Drucksache 18 / 17 229 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Karsten Woldeit (AfD) vom 04. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Dezember 2018) zum Thema: Vollkontinuierliche Arbeitszeitmodelle mit 12 und mehr Stundenschichten in der Berliner Landesverwaltung (Teil I) und Antwort vom 18. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Dez. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Finanzen Herrn Abgeordneten Karsten Woldeit (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17229 vom 4. Dezember 2018 über Vollkontinuierliche Arbeitszeitmodelle mit 12 und mehr Stundenschichten in der Berliner Landesverwaltung (Teil I) ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Für die Tarifbeschäftigen des Landes Berlin gilt die EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG), das Arbeitszeitgesetz , das Bundesurlaubsgesetz, das Sozialgesetzbuch, der Tarifvertrag der Länder sowie Vorschriften und Vollzugshinweise des Senats für Finanzen und weitere hier nicht benannte. Vertritt die Senatsverwaltung für Finanzen als Arbeitgebervertreter für Berlin in der TdL die Auffassung, dass unter den tariflichen Rahmenbedingungen des TV-L vollkontinuierliche Schichtmodelle mit Schichtlängen von 12 und mehr Stunden möglich sind? 2. Wenn ja, unter welchen Bedingungen können solche Arbeitszeitmodelle unter Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände des Arbeitszeitgesetzes und des TV-L realisiert werden? Zu 1. und 2.: Für die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallenden Beschäftigten sind (neben den tarifvertraglichen Arbeitszeitregelungen) die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zu beachten. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ArbZG bestimmt, dass (nur) in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zugelassen werden kann, abweichend von § 3 ArbZG die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt. Weitere Ausnahmemöglichkeiten sieht z. B. Absatz 2 vor (hier insbesondere die Ziffern 3 und 4). Es bedarf aber immer zunächst einer tarifvertraglichen Grundlage, um von der Arbeitszeitregelung des § 3 ArbZG abweichen zu können, nach der die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und -nehmer acht Stunden nicht überschreiten darf und sie auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden kann, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Nach der Zwecksetzung des ArbZG haben Arbeitszeitverlängerungen durch die Tarifvertragsparteien Vorrang vor Arbeitszeitverlängerungen durch die Aufsichtsbehörde. Eine Ausnahmegenehmigung durch die Aufsichtsbehörde, bspw. nach § 15 Abs. 2 ArbZG, würde einen Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Tarifautonomie (Art 9 Abs. 3 Grundgesetz) darstellen . Sind in einem Tarifvertrag Schichtlängen von 12 Stunden geregelt, so gilt ausschließlich diese Regelung. Ausnahmeregelungen im Sinne des § 7 ArbZG enthält § 6 Abs. 4 TV-L. Aus dringenden betrieblichen / dienstlichen Gründen kann auf der Grundlage einer Betriebs-/ Dienstvereinbarung im Rahmen des § 7 Absatz 1, 2 und des § 12 Arbeitszeitgesetz von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes abgewichen werden. Darüber hinaus regelt der TV-L, dass in vollkontinuierlichen Schichtbetrieben an Sonn- und Feiertagen die tägliche Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden kann, wenn dadurch zusätzliche freie Schichten an Sonn- und Feiertagen erreicht werden. Diese Regelung findet beispielsweise auf Beschäftigte der Feuerwehr und Polizei Anwendung. Für bestimmte Beschäftigtengruppen finden sich gesonderte Regelungen in § 42 - Sonderregelungen für Ärztinnen und Ärzte außerhalb von Universitätskliniken - Nr. 5 Ziffer 3 TV-L, § 43 - Sonderregelungen für die nichtärztlichen Beschäftigten in Universitätskliniken und Krankenhäusern - Nr. 4 Ziffer 3 TV-L, § 44 - Sonderregelungen für Beschäftigte als Lehrkräfte - Nr. 2 TV-L, § 47 - Sonderregelungen für Beschäftigte im Justizvollzugsdienst der Länder sowie im feuerwehrtechnischen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg - Nr. 2 Abs. 1 TV- L, § 49 - Sonderregelungen für Beschäftigte in landwirtschaftlichen Verwaltungen und Betrieben , Weinbau- und Obstbaubetrieben - Nr. 2 TV-L. 3. In welchen Dienststellen der Berliner Landesverwaltung, die dem Gültigkeitsbereich des TV-L unterliegen, werden vollkontinuierliche Arbeitszeitmodelle praktiziert, deren Schichtlängen, einschließlich der Bereitschaften und Arbeitsruhezeiten, 12 Stunden und mehr betragen? Ich bitte um tabellarische Auflistung nach - Dienststelle - Schichtrhythmus - Beginn und Ende der jeweiligen Schichten - Zeitpunkt, seitdem das Arbeitszeitmodell praktiziert wird - Rechtsgrundlage (Betriebs- oder Dienstvereinbarung, gesonderter Tarifvertrag oder Verwaltungsvorschrift) - rechtliche Begründung für die Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände gemäß TV-L und Arbeitszeitgesetz . Zu 3.: Zu dieser Frage wurden die Dienststellen des Landes Berlin befragt. Soweit die Dienststellen des Landes Berlin geantwortet haben, wurde Fehlanzeige erstattet. 4. Ist es rechtlich möglich, dass verbeamtete und angestellte Landesbedienstete in einem vollkontinuierlichen Arbeitszeitmodell mit Schichtlängen von 12 und mehr Stunden gemeinsam arbeiten? Sollte diese Frage mit nein beantwortet werden, so bitte ich dies zu begründen. Zu 4.: Es sind keine Gründe bekannt, die gegen ein gemeinsames Arbeiten im Sinne der Frage 4 sprechen, soweit die Regelungen in den jeweils anzuwendenden Arbeitszeitverordnungen Beachtung finden. 5. Müssen die in einem tariflichen Arbeitszeitmodell nach §11, Abs. 1, ArbZG, 15 beschäftigungsfreien Sonntage ohne Inanspruchnahme von Urlaubs- und Krankheitszeiten durch den Arbeitgeber gewährt werden? Zu 5.: § 11 Abs. 1 ArbZG stellt sicher, dass bei zulässiger Sonntagsarbeit mindestens 15 Sonntage im Jahr für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer arbeitsfrei bleiben müssen. Maßgeblich für die Einhaltung des § 11 Abs. 1 ArbZG ist die Zahl der Sonntage, an denen die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer tatsächlich nicht arbeiten muss. Auf diese Tage können Sonntage angerechnet werden, an denen die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer aus anderen Gründen, bspw. wegen Urlaubstagen, Tagen mit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder Freistellung zum Abbau von Überstunden, nicht beschäftigt wird. 6. Dürfen Ersatzruhetage für geleistete Sonntagsarbeit gemäß §11, Abs. 3, ArbZG auf gesetzliche Feiertage gewährt werden? Zu 6.: Sonn- oder Feiertage sind als Ersatzruhetage ausgeschlossen, weil die Freistellung auf einen Werktag fallen muss. 7. Durch welche Behörde/Dienststelle der Berliner Landesverwaltung werden die Arbeitszeitmodelle hinsichtlich der Rechtskonformität und gesundheitlichen Eignung überwacht? Zu 7.: In Bezug auf die Tarifbeschäftigten obliegt die Überwachung der Einhaltung der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes – wie bei anderen Arbeitgebern auch – dem Landesamt für Arbeitsschutz , Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi). Berlin, den 18. Dezember 2018 In Vertretung Fréderic Verrycken Senatsverwaltung für Finanzen