Drucksache 18 / 17 398 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) vom 07. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Januar 2019) zum Thema: Zeit für Pflege und Familie? und Antwort vom 21. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Jan. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17 398 vom 07. Januar 2019 über Zeit für Pflege und Familie? ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nur zum Teil in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend um eine Zuarbeit gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird bei der Beantwortung der Fragen 5. – 7. wiedergegeben. 1. Wie viele Berlinerinnen und Berliner werden als Pflegebedürftige von ihren Angehörigen zu Hause gepflegt? Bitte aufgeteilt nach Bezirken. Zu 1.: Nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg wurden 2017 insgesamt 106.410 Pflegebedürftige in der eigenen Häuslichkeit versorgt. Davon bezogen 71.860 Personen ausschließlich Pflegegeld, d.h. sie erhielten keine weiteren Leistungen der ambulanten oder stationären Pflege. 10.983 Personen bezogen eine Kombinationsleistung von Pflegegeld und ambulanter Pflege. 23.567 Pflegebedürftige beziehen ambulante Pflege durch Pflegedienste. Daher ist insbesondere bei den insgesamt 82.843 Personen, die Pflegegeld beziehen, davon auszugehen, dass sie von Angehörigen gepflegt werden, aber auch bei den Bezieherinnen und Beziehern von Pflegesachleistungen kann angenommen werden, dass ein Großteil von Angehörigen weitere Unterstützung erfahren. Das Amt für Statistik teilt mit, dass die Daten nicht nach Bezirken differenziert vorliegen. Entsprechend der Pflegestatistik ist davon auszugehen, dass insgesamt 78,4% (106.410) der 135.680 Pflegebedürftigen in Berlin zu Hause versorgt werden und in diesem Versorgungssetting fast immer Angehörige beteiligt sind. 2. Wie hoch ist der Altersdurchschnitt dieser Pflegebedürftigen, die durch Angehörigen zu Hause gepflegt wird, in Berlin?? - 2 - 2 Zu 2.: Eine Angabe zum Altersdurchschnitt der Pflegegeldempfangenden liegt nicht vor, daher wird auf die aussagekräftige Verteilung der Pflegegeldempfangenden nach Altersgruppen verwiesen (vgl. Tabelle 1). Demnach waren am Jahresende 2017 unter allen Empfängerinnen und Empfängern von Pflegegeld in Berlin 56 % 75 Jahre und älter, 16 % zwischen 65 und 75 Jahren und weit mehr als jede/r Vierte (28 %) zwischen 0 und 65 Jahre alt. Unter den ausschließlich durch Angehörige gepflegten Personen in Berlin waren mehr als die Hälfte 75 Jahre und älter (53 %), 16 % zwischen 65 und 75 Jahren und 31 % zwischen 0 und 65 Jahre alt. Das Amt für Statistik teilt mit, dass die Daten nicht nach Bezirken differenziert vorliegen. 3. Wie hoch ist der Altersdurchschnitt der pflegenden Angehörigen in Berlin? Zu 3.: Nach Mitteilung des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg liegen zur Frage nach dem Altersdurchschnitt der pflegenden Angehörigen keine Daten vor. 4. Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Berlin haben von Januar 2012 bis einschließlich Dezember 2018 das Pflegeunterstützungsgeld nach dem Gesetz über die Familienpflegezeit (FPfZG) genutzt? Bitte aufgeteilt nach Bezirken und nach Frauen bzw. Männern. Zu 4.: Das Pflegeunterstützungsgeld wird durch die Pflegekassen der zu Pflegenden ausgezahlt. Daten Anzahl, Geschlecht oder Arbeitsort der Personen, die das Pflegeunterstützungsgeld in Anspruch nehmen, liegen dem Senat nicht vor. 5. Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Berlin haben im Zeitraum von Januar 2012 bis einschließlich Dezember 2018 ein zinsloses Darlehen während der Familienpflegezeit in Anspruch genommen? Bitte aufgeteilt nach Bezirken. Tabelle 1: Pflegegeldempfänger/innen nach Altersgruppen am 15.12.2017 in Berlin unter 15 15 - 65 65 - 70 70 - 75 75 - 80 80 - 85 85 - 90 90 - 95 95 u. ält. 82.843 4.452 18.933 5.794 7.456 12.799 13.987 11.093 6.438 1.891 100,0 5,4 22,9 7,0 9,0 15,4 16,9 13,4 7,8 2,3 71.860 4.336 17.618 5.172 6.604 10.979 11.793 8.989 4.979 1.390 100,0 6,0 24,5 7,2 9,2 15,3 16,4 12,5 6,9 1,9 (Datenquelle: AfS Berlin-Brandenburg / Berechnung und Darstellung: SenGPG - II A 5 -) 1 Ohne Empfänger/innen v. Kombinationsleistungen, die bereits bei der ambulanten o. stationären Pflege berücksichtigt sind - Stichtag 31.12.2017. Altersgruppe von … bis unter … Jahren Pflegegeld insgesamt % ausschließlich Pflegegeld 1 % insgesamt - 3 - 3 Zu 5.: In diesem Zeitraum haben 46 Personen ein zinsloses Darlehen in Anspruch genommen. Ein Aufteilung nach Bezirken ist nicht möglich. 6. Wie hoch waren diese Darlehen im Durchschnitt? Zu 6.: Die Darlehen beliefen sich im Durchschnitt auf 5.732,57 Euro. 7. Wie viele dieser zinslosen Darlehen wurden bereits vollständig zurückgezahlt, wie viele nur anteilig? Zu 7.: Bislang haben nur drei Personen das Darlehen vollständig zurückgezahlt, 31 Personen anteilig. 8. Wie viele Kinder und Jugendliche kümmern sich in Berlin um pflegebedürftige Angehörige? Bitte aufgeteilt nach Bezirken. Zu 8.: Siehe Antwort zu Frage 3., statistische Angaben liegen nicht vor. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung hat 2017 die Evaluation „Pflegende Kinder und Jugendliche in Berlin – Analyse der Ist-Situation und Handlungsempfehlungen “ in Auftrag gegeben. Die Evaluation führte die Fachstelle für pflegende Angehörige in Trägerschaft des Diakonischen Werks Berlin Stadtmitte e.V. durch. Befragt wurden 630 Schülerinnen und Schüler der Altersstufe 12 – 17 an 6 Berliner Schulen in den Bezirken Reinickendorf, Neukölln, Treptow-Köpenick, Mitte und Lichtenberg. Rund 6,8 % der Befragten waren aktiv in Sorgearbeit für pflegebedürftige Angehörige eingebunden. 9. Ist dem Senat das Projekt „Pausentaste – Wer anderen hilft, braucht manchmal selber Hilfe“ bekannt und wie bewertet der Senat dessen Umsetzung in Berlin? Was wird konkret darüber hinaus getan, um Kinder und Jugendliche in dieser Situation in Berlin zu unterstützen? Zu 9.: Das Projekt „Pausentaste“ ist dem Senat bekannt und wird inhaltlich unterstützt. Berlin hat über die Fachstelle für pflegende Angehörige als konzeptionierende Stelle und später durch Pflege in Not als Umsetzer für die Beratungspraxis im Bereich der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflege eingebunden sind, Pionierarbeit geleistet. - 4 - 4 Die Fachstelle beteiligte sich bereits 2012 - 2014 am europäischen Austauschprojekt „Toyac – Together for young adult carers“ über die europäische Erasmus + Förderung und initiierte in den Jahren 2015 - 2018 das europäische Folgeprojekt EPYC (Empowering Professionals to support young carers), wofür das Diakonische Werk Berlin Stadtmitte e.V. die europäische Projektkoordination übernahm. Hieraus sind Arbeitshilfen (Broschüren und Plakate) für den Pflege- und Bildungsbereich entstanden. Des Weiteren finanziert die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung von Berlin mit Unterstützung der AOK Nordost das Online-Beratungsangebot „echt unersetzlich“. Die Online-Beratung „echt unersetzlich…!?“ von „Pflege in Not“ in Trägerschaft des Diakonischen Werkes Berlin-Stadtmitte bietet Unterstützung und Begleitung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Pflegeverantwortung an. Zusätzlich zur Online-Information und zur persönlichen und telefonischen Beratung bietet die Onlineberatung krankheitsübergreifend und anonym Hilfestellungen für Betroffene an. Über „echt unersetzlich…!?“ werden auch Multiplikatorenschulungen für den Bereich Bildung und Pflege, bei Bedarf Einzel- oder Familiengespräche sowie eine Impro-Theater- Gruppe angeboten. 10. Welche konkreten Förderungs- und Unterstützungsmöglichkeiten bietet das Land Berlin, wenn Angehörige den Pflegebedürftigen/die Pflegebedürftige zu Hause pflegen und ein barrierefreies Wohnen ermöglicht werden muss? Zu 10.: Bauliche Wohnanpassungsmaßnahmen können von der Pflegekasse bezuschusst werden, „wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird“ (§ 40 Abs. 4 Sozialgesetzbuch XI). Die Berliner Pflegestützpunkte als wohnortnahe Anlaufstellen für ältere Menschen, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen informieren, beraten und unterstützen unabhängig und kostenfrei bei allen Fragen zur Pflege sowie rund ums Alter und im Vorfeld von Pflege. Die Träger der Pflegestützpunkte Berlin sind die Berliner Kranken- und Pflegekassen und das Land Berlin. Die Beratung erfolgt telefonisch, im Pflegestützpunkt oder bei den Betroffenen zu Hause. Auf Wunsch koordinieren die Pflegestützpunkte die notwendigen Hilfen. In jedem Bezirk gibt es speziell geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Rahmen von Hausbesuchen Bedarfe zur Wohnraumanpassung erheben und gemeinsam mit den Betroffenen Anträge bei den Pflegekassen auf finanzielle Unterstützung sowie bei der Wohnungsbaugesellschaft auf Umbaugenehmigung stellen. 11. Welche konkreten Unterstützungsmöglichkeiten gibt es in Berlin, wenn es um die Förderung gemeinschaftlicher Wohnprojekte von Pflegebedürftigen geht? Zu 11.: In Berlin haben sich die ambulant betreuten Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen seit 1995 zu einem wichtigen Teil der Versorgung entwickelt. Aktuell hat Berlin ein sehr umfagreiches und differenziertes Angebot vorzuweisen und ist damit Vorreiter im Bundesgebiet. - 5 - 5 Die hohe Attraktivität dieser Wohnform zeigt sich in der kontinuierlich steigenen Anzahl der Pflege-Wohngemeinschaften mit insgesamt ebenfalls stetig steigenden Platzzahlen. Es besteht der ausdrückliche Wille des Senats, diese innovative Wohnform im Bereich der Pflege zu befördern und weiterzuentwickeln. Als selbstbestimmte Wohnform erfolgt keine direkte Unterstützung von pflegerisch betreuten Wohngemeinschaften durch den Senat. Neben dem Beratungsangebot der Berliner Pflegestützpunkte unterstützen insbesondere die Vereine „Selbstbestimmtes Wohnen im Alter (SWA) e.V.“ und „Freunde alter Menschen e.V.“ die Interessen von Menschen mit Demenz und Projekte, Wohn- und Betreuungsformen, die dazu dienen, diesen Menschen ein würdiges und ihrer Situation angemessenes Leben zu ermöglichen. Berlin, den 21. Januar 2019 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung