Drucksache 18 / 17 345 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Herbert Mohr (AfD) vom 18. Dezember 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Dezember 2018) zum Thema: Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz und Antwort vom 02. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Jan. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Herbert Mohr (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17 345 vom 18. Dezember 2018 über Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz gibt es in Berlin? (Bitte nach Bezirken aufschlüsseln.) 2. Wie viele Menschen mit Demenz leben in diesen Wohngemeinschaften? Zu 1. und 2.: Die Daten zu den Wohngemeinschaften beruhen auf § 14 Wohnteilhabegesetz (WTG) (Meldepflicht) und werden bei der Heimaufsicht erfasst. Die Daten der Heimaufsicht vermitteln nur einen eingeschränkten Einblick in die Struktur der Wohngemeinschaften, da sie in erster Linie dazu dienen, die Heimaufsicht bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen . Sie sind bis auf die „Anzahl der Wohngemeinschaften“ nicht tagesaktuell, da die Datenerfassung bisher einmalig bei Aufnahme der Pflegetätigkeit durch den Pflegedienst erfolgt und keine Aktualisierung zur Spezialisierung stattfindet. Auch in den Wohngemeinschaften ohne Spezialisierung können Menschen mit Demenz betreut werden. Und in Wohngemeinschaften mit Spezialisierung Demenz werden nicht nur Menschen mit Demenz versorgt (z.B. auch Korsakow, Schlaganfall). Eine Aussage, wie viel Menschen mit Demenz in Wohngemeinschaften versorgt werden, ist deshalb nicht möglich. Die ausgewiesene Platzzahl bietet bestenfalls einen Orientierungswert . Die Auswertung der Daten zum Stichtag 31.01.2018 enthält 348 Wohngemeinschaften mit dem Schwerpunkt „Menschen mit Demenz“. Die Aufteilung nach Bezirken stellt sich wie folgt dar: - 2 - 2 Pflege-Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz nach Bezirken Bezirk Platzzahl Anzahl WG Charlottenburg-Wilmersdorf 420 55 Friedrichshain-Kreuzberg 70 8 Lichtenberg 225 27 Marzahn-Hellersdorf 230 28 Mitte 211 28 Neukölln 141 17 Pankow 300 40 Reinickendorf 152 21 Spandau 118 17 Steglitz-Zehlendorf 208 29 Tempelhof-Schöneberg 364 50 Treptow-Köpenick 214 28 Gesamt 2653 348 Auswertung der Daten vom 31.01.2018 Insgesamt waren in Berlin 669 Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen zum Stichtag 31.01.2018 gemeldet. Der Anteil der Demenz WGs an allen pflegerisch betreuten Wohngemeinschaften beträgt damit 52 %. Die 348 Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz haben insgesamt 2.653 Plätze ausgewiesen. Wie oben aufgeführt gibt dies aber keine Auskunft über die tatsächliche Anzahl der mit Demenz erkrankten Menschen in Wohngemeinschaften. 3. Welchen Pflegegraden lassen sich diese Demenzerkrankten prozentual zuordnen? Zu 3.: Daten wie Alter, Geschlecht und Pflegegrad der Bewohner werden nicht erfasst. Daher können dazu keine Angaben gemacht werden. 4. Wie hat sich die Anzahl betreuter Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz in den letzten fünf Jahren entwickelt? Zu 4.: Eine spezielle Auswertung der Entwicklung von Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz liegt für die letzen fünf Jahre nicht vor. Stichproben ergeben, dass der Anteil an gemeldeten Demenz-WGs etwas mehr als 50 % aller pflegerisch betreuten Wohngemeinschäften beträgt. Die allgemeine Entwicklung von pflegerisch betreuten Wohngemeinschaften in Berlin insgesamt stellt sich für die letzten fünf Jahre wie folgt dar: - 3 - 3 Jahr 2013 2014 2015 2016 2017 Anzahl aller WG 543 563 589 619 645 5. Wie viele Menschen mit Demenz leben in anderen Formen vollstationärer Pflegeeinrichtungen mit der Spezialisierung für Demenzerkrankte bzw. in Pflegeeinrichtungen, die eigene Stationen für Demenzerkrankte haben? Zu 5.: Mit Stand 02/2018 existieren in 57 vollstationären Pflegeeinrichtungen Sonderwohnbereiche für demente Bewohnerinnen und Bewohner. Insgesamt werden 1.782 Plätze vorgehalten . Über die Anzahl der Plätze, die tatsächlich mit Bewohnerinnen und Bewohner belegt sind, kann keine Aussage getroffen werden. Die Träger sind nicht verpflichtet, dies mitzuteilen. Darüber hinaus werden natürlich in allen stationären Pflegeeinrichtungen Menschen mit dementiellen Erkrankungen versorgt. 6. Welche gesetzlichen Voraussetzungen sind bei der Gründung einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz zu beachten (Mindestwohnfläche, Art der Barrierefreiheit, Anzahl und Ausstattung sanitärer Bereiche etc.)? Zu 6.: Dem WTG liegt als Prinzip der pflegerisch betreuten Wohngemeinschaften die Idee zugrunde, dass es sich um eine private Wohnform handelt, in der Bewohner und Bewohnerinnen selbstbestimmt zusammen leben und ihre Angelegenheiten selbständig und eigenverantwortlich organisieren; es gibt keine dritte natürliche oder juristische Person, die als Träger für die Wohngemeinschaft verantwortlich ist. Da Wohngemeinschaften in Berlin bisher ausschließlich als von den Nutzerinnen und Nutzern selbstverantwortet gelten, gibt es keine Zulassungsvoraussetzungen für einen Betreiber . Die WG wird von den Nutzerinnen und Nutzern oder ihren Angehörigen gegründet. Ein oder mehrere Pflegedienste werden dann mit der Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen beauftragt. Folgende Kriterien in § 4 WTG definieren die WG als Wohnform bzw. beschreiben Voraussetzungen , die regelmäßig erfüllt sein müssen: Es müssen mindestens drei und es dürfen höchstens 12 Bewohner/innen sein. Das Zusammenleben und die Alltagsgestaltung werden von den Nutzerinnen und Nutzern bestimmt. Es gilt eine strikte Trennung von Miet- und Pflegevertrag – unterschiedliche, voneinander unabhängige Verträge. Eine WG darf kein Bestandteil einer stationären Pflegeeinrichtung sein. Es dürfen keine Büro-/Betriebs-/oder Geschäftsräume des Pflegeanbieters innerhalb einer Wohngemeinschaft vorgehalten werden. Darüber hinaus finden sich in der Vereinbarung gem. § 89 SGB XI über die Vergütung ambulanter Pflegeleistungen im Leistungskomplex 19 „Versorgung und Betreuung in Wohngemeinschaften von Pflegebedürftigen der Pflegegrade 4 und 5“ folgende Festlegungen : - 4 - 4 Eine WG im Sinne des LK 19 ist eine Gruppe von i.d.R. 6 bis 12 Personen (mindestens 3), die in einer Wohnung wohnen. Innerhalb der Wohnung hat jede/r Bewohner/in seinen/ihren eigenen Wohn- /Schlafbereich. Küche und Wohnzimmer können gemeinsam genutzt werden. Es ist eine angemessene Anzahl von Bädern/Toiletten vorhanden. Besondere baurechtliche Vorschriften liegen nicht vor. 7. Ist eine Gewerbeanmeldung für die Gründung einer Demenz-WG zwingend erforderlich? Zu 7.: Eine Gewerbeanmeldung ist nicht erforderlich. Es besteht eine Meldepflicht des Leistungserbringers , hier des ambulanten Pflegedienstes, bei der Aufsichtsbehörde, wenn er in einer Wohngemeinschaft für pflegebedürftige Menschen tätig wird (§ 14 WTG). Für den ambulanten Pflegedienst nach SGB XI, der in einer Wohngemeinschaft tätig wird, gelten die Zulassungskriterien, wie sie im Rahmenvertag gemäß § 75 Absatz 1 und 2 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung definiert sind. 8. Wie unterstützt der Senat Neugründer derartiger Wohngemeinschaften? Zu 8.: Eine direkte Unterstützung zur Neugründung von pflegerisch betreuten Wohngemeinschaften durch den Senat erfolgt nicht. Im Rahmen der Broschüre „Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz. Eine alternative Wohn- und Betreuungsform“, die vom Senat herausgegeben wurde, finden sich Hinweise, die bei der Gründung einer Wohngemeinschaft beachtet werden sollten. Darüber hinaus verweist er auf seiner Homepage auf weitere beratende Institutionen, unter anderem die Heimaufsicht im Rahmen des Ordnungsrechtes . 9. Wie ist der Personalschlüssel bei einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz? Zu 9.: Ein Personalschlüssel ist eine vertraglich vereinbarte personelle Besetzung. Diese ist in Berlin etwa für vollstationäre Pflegeeinrichtungen in dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI geregelt. Für Pflege-Wohngemeinschaften gibt es einen solchen Personalschlüssel nicht. Im Berliner Heimrecht ist in § 8 Abs. 5 der Verordnung über Personalanforderungen an Leistungserbringer in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen nach dem Wohnteilhabegesetz (WTG-PersV) eine personelle Mindestanforderung für eine betreute Wohngemeinschaft im Sinne des § 4 Abs. 1 WTG festgelegt, in der schwer(st)pflegebedürftige Menschen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen durchgehend gepflegt und betreut werden (d.h. 24-Stunden-Anwesenheit mindestens einer Hilfskraft). Diese Mindestanforderung ist kein Personalschlüssel. Insofern gibt es keinen im Ordnungsrecht zu prüfenden Personalschlüssel. - 5 - 5 10. Wer kontrolliert den Personalschlüssel, die Qualitäts- und Hygienestandards in den Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz? Zu 10.: Es gibt Qualitätsstandards für die Leistungserbringer in der ambulanten Pflege (ambulante Pflegeeinrichtungen), die in jeder Häuslichkeit gelten, somit auch in einer Wohngemeinschaft. Die Einhaltung dieser Standards überprüft grundsätzlich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) bzw. der Prüfdienst der Privaten Krankenversicherung (PKV-Prüfdienst) bei der Überprüfung des Pflegedienstes. Bei den Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen spielen die Angehörigen und Betreuer und Betreuerinnen in der Praxis eine wichtige Rolle. Sie wenden sich ggf. an die Pflegekassen oder an die Heimaufsicht, wenn aus ihrer Sicht Mängel bestehen und sich die Nutzerin oder der Nutzer nicht mehr selbst vertreten kann. Die Beratung von Nutzerinnen und Nutzer und Angehörigen, auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Pflegediensten ist ein Tätigkeitsschwerpunkt der Berliner Heimaufsicht. Die Anzahl von Beschwerden aus 2017, die sich explizit auf Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz bezieht, ist nicht gesondert erfasst. Die Heimaufsicht führt bei betreuten Wohngemeinschaften Anlassprüfungen durch: Die Aufsichtsbehörde kann gemäß § 18 WTG die Leistungserbringung in betreuten Wohngemeinschaften prüfen, wenn Hinweise auf Mängel vorliegen oder wenn festgestellt werden soll, ob Maßnahmen nach den §§ 22 –bis 25 WTG beachtet werden. Darunter kann im Einzelfall auch die Überprüfung von Qualität und Hygiene fallen. Die Heimaufsicht bezieht im Bedarfsfall über die AOK Nordost den MDK bzw. das zuständige Gesundheitsamt für Hygienemängel mit ein. 11. Wie oft wurden bei derartigen Kontrollen Verstöße festgestellt und was sieht der Sanktionskatalog dann vor? Zu 11.: Die Frage zu den Prüfungen durch den MDK kann von SenGPG nicht beantwortet werden, jedoch die Frage zu Prüfungen durch die Heimaufsicht. 2017 fanden insgesamt 12 Anlassprüfungen vor Ort in Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen statt (siehe Tätigkeitsbericht der Heimaufsicht 2017, https://www.berlin.de/lageso/soziales/heimaufsicht/taetigkeitsberichte/). Von den 12 Anlassprüfungen betrafen sechs sogenannte Demenz-Wohngemeinschaften, d.h. solche mit dem genannten pflegerischen Schwerpunkt „Menschen mit Demenz“. Die übrigen hatten andere oder keine Spezialisierungen benannt. Zwei der sechs genannten, die Anlassprüfungen auslösenden, Beschwerden enthielten Darstellungen zu Qualitätsdefiziten (pflegerische Versorgung, Umgang mit Medikamenten). Diese Darstellungen haben sich nach Prüfung der Heimaufsicht als nicht verifizierbar erwiesen. Eine der genannten sechs Beschwerden enthielt eine Schilderung zu Defiziten im Qualitäts- und Hygienebereich. Auch hier haben sich die Beschwerdepunkte als nicht verifizierbar herausgestellt. Somit bestand in keinem dieser Vorgänge ordnungsrechtlicher Handlungsbedarf, ordnungsrechtliche Sanktionen waren nicht erforderlich. - 6 - 6 Ergänzend: Auch bei betreuten Wohngemeinschaften sind Maßnahmen nach den §§ 21- 25 WTG möglich, etwa die Mängelberatung (§ 21), Anordnungen zur Mängelbeseitigung (§ 22 WTG) oder ein Beschäftigungsverbot nach § 23. Berlin, den 02. Januar 2019 In Vertretung Martin Matz Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung