Drucksache 18 / 17 315 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 13. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dezember 2018) zum Thema: Organisierte Kriminalität – Prozess am Amtsgericht gegen Herrn A. Abou- Chaker 2018 und Antwort vom 04. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Januar 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17 315 vom 13. Dezember 2018 über Organisierte Kriminalität – Prozess am Amtsgericht gegen Herrn A. Abou-Chaker 2018 ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Was konkret wird dem Angeklagten A. Abou-Chaker im Prozess, welcher derzeit vor dem Kriminalgericht Moabit verhandelt wird, vorgeworfen? Zu 1.: Dem Angeklagten wird in dem Verfahren des Amtsgerichts Tiergarten eine vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung vorgeworfen. Der Angeklagte soll diese Taten am 7. März 2018 in den Räumen einer Physiopraxis in Berlin verübt haben. 2. Wie viele Zeugen sollen in diesem Prozess vernommen werden? Zu 2.: Da die Hauptverhandlung bisher nicht abgeschlossen ist, können keine Angaben zum Umfang der Beweisaufnahme, mithin auch nicht zur Anzahl der zu vernehmenden Zeugen, gemacht werden. 3. Wie viele Strafverteidiger sind am Prozess beteiligt? (Aufstellung der Kanzleien erbeten.) Zu 3.: Zu den am Verfahren beteiligten Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern macht das Gericht derzeit, während der laufenden Hauptverhandlung, keine Angaben. Diese Entscheidung ist als Ausfluss der richterlichen Unabhängigkeit zu respektieren. Ein Gesamtüberblick über die beteiligten Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger wäre ohnehin erst nach Abschluss des Verfahrens möglich, da es immer möglich ist, dass Mandate niedergelegt oder neu aufgenommen werden. Außerdem erscheinen üblicherweise zusätzliche Verteidigerinnen und Verteidiger in Untervollmacht für die regulär bevollmächtigten Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, wenn diese an einzelnen Hauptverhandlungstagen verhindert sind. 4. Wie viele Zeugen des laufenden Prozesses zogen bisher ihre polizeilichen Aussagen zurück oder beriefen sich auf Erinnerungslücken? Zu 4.: Die Frage nach der Anzahl der Zeuginnen und Zeugen, die ihre polizeilichen Aussagen zurückgenommen oder sich auf Erinnerungslücken berufen haben, kann nicht beantwortet werden, da die Einschätzung von Gerichtsseite insoweit dem Vorsitzenden des 2 Verfahrens obliegt und das Verfahren bisher nicht abgeschlossen ist. Das Aussageverhalten von Zeuginnen und Zeugen kann sich überdies im Laufe des Verfahrens ändern. 5. Unter welchen Umständen können Zeugen zu einer Aussage verpflichtet und bei Aussagenverweigerung mit rechtlichen Strafmaßnahmen belegt werden? (Aufstellung über zulässige Strafmaßnahmen erbeten.) Zu 5.: Weigert sich eine Zeugin oder ein Zeuge, ohne gesetzlichen Grund auszusagen oder den Eid zu leisten, so ist nach § 70 Strafprozessordnung (StPO) zu verfahren. Danach werden der Zeugin oder dem Zeugen die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt (§ 70 Abs. 1 S. 1 StPO). Zugleich sind gegen ihn oder sie ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft (sogenannte Ersatzordnungshaft ) festzusetzen (§ 70 Abs. 1 S. 2 StPO). Die Höhe des Ordnungsgeldes ist auf 1.000,00 Euro begrenzt, die Dauer der Ordnungshaft auf 42 Tage (Art. 6 Abs. 1 und 2 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, EGStGB). Gemäß § 70 Abs. 2 StPO kann zur Erzwingung des Zeugnisses auch Haft (sog. Beugehaft) angeordnet werden. Die Dauer dieser Haft ist auf sechs Monate begrenzt, endet aber vor Ablauf dieser Frist mit der Beendigung des Verfahrens in diesem Rechtszug. Die Beugehaft ist grundsätzlich zusammen mit dem Ordnungsgeldbeschluss oder nach dessen Erlass anzuordnen, wobei die Vollstreckung des Ordnungsgeldbeschlusses nicht abgewartet zu werden braucht. Die Anordnung der Beugehaft kann mehrfach erfolgen, allerdings insgesamt nur bis Höchstdauer von sechs Monaten. Ein Ordnungsgeld darf hingegen nur einmal festgesetzt werden . Für die Entscheidung ist das Gericht zuständig. Grundsätzlich sind Zeuginnen und Zeugen zur Aussage verpflichtet, es sei denn sie können sich auf ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Lediglich in diesen Ausnahmefällen sind sie nicht verpflichtet, zur Sache (§ 69 StPO) auszusagen. Zu ihren persönlichen Verhältnissen (§ 68 StPO) müssen sie hingegen immer Angaben machen. Die Zeugin bzw. der Zeuge ist zur Wahrheit verpflichtet. Andernfalls droht eine Bestrafung wegen falscher uneidlicher Aussage und unter Umständen sogar wegen Meineides (§§ 153, 154 Strafgesetzbuch, StGB). 6. Wurde im Vorfeld eine polizeiliche Videovernehmung der Zeugen durchgeführt? (Wenn nein, warum nicht?) Zu 6.: Es wurden keine polizeilichen Videovernehmungen durchgeführt. Aufgrund der hohen personellen und sachlichen Anforderungen ist die Durchführbarkeit von Videovernehmungen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens derzeit nur anlassbezogen und auf hervorgehobene Ermittlungsverfahren, insbesondere im Bereich der Sexualdelikte, beschränkt . 7. Welche Hinweise bestehen darauf, dass das Umfeld von Herrn Abou-Chaker direkt oder indirekt verbalen und psychischen Druck auf die Zeugen und ihr Umfeld ausübt? (Aufstellung erbeten.) Zu 7.: Es gibt keine belastbaren Anhaltspunkte für diese Annahme. 8. Gab es in diesem Zusammenhang Gefährderansprachen gegenüber den betreffenden Personen und wenn ja, wie viele? Zu 8.: Dem Senat sind keine Gefährderansprachen bekannt. 9. Was wird unternommen um die Zeugen zu schützen und gegen gewaltbereite Personen im Zusammenhang mit dem Prozess vorzugehen? (Welche Maßnahmen wären darüber hinaus sinnvoll und warum werden diese nicht umgesetzt?) (Aufstellung erbeten.) 3 Zu 9.: Im konkreten Verfahren wurden keine Umstände bekannt, die Maßnahmen des Zeugenschutzes notwendig gemacht hätten. Die für das Gericht bestehenden Möglichkeiten , Zeuginnen und Zeugen im Rahmen eines laufenden Verfahrens zu schützen, ergeben sich aus der Strafprozessordnung und dem Gerichtsverfassungsgesetz. Diese Möglichkeiten werden vom Vorsitzenden des Verfahrens genutzt, wenn er dies für erforderlich hält. 10. Welche Staatsbürgerschaft hat Herr A. Abou-Chaker? Zu 10.: Der Anklageschrift zufolge hat er die deutsche Staatsangehörigkeit. 11. Welche berufliche Tätigkeit gab Herr A. Abou-Chaker auf Nachfrage im öffentlichen Prozess an? Zu 11.: Ob der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit getätigt hat, wie diese Angaben gegebenenfalls von Gerichtsseite verstanden wurden und ob sie für die Urteilsfindung von Bedeutung sind, wird sich aus den schriftlichen Urteilsgründen und gegebenenfalls aus dem nach Verfahrensabschluss vom Vorsitzenden unterzeichneten Hauptverhandlungsprotokoll ergeben. 12. Kann ausgeschlossen werden, dass Zeugen im Prozess Schweigegeldzahlungen erhalten haben und aus diesem Grund nun im Prozess Erinnerungslücken angeben? Zu 12.: Nein. 13. Gibt es im Prozess gegen Herrn A. Abou-Chaker unter den Zeugen und Prozessbeteiligten Indizien, die auf die bekannte „Schweigespirale“ bei Verfahren gegen Mitglieder der Organisierten Kriminalität, bedingt durch den Druck krimineller Clans und Clanstrukturen, schließen lassen ? Zu 13.: Nein. Berlin, den 4. Januar 2019 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung