwesenheitszeitraum von bis zu 42 Tagen im Kalenderjahr Freihaltegeld gezahlt wird. Darüber hinaus verlängert sich der Abwesenheitszeitraum, in dem Freihaltegeld gezahlt wird, bei Krankenhausaufenthalten und Aufenthalten in Rehabilitationseinrichtungen für die Dauer dieser Aufenthalte. 8. Wissenschaftliche Studien haben für Berlin und Baden-Württemberg übereinstimmend geschätzt, dass der Anteil der psychisch erkrankten Leistungsempfänger*innen bei der Hilfe zur Pflege höher ist als in der Eingliederungshilfe mit ambulant betreutem Wohnen. Plant der Senat sich zu diesem quantitativen Verhältnis ein eigenes Bild zu machen und welcher politische Handlungsbedarf besteht diesbezüglich seitens des Senats? Zu 8.: Nein. Der Senat geht davon aus, dass im Zuge der Veränderungen durch das Pflegestärkungsgesetz II (PSG II), insbesondere aufgrund des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes, in Pflegeheimen künftig keine Pflegebedürftigen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen ohne Pflegegrad aufgenommen werden. 9. Welche Maßnahmen unterstützt der Senat, um psychisch erkrankte Menschen entsprechend ihres Alters/ ihrer Altersgruppe zu versorgen? Zu 9.: Für die Versorgung von psychisch erkrankten Menschen mit Eingliederungshilfebedarf nach SGB XII (zukünftig SGB IX) existiert im Land Berlin ein vielfältig ausgebautes Versorgungssystem . Um das Betreute Wohnen ist komplementär eine Angebotsvielfalt an niedrigschwelligen Angeboten wie Kontakt- und Beratungsstellen, tagesstrukturierenden Beschäftigungstagestätten sowie Möglichkeiten des psychiatrischen Zuverdienstes und ambulante Krisendienste geschaffen worden, die aufeinander abgestimmt und sich ergänzend heute die selbstbestimmte und eigenständige Alltagsgestaltung und ein der Würde des Menschen mit psychischer Erkrankung bzw. seelischer Behinderung entsprechendes Leben im jeweiligen Bezirk ermöglichen. Dieses System beinhaltet Angebote für alle Altersgruppen und wird, angestoßen zuletzt durch die Umsetzung des BTHG, stetig weiterentwickelt . 10. Wie leben junge Menschen mit psychischen Erkrankungen in Pflegeheimen vor allem in Bezug auf die Wahrung der unterschiedlichen Bedürfnisse junger Menschen gegenüber älteren Menschen? Wie werden Menschen mit psychischen Erkrankungen mit unterschiedlichen Pflegegraden in diesen Einrichtungen untergebracht und gefördert? 11. Welche Möglichkeiten der Teilhabe (BTHG) am öffentlichen Leben haben Menschen mit psychischen Erkrankungen, welche in der Regel keinen körperlichen Pflegebedarf haben, die in Einrichtungen nach SGB XI untergebracht sind? Welche Konzepte hält der Senat diesbezüglich vor? - 6 - 6 Zu 10. und 11.: Pflegeheime haben grundsätzlich Leistungen nach dem SGB XI zu erbringen, sie sind keine Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Wie (junge) Menschen konkret und im Einzelnen im Pflegeheim betreut und gepflegt werden, ergibt sich aus den jeweiligen Konzepten der Einrichtungen. Der Rahmen für die Konzepte ist mit den Vorgaben in der Anlage E des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI gesetzt. Darin ist in Bezug auf die Raumgestaltung u.a. festgelegt, dass die Ausstattung den speziellen Bedürfnissen und Wünschen sowie dem Alter der Bewohnerinnen und Bewohner zu entsprechen hat. Die Konzepte zur aktivierenden Pflege werden über die Motivierung zur Körperpflege und die Einführung in eine Tagesstruktur hinaus u.a. wie folgt umgesetzt: - zentrale Punkte sind Biographie-Arbeit und sehr viel persönliche Ansprache sowie eine an die Ressourcen und das Lebensalter der Bewohnerinnen und Bewohner angepasste Pflege und Betreuung; - Begleitung und Anleitung zum Wiedererlangen von Fähigkeiten für ein selbstständiges Leben, z.B. Reinigung und Pflege des privaten Umfeldes, sinnvolle Freizeitgestaltung ; - wiederkehrende Tagesabläufe und individuelle Rituale zur Orientierung; - Vermittlung von Ruhe und Sicherheit; - gemeinsame Durchführung von Tätigkeiten, um damit Bewohnerinnen und Bewohnern das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht allein sind; - Setzung von Zielen und Zwischenzielen und Erinnerungen daran; - Kompromisse eingehen; - Erkennung und mögliche Abwehr von Krisen und ggf. Krisenbewältigung; - Pflege- und Betreuungspersonal ermutigen und stärken die Bewohnerinnen und Bewohner stetig im eigenen Agieren. 12. Plant der Senat den Ausbau von Pflegeeinrichtungen, die ein Konzept für Menschen mit psychischen Erkrankungen, aufweisen und umsetzen? Und wenn ja, inwiefern? Zu 12.: Nein. Dem Senat liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass die vorhandenen Pflegeheime /Wohnbereiche, die eine Pflege und Betreuung für erheblich verhaltensauffällige Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen (Anlage E des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege) vorhalten, nicht ausreichend wären. 13. Wie wirksam sind die Aufsichtsmöglichkeiten des Senats, um die Integration, die menschenwürdige Versorgung , die Wahrung der Rechte (entsprechend der UN-BRK), die Verhinderung einer Ausübung von strukturellem oder direktem Zwang bei Menschen mit psychischen Erkrankungen in Pflegeheimen zu gewährleisten ? Zu 13.: Die für das ordnungsrechtliche Wohnteilhabegesetz (WTG) zuständige Heimaufsichtsbehörde beim Landesamt für Gesundheit und Soziales prüft bei den in den Anwendungsbereich des WTG fallenden Pflegeheimen durch Regel- und Anlassprüfungen, ob die - 7 - 7 Schutzziele und die die Schutzziele konkretisierenden Anforderungen nach dem WTG erfüllt werden. Die Schutzziele des WTG bezwecken, dass Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen geschützt und ihre Interessen und Bedürfnisse gewahrt werden. Hierzu gehört insbesondere, dass die Würde der Bewohnerinnen und Bewohner geachtet und geschützt, ihnen eine angemessene individuelle Lebensgestaltung, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine angemessene Lebensqualität ermöglicht wird, ihre Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Selbstverantwortung gewahrt und gefördert wird, ihre kulturelle, religiöse, geschlechtliche und sexuelle Identität und Selbstbestimmung gewahrt wird, sie vor Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch geschützt werden, freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen auf nachvollziehbaren Grundlagen beruhen, eine dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Qualität des Wohnens, der Pflege und der Betreuung, der hauswirtschaftlichen Versorgung und der Verpflegung gesichert wird, die Informations-, Beratungs-, Beschwerde - und Mitwirkungsrechte der Bewohnerinnen und Bewohner gesichert werden sowie die Öffnung von Pflegeheimen in das Gemeinwesen verbessert wird, um die Teilhabe der Bewohnerinnen und Bewohner am Leben in der Gesellschaft und die Öffnung der Einrichtungen in das Gemeinwesen unter Einbeziehung der lokal bestehenden Angebote und Netzwerke zu fördern, ein Sterben in Würde ermöglicht wird. 14. Wie viele psychisch erkrankte Menschen in Pflegeheimen leben in Mehrbettzimmern? Wie können sie ihre Privatsphäre wahren? In welchen Rechten werden sie eingeschränkt, wie wird ihre Selbständigkeit ermöglicht ? Zu 14.: Eine statistische Erhebung dazu, wie viele psychisch erkrankte Menschen in Pflegeheimen in Mehrbettzimmern leben, liegt der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung nicht vor. In der Anlage E des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege ist in Bezug auf die Raumgestaltung u.a. festgehalten, dass Ein- und Zweibettzimmer vorzuhalten sind. Dem Statistischen Bericht K VIII 1-2j/17 des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg ist zu entnehmen, dass es am 15.12.2017 in den Berliner Pflegeheimen ausschließlich Ein- und Zweibettzimmer gab. Wie jeweils die Privatsphäre der Menschen gewahrt wird, ist in den Konzepten der jeweiligen Einrichtungen hinterlegt. Die Belegung von Zweibettzimmern erfolgt i.d.R. unter Beachtung der persönlichen Präferenzen der Pflegebedürftigen. Die Pflegebedürftigen werden nicht in ihren Rechten eingeschränkt. Ausgenommen hiervon sind die Menschen, für ein Unterbringungsbeschluss nach § 1906 BGB vorliegt. Die Pflegebedürftigen werden in den Wohnbereichen nach Anlage E bei der Wiedererlangung von Fähigkeiten für ein selbstständiges Leben begleitet und angeleitet, z.B. bei der Reinigung und Pflege des privaten Umfeldes oder in Bezug auf eine sinnvolle Freizeitgestaltung (siehe auch Antwort zu den Fragen 17 und 18). 15. In welcher Weise kann der Senat für eine fachlich qualifizierte Arbeit in den Pflegeeinrichtungen sorgen? (z. B. eine Orientierung an den für den Pflegebereich relevanten Teilen der S3- Leitlinien „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen" und „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“) - 8 - 8 Zu 15.: Mit der Anlage E des Rahmenvertrags gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege hat das Land Berlin einen Standard zum besonderen pflegerischen Versorgungs - und Betreuungsbedarf von erheblich verhaltensauffälligen Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen geschaffen. Mit der Anlage E werden Voraussetzungen für den Personenkreis, das spezifische Pflege- und Betreuungsprogramm , das erforderliche Personal, die Leistungsbeschreibung und Leistungserbringung beschrieben. Über die Umsetzung der S3-Leitlinie zu Psychosozialen Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen in Pflegeeinrichtungen liegen der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung keine gesicherten Erkenntnisse vor. 16. Wie unterscheiden sich „offene“ Altenpflegeheime in Bezug auf den Personalschlüssel und auf die Sicherheitsvorkehrungen von „geschützten“ (geschlossenen) Altenpflegeheimen? Zu 16.: Für die allgemeine Pflege und Betreuung geltende Personalrichtwerte: - Pflegegrad 1 – 1 : 7,25 - Pflegegrad 2 – 1 : 3,90 - Pflegegrad 3 – 1 : 2,80 - Pflegegrad 4 – 1 : 2,20 - Pflegegrad 5 – 1 : 1,80 Für die Pflege und Betreuung erheblich verhaltensauffälliger Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen (Anlage E) geltende Personalrichtwerte: - Pflegegrad 1 – 1 : 4,12 - Pflegegrad 2 – 1 : 2,77 - Pflegegrad 3 – 1 : 2,16 - Pflegegrad 4 – 1 : 1,79 - Pflegegrad 5 – 1 : 1,51. In Bezug auf Maßnahmen zur Sicherheit der Pflegebedürftigen unterscheiden sich Pflegeheime für die allgemeine Pflege und Betreuung und Pflegeheime bzw. Wohnbereiche nach Anlage E grundsätzlich nicht. Besondere Maßnahmen zur Sicherheit der Pflegebedürftigen sind in Pflegeheimen vorgesehen, die Menschen betreuen und pflegen, die aufgrund eines richterlichen Beschlusses nach § 1906 BGB tatsächlich untergebracht sind und deshalb einer besonderen Beaufsichtigung unterliegen. 17. Welche Leistungen des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und SGB XI zur vollstationären Pflege, werden über die in den Rahmenverträgen festgehaltenen, erbracht? - 9 - 9 Zu 17.: Träger von Pflegeheimen, die Wohnbereiche zum besonderen pflegerischen Versorgungsund Betreuungsbedarf von erheblich verhaltensauffälligen Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen (Anlage E des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege) vorhalten, haben ein besonderes Konzept für diese Wohnbereiche erstellt. Diese Konzepte werden jeweils von den Kostenträgern geprüft. Die Pflegeheime bieten besondere Betreuungsformen an, die den lebensgeschichtlichen Kontext der Pflegebedürftigen berücksichtigen. Vorhandene Kompetenzen der psychisch erkrankten Menschen sollen gestärkt, Überforderungen jedoch vermieden werden. Die Leistungsbeschreibung im jeweiligen Konzept muss im Einzelnen Aussagen zu folgenden Punkten enthalten: - Hilfen beim Umgang mit Beeinträchtigungen und Gefährdungen durch die psychische Erkrankung (hinsichtlich Antrieb, Angstsyndrom, Realitätsbezug, Orientierung, Abhängigkeit etc.); - Unterstützung bei der Inanspruchnahme von psychiatrischen, medizinischen und sozialen Hilfen, insbesondere in Krisensituationen; - Pflegeplanung und deren Umsetzung im Pflegeprozess basiert auf Kenntnis, Beachtung und Dokumentation der Biographien der Pflegebedürftigen; - Beziehungsgestaltung und Pflegeorganisation berücksichtigen, dass psychisch kranke Menschen feste Bezugspersonen brauchen (Bezugspflege); - Kommunikation ist den Fähigkeiten angepasst (z. B. basale Stimulation, Validation); - Angebote zur Tages- und Nachtstrukturierung sowie eine tageszeitliche und räumliche Stetigkeit bestehen. Die fachlichen Anforderungen werden an allen Tagen der Woche erfüllt. Die besonderen Betreuungsangebote werden an allen Wochentagen vorgehalten. - Kreative Angebote aus dem Bereich der aktivierenden Gruppenarbeit bestehen; - Angehörige werden auf Wunsch, soweit möglich, in die Pflege und Betreuung einbezogen, die Einbeziehung in die Pflegehandlungen wird dokumentiert. Darüber hinaus sind spezifische Maßnahmen zur internen Sicherung der Struktur-, Prozess - und Ergebnisqualität festzulegen und durchzuführen, wie regelhafte multiprofessionelle Fallkonferenzen. Eine Evaluation der Betreuung hat mindestens einmal jährlich durch eine Verhaltensbeobachtung zur Überprüfung der Effekte der Betreuung und Pflege zu erfolgen. 18. Gelten die unter Nummer 17 genannten Leistungen sowohl für geschlossene als auch für offene pflegerische Einrichtungen? Zu 18.: Die zur Frage 17 aufgeführten Leistungen sind in allen Pflegeheimen/Wohnbereichen nach Anlage E zu erbringen. 19. Wie hoch ist der Anteil von examinierten Pflegekräften, in den Pflegeeinrichtungen, die Menschen mit psychischen Erkrankungen versorgen, welche über eine Weiterbildung in der psychiatrischen Pflege, verfügen ? Ist in allen Pflegeheimen, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen untergebracht sind, die psychiatrische Fachpflege sichergestellt? - 10 - 10 Zu 19.: In Wohnbereichen nach Anlage E gelten die folgenden personellen Voraussetzungen: Personalrichtwerte für Pflegegrade 1 – 1 : 4,12 2 – 1 : 2,77 3 – 1 : 2,16 4 – 1 : 1,79 5 – 1 : 1,51. Die Fachkraftquote liegt bei 52%. Das Pflegeheim stellt sicher, dass die leitende Pflegefachkraft des Wohnbereiches über eine mindestens zweijährige Berufserfahrung im Bereich Psychiatrie/Gerontopsychiatrie verfügt und eine psychiatrische Weiterbildung im Umfang von mindestens 400 Stunden erworben oder begonnen hat. Die stellvertretende leitende Pflegefachkraft muss ebenfalls über eine mindestens zweijährige Tätigkeit im Bereich Psychiatrie/Gerontopsychiatrie verfügen. Alle weiteren an der Betreuung beteiligten Mitarbeitenden, einschließlich der Hauswirtschaftskräfte, verfügen über fachliche Grundkenntnisse im Umgang mit psychisch erkrankten Menschen. Die Mitarbeitenden werden, bezogen auf ihr jeweiliges Aufgabengebiet, regelmäßig jährlich fortgebildet . Berlin, den 18. Dezember 2018 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung