Drucksache 18 / 17 249 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner (CDU) vom 05. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Dezember 2018) zum Thema: Ist es nicht merkwürdig still um die Ergebnisse der letzten Einschulungsuntersuchungen (ESU)? und Antwort vom 27. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Dez. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17 249 vom 05. Dezember 2018 über Ist es nicht merkwürdig still um die Ergebnisse der letzten Einschulungsuntersuchungen (ESU)? ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welchen Stellenwert misst der Senat den Einschulungsuntersuchungen insbesondere in Bezug auf die Verbesserung der Kindergesundheit, den Förderungsbedarf von Kindern in der Grundschule sowie auf die vorschulische Erziehung von Kita-Kindern bei? Zu 1.: Die Einschulungsuntersuchungen sind von individueller Bedeutung für jedes einzelne untersuchte Kind, da unter dem Blickwinkel des bevorstehenden Schulbesuchs gesundheitliche Auffälligkeiten und Risiken erkannt werden können und erforderlichenfalls rechtzeitig weitere Diagnostik, Therapie oder Förderung eingeleitet werden kann. Damit werden die Gesundheits- und Teilhabechancen der Kinder unterstützt. Darüber hinaus stellen die Einschulungsuntersuchungen die einzige Vollerhebung zur gesundheitlichen Lage von Kindern in Berlin dar, weil die Eltern gesetzlich verpflichtet sind, ihr Kind vor Schulaufnahme schulärztlich untersuchen zu lassen. Im Rahmen des Landesverfahrens Einschulungsuntersuchungen werden die Untersuchungen in Berlin seit 2001 in allen zwölf Bezirken einheitlich durchgeführt, die Ergebnisse einheitlich dokumentiert und der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung übermittelt. Damit stehen jährlich sowohl auf bezirklicher Ebene als auch für ganz Berlin Gesundheitsdaten für einen ganzen Jahrgang schulpflichtig werdender Kinder zur Verfügung, die bevölkerungsbezogene Auswertungen und Schlussfolgerungen ermöglichen. Die Daten der Einschulungsuntersuchungen und die aus ihnen vorgenommenen Auswertungen besitzen einen hohen Wert für alle, die mit Kindern im Gesundheitswesen, in Schule , Kita und Freizeit arbeiten. Die Daten geben nicht nur Auskunft über die gesundheitliche Lage der Kinder im Einschulungsalter , sondern darüber hinaus auch über Gesundheits- und Risikoverhalten und die familiären und sozialen Rahmenbedingungen, unter denen die Kinder aufwachsen. Neben der jährlichen Grundauswertung, die der Fach-Öffentlichkeit als umfassende Informationsquelle über Gesundheitszustand, Gesundheitsverhalten und gesundheitliche sowie soziale Risiken dient, finden weitere Auswertungen der Einschulungsdaten vielfältige Verwendung , u. a. in bezirklichen Planungsprozessen, im Kindergesundheitszieleprozess des Landes Berlin und in der Schulverwaltung. Die Daten werden dabei sowohl für die Ermittlung von Bedarfen und Zielgruppen für Gesundheitsförderung und Prävention als auch für ein Monitoring von Gesundheitszieleprozessen als geeignet und hilfreich erachtet. - 2 - 2 2. Als wie zufriedenstellend bewertet der Senat die zeitnahe Auswertung der ESU-Daten im Land Berlin? Worin liegen die Ursachen, dass von der Erhebung bis zur Auswertung und Veröffentlichung mitunter zwei Jahre und mehr vergehen? 3. Worin liegen die Gründe, dass der Senat seine Zusage im Plenum am 17. Mai 2018 (siehe Plenarprotokoll 17. Mai 2018, Seite 2975) hinsichtlich einer Beantwortung meiner Mündlichen Anfrage zum Thema Schuleingangsuntersuchungen (ESU) 2017 bis jetzt nicht eingehalten hat? 4. Wie lautet jetzt die Antwort, warum die Daten der Schuleingangsuntersuchungen 2017 damals noch nicht in einer auswertbaren Form vorlagen und einer Plausibilitätsprüfung bedurften? Zu 2. - 4.: Die jährliche Grundauswertung der Einschulungsdaten gehört zu den Routineaufgaben der Gesundheitsberichterstattung. Wie bei jeder Datenerhebung sind Fehler bei der Erfassung , Dokumentation und Übermittlung der Daten nicht auszuschließen. Aufgrund der hohen Relevanz der Daten für fachliche Planungsprozesse und für Aussagen zur gesundheitlichen Lage der Kinder in Berlin werden hohe Anforderungen an die Qualität und Belastbarkeit der Daten und Auswertungen gestellt. Daher ist bei der Datenaufbereitung und –auswertung besondere Sorgfalt angebracht, um nicht erst bei oder nach der Veröffentlichung von Ergebnissen auf mögliche Fehlerquellen in den Daten aufmerksam zu werden. Aus diesem Grund wird jährlich eine Plausibilitätsprüfung der Daten durchgeführt. Hierbei treten Sachverhalte zu Tage, die durch Rückfragen in den Bezirken soweit möglich aufgeklärt und bei Vorliegen von Fehleingaben manuell korrigiert werden. Die Einschulungsuntersuchungen 2017 wurden im Zeitraum von September 2016 bis September 2017 in den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten der zwölf Bezirke durchgeführt . Die Daten wurden der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung im November/Dezember 2017 übermittelt. Die Plausibilitätsprüfung der ESU-Daten 2017 war Ende Mai 2018 abgeschlossen, die validierten Daten liegen seit Anfang Juni 2018 in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und in den Bezirken vor. Die Realisierung der ESU-Grundauswertung erfordert zahlreiche Arbeitsschritte von der Anpassung der Auswertungstabellen an veränderte Erhebungsmerkmale über die Aktualisierung der erläuternden Methodentexte und die Interpretation der Zeitreihen bis hin zur Vorbereitung eines barrierefreien pdf-Dokuments zur Veröffentlichung und muss sich wie alle übrigen Dienstaufgaben auch an den vorhandenen Arbeitskapazitäten und Prioritätensetzungen orientieren. 5. Ist nunmehr der „datenlose“ Zustand zur ESU 2017 beendet und der Senat auskunftsfähig über die Untersuchungsergebnisse ? Wenn ja, welche Trends sind im Verhältnis zu vorangegangenen Untersuchungen hinsichtlich des Gesundheits- und Risikoverhaltens, der gesundheitlichen Problemlagen sowie des sozialen Umfelds und der sozialen Integration erkennbar geworden? Welche Schlussfolgerungen will der Senat aus diesen Erkenntnissen ziehen? 6. Sollte keine Änderung der Bearbeitungssituation seit dem 17. Mai 2018 eingetreten sein, was will der Senat unternehmen, um endlich eine Auswertung der ESU 2017 vornehmen zu können? Zu 5. und 6.: Die Auswertung der ESU-Daten 2017 findet derzeit statt, eine Veröffentlichung der Grundauswertung ist für Januar 2019 geplant. - 3 - 3 7. Gibt es in den Bezirken bereits Grundauswertungen der ESU-Daten von 2017? Wenn ja, in welchen sind diese mit Schlussfolgerungen für die Arbeit der Kinder- und Jugendgesundheitsdienste, der Grundschulen sowie der Kitas verbunden? Zu 7.: Bezirkliche Grundauswertungen der ESU-Daten liegen in der Zuständigkeit der Planungsund Koordinierungsstellen (Organisationseinheiten für Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination) der Bezirke. In zehn der zwölf Bezirke ist die Stelle für Gesundheitsberichterstattung besetzt. Auf Anfrage gaben zehn Bezirke zur Frage 7 Auskunft. Neun Bezirke teilten mit, dass bislang keine Auswertung der ESU-Daten 2017 vorgenommen wurde, in mehreren Bezirken ist dies für das Jahr 2019 geplant. Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf weist darauf hin, dass für die bezirkliche Auswertung jeweils die Vergleichsdaten für Berlin insgesamt herangezogen werden und die Veröffentlichung daher noch nicht erfolgt ist. Schlussfolgerungen aus Ergebnissen der ESU werden im Bezirk Marzahn-Hellersdorf nicht im Rahmen des ESU-Berichts, sondern in einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe gezogen, die gemeinsame Strategien entwickelt und entsprechende Maßnahmen ableitet und umsetzt. Der Bezirk Neukölln hat seine Auswertung der ESU-Daten 2017 im Juli 2018 veröffentlicht. Sie ist im Internet abrufbar unter https://www.berlin.de/ba-neukoelln/politik-undverwaltung /stelle-fuer-qualitaets-entwicklung-planung-und-koordination/gesundheits-undsozialberichterstattung -143578.php. Zu den Schlussfolgerungen teilt der Bezirk Neukölln folgendes mit: Basierend auf den Ergebnissen enthält die Auswertung der ESU-Daten in Neukölln von 2017 Empfehlungen und Hinweise zur weiteren Verbesserung der gesundheitlichen Entwicklung und zur Erhöhung der Chancengleichheit der Kinder. In Neukölln zeigen sich rückläufige Empfehlungen für schulische Fördermaßnahmen bei Kindern aus mittleren und hohen Sozialstatusgruppen. Die Empfehlung einer speziellen Förderung wird sehr viel häufiger bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien, aus Familien mit Migrationshintergrund und unzureichenden Deutschkenntnissen sowie bei Kindern, die weniger als 2 Jahre ein Kita besucht haben, empfohlen. Deshalb ist eine verstärkte Konzentration auf die Erreichbarkeit und Unterstützung genau dieser Zielgruppen notwendig, um die Chancengleichheit der Kinder zu fördern. Diese Schlussfolgerung trifft gleichermaßen auf jeden der drei genannten Fachbereiche zu. 8. Konnten die Einschulungsuntersuchungen 2017 in allen Bezirken vor Beginn des Schuleintritts durchgeführt werden? Wenn nein, welche Gründe gab es dafür und wie stellt sich das konkret in den einzelnen Bezirken dar (bitte tabellarische Übersicht)? Zu 8.: Die Einschulungsuntersuchungen 2017 konnten nicht in allen Fällen vor Beginn des Schulbesuchs durchgeführt werden. In allen Bezirken wurden noch in Einzelfällen nach Schulbeginn Einschulungsuntersuchungen durchgeführt (vgl. Tabelle 1). Gründe dafür sind mehrmaliges Absagen oder Versäumen von vereinbarten Terminen für die Einschulungsuntersuchung durch die Eltern, längere Abwesenheit des Kindes vor Schulbeginn, ein Zuzug der Familie erst kurz vor Schulbeginn sowie Nachmeldungen durch die Schule. - 4 - 4 Das Datum der Einschulungsuntersuchung wird der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung aus Datenschutzgründen nicht taggenau, sondern lediglich monatsgenau übermittelt. Die Sommerferien 2017 endeten in Berlin am 1. September 2017, die Einschulung erfolgte am 9. September 2017 und der erste Schultag war am 12. September 2017. Als Einschulungsuntersuchung nach dem Schuleintritt wird vereinfachend ein Untersuchungstermin ab September 2017 für das Schuljahr 2017/2018 gewertet. Danach erfolgten berlinweit 182 von 33.864 Einschulungsuntersuchungen nach Schulbeginn, das entspricht 0,5 %. Darunter fallen 170 Untersuchungen in allen Berliner Bezirken im September 2017, 11 Untersuchungen in drei Bezirken im Oktober 2017 und eine Untersuchung im November 2017. Die Aufteilung der Untersuchungen auf die Bezirke zeigt Tabelle 1. Tabelle 1: ESU 2017 nach Schulbeginn Bezirk untersuchte Kinder ESU 2017 davon ab September 2017 Anzahl Anteil Mitte 3.415 15 0,4 % Friedrichshain-Kreuzberg 2.516 12 0,5 % Pankow 4.245 13 0,3 % Charlottenburg-Wilmersdorf 2.441 22 0,9 % Spandau 2.363 25 1,1 % Steglitz-Zehlendorf 2.729 23 0,8 % Tempelhof-Schöneberg 3.038 21 0,7 % Neukölln 3.004 3 0,1 % Treptow-Köpenick 2.256 11 0,5 % Marzahn-Hellersdorf 2.756 16 0,6 % Lichtenberg 2.683 14 0,5 % Reinickendorf 2.418 7 0,3 % Berlin gesamt 33.864 182 0,5 % 9. Kommt es vor, dass Eltern versäumen ihr Kind zur Einschulungsuntersuchung zu bringen, obwohl diese eine Pflichtuntersuchung ist? Welche Maßnahmen greifen dann? Zu 9.: Wenn Eltern keinen Termin im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst zur Einschulungsuntersuchung wahrnehmen, wird dies an die für die Anmeldung zuständige Grundschule und an das Schulamt gemeldet. Die Teilnahme an der Schuleingangsuntersuchung kann gemäß § 45 Absatz 1 des Schulgesetzes ebenso wie die Teilnahme am Unterricht im äußersten Fall erzwungen werden. Dies kommt jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Im Vordergrund stehen Aufklärung der Eltern über den Zweck der Untersuchung und Überzeugungsarbeit. Der Regelfall ist, dass nach einer wiederholten Einladung zur Einschulungsuntersuchung diese fristgerecht durchgeführt werden kann. 10. Wie erfolgt die Vermittlung bestimmter ESU-Erkenntnisse für einen notwendigen Förderbedarf an die aufnehmende Grundschule, wenn bereits in der ESU ersichtlich wird, dass das betreffende Kind einen solchen von Anfang an benötigt? - 5 - 5 Zu 10.: Die Einschulungsuntersuchung wird durch die für die Anmeldung zuständige Grundschule veranlasst. Hierfür dient das Formular Schul II 109 „Anmeldung und Aufnahme in die Grundschule“. In dieses Formular trägt die untersuchende Ärztin bzw. der untersuchende Arzt schulärztliche Empfehlungen zum Schulanfang, ggf. Hinweise auf einen vermuteten sonderpädagogischen Förderbedarf und ggf. eine Empfehlung der Zurückstellung ein. Die Empfehlungen umfassen Mitteilungen zu vorliegenden Einschränkungen des Sehens und Hörens, zu schulischen Förderbedarfen in verschiedenen Entwicklungsbereichen, zu Einschränkungen beim Schulsport und zu berücksichtigenden Beeinträchtigungen der Gesundheit . Der ausgefüllte Bogen wird für jedes Kind an die zuständige Grundschule zurückgesandt . Über sonderpädagogischen Förderbedarf entscheidet die Schulaufsichtsbehörde in einem gesonderten Verfahren auf der Grundlage bereits vorliegender oder aufgrund des Antrags einzuholender Gutachten. Ist ein möglicher sonderpädagogischer Förderbedarf bereits vor der Einschulungsuntersuchung bekannt, bietet der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst den Erziehungsberechtigten nach Möglichkeit einen frühzeitigen Termin für die Einschulungsuntersuchung an und unterstützt sie auf Wunsch bei der Beantragung der erforderlichen sonderpädagogischen Diagnostik durch das zuständige Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs - und Unterstützungszentrum (SIBUZ). 11. Wird die Übermittlung von Hinweisen an die Schule durch die neue Datenschutzgrundverordnung schwieriger? Welche Probleme ergeben sich dadurch und wie können sie behoben werden? Zu 11.: Die Übermittlung der schulärztlichen Empfehlungen an die Schulen wird durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht erschwert. Die auch bereits vor deren Inkrafttreten geltenden datenschutzrechtlichen Grundsätze werden eingehalten, insbesondere Gesetzesvorbehalt, Zweckbindung, Beschränkung auf die erforderlichen personenbezogenen Daten, Schutz vor Kenntnisnahme Unbefugter, ärztliche Schweigepflicht, Amtsgeheimnis und Information der betroffenen Person bzw. ihres gesetzlichen Vertreters. Berlin, den 27. Dezember 2018 In Vertretung Martin Matz Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung