Drucksache 18 / 17 416 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Maren Jasper-Winter (FDP) vom 08. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Januar 2019) zum Thema: Beratung und Betreuung von Müttern und Vätern nach Fehlgeburten und Totgeburten und Antwort vom 28. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Jan. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Dr. Maren Jasper-Winter (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17416 vom 08. Januar 2019 über Beratung und Betreuung von Müttern und Vätern nach Fehlgeburten und Totgeburten Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Totgeborene wurden in den Berliner Geburtskliniken in den letzten zehn Jahren erfasst? Zu 1.: Von den Berliner Geburtskliniken werden jährlich die im Krankenhaus Geborenen der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung gemeldet. Hierbei handelt es sich um Meldungen nach dem Ereignisprinzip (im Berliner Krankenhaus geboren). Es sind demnach nicht nur die Berliner Geborenen. Dazu geben die Daten des Amtes für Statistik Berlin Brandenburg Auskunft. Diese Daten werden nach dem Wohnortprinzip erhoben (41.236 Geborene, darunter 150 Totgeborene im Jahr 2016). Lebendgeborene absolut % 2006 31.042 151 124 82,1 2007 32.879 161 130 80,7 2008 33.784 193 146 75,6 2009 32.680 183 145 79,2 2010 35.085 197 161 81,7 2011 34.696 195 162 83,1 2012 34.483 197 157 79,7 2013 34.737 215 174 80,9 2014 38.971 232 165 71,1 2015 39.839 210 173 82,4 2016 42.433 226 180 79,6 (Datenquelle: SenGPG Berlin / Berechung: SenGPG - I A -) unter 2.500 g Gemeldete Geborene 2006-2016 in Berlin - Meldungen durch Krankenhäuser Jahr In Krankenhäusern Geborene Totgeborene insgesamt insgesamt - 2 - 2 Im Rahmen einer befristet eingeführten Quartalmeldung der Geburtskliniken meldeten die Berliner Krankenhäuser für 2018 insgesamt 207 Totgeburten. Für 2017 meldeten sie 229 Totgeburten. 2. Wie viele Fehlgeburten wurden in Berlin in den letzten zehn Jahren erfasst? Zu 2.: Fehlgeburten werden nicht erfasst. 3. Wie häufig treten Totgeburten im Verhältnis zu Lebendgeburten in den einzelnen Geburtskliniken in Berlin auf? Zu 3.: Aufgrund der Geheimhaltungspflicht nach § 16 des Landesstatistikgesetzes dürfen Angaben der einzelnen Geburtskliniken nicht veröffentlicht werden. Auf Wunsch können die Daten der einzelnen Geburtskliniken dem Parlament unter Zusicherung der Wahrung der Vertraulichkeit zugänglich gemacht werden. 4. Wie viele Kinder starben in Berlin in den letzten 10 Jahren kurz nach der Geburt, d.h. innerhalb von 28 Tagen? Zu 4.: 5. Gibt es in Berlin ein Totgeburtenregister, in dem die Kinder erfasst werden und in dem untersucht wird, welche Ursachen zum Tod geführt haben könnten? absolut je 1.000 Lebendgeborene 2016 41.086 142 101 2,5 Vgl. zum Vorjahr % 8,0 17,4 20,2 11,7 2015 38.030 121 84 2,2 2014 37.368 103 75 2,0 2013 35.038 124 83 2,4 2012 34.678 87 58 1,7 2011 33.075 107 64 1,9 2010 33.393 101 65 1,9 2009 32.104 124 88 2,7 2008 31.936 108 69 2,2 2007 31.174 109 66 2,1 2006 29.627 108 69 2,3 (Datenquelle: AfS Berlin-Brandenburg / Berechnung: SenGPG - I A - ) Gestorbene im 1. Lebensjahr Säuglingssterblichkeit (Neonatalsterblichkeit) in Berlin 2006 - 2016 - absolut und je 1.000 Lebendgeborene Jahr Lebendgeborene insgesamt absolut dav. im Alter von 0 bis 27 Tagen (Neonatalsterblichkeit ) - 3 - 3 Zu 5.: Es gibt in Berlin kein Totgeburtenregister. 6. Gibt es in Berlin Beratungsangebote bzw. Betreuungsangebote für die Mütter und Väter nach einer Fehlgeburt ? Wenn ja, inwiefern werden Mütter und Väter auf dieses Angebot aufmerksam gemacht? 7. Gibt es ein Beratungs- bzw. Betreuungsangebot für die Mütter und Väter nach einer Totgeburt oder nach Versterben des Kindes nach einer Geburt? Wenn ja, um welche Angebote handelt es sich? Findet dieses noch im Krankenhaus statt? In welcher Form und in welchen zeitlichen Umfang werden diese durch die Krankenhäuser bzw. in den Krankenhäusern angeboten (bitte für die einzelnen Geburtskliniken aufschlüsseln )? Wieviel Personal steht für diese Aufgabe in den einzelnen Krankenhäusern zur Verfügung? Zu 6. und 7: Im Krankenhaus stehen Hebammen, Seelsorger/innen oder Psychologen/innen den Eltern nach einer Fehl- oder Totgeburt bei. Form und Umfang dieses Angebotes liegen in der Organisationshoheit der Krankenhäuser. Hebammen begleiten Frauen/Eltern auch während der Geburt eines bereits verstorbenen Kindes. Die meisten Kliniken versuchen in diesem Zusammenhang, die Geburten in besonders geschützter Atmosphäre und in einer 1:1-Betreuung zu begleiten, was aufgrund der bekannten Personal- und Raumproblematik leider nicht immer möglich ist. Nach einer Totgeburt stehen den Eltern im Krankenhaus Gynäkologen/innen, Kinderärzte/innen, Hebammen , Seelsorger/innen oder Psychologische Psychotherapeuten/innen bei. In fast allen Kliniken können Nottaufen durch das Personal vorgenommen werden und es wird Material zur Aufbettung des verstorbenen Kindes und für die Gestaltung von Erinnerungsstücken bereitgestellt. Dies sind wichtige Angebote für die Trauerbegleitung. Weiterhin können Eltern dort Informationen über ambulante Angebote erhalten, da die weitere Trauer- Begleitung im ambulanten Bereich stattfindet. Der TABEA e.V., der auch Flyer an die Geburtskliniken versendet, ist z. B. seit 1992 in Berlin im Bereich der Sterbe- & Trauerbegleitung tätig. Dort werden therapeutisch geleitete Einzel- und Paargespräche sowie therapeutisch geleitete Trauergruppen für verwaiste Babyeltern, deren Baby (ca.) ab der 30. Schwangerschaftswoche (SSW) bis drei Monate nach der Geburt gestorben ist, angeboten . Die Initiatorin und Leiterin ist Diplom-Pädagogin und evangelische Theologin mit diversen weiteren Qualifikationen. Darüber hinaus gibt es verschiedene andere Anlaufstellen , wie profamilia oder die AWO sowie Angebote der Selbsthilfe (z.B. Sternenkinder). Medizinisch übernehmen nach der Entlassung Gynäkologen/innen die Betreuung von Frauen nach einer Fehl- und Totgeburt. Sind Eltern durch die Trauer so belastet, dass eine „Störung mit Krankheitswert“ vorliegt, stehen grundsätzlich in Berlin tätige Psychotherapeuten /innen für die Behandlungen zur Verfügung. Frauen haben auch bei Totgeburten Anspruch auf Hebammenbetreuung, Rechtsgrundlagen sind §§ 24c ff SGB V (Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt) sowie § 134a SGB V, der die Vergütung von Hebammenleistungen in der GKV für die freiberuflich tätigen Hebammen regelt (https://www.hebrech.de/januar2018.html). Zusätzlich werden im Rahmen des Integrierten Gesundheitsprogrammes (IGP) zwei Projekte gefördert, die Beratungs- und Betreuungsangebote für Eltern nach Fehl- und Totgeburten machen. Dies sind die Beratungsstelle Familienzelt des Trägers Selbstbestimmte Geburt und Familie e.V. und das Familienplanungszentrum BALANCE Berlin. - 4 - 4 Das Familienzelt berät und begleitet Frauen und Männer nach Fehlgeburt, Totgeburt und Tod eines Babys. Für Ratsuchende, die zusätzlich an dem Austausch mit anderen Betroffenen interessiert sind, wird einmal monatlich eine fachlich geleitete Gruppe für verwaiste Eltern angeboten. Das Angebot wird kommuniziert durch Flyer und auf der Homepage . Das Projekt ist vernetzt mit gynäkologischen Praxen, Hebammen und Geburtskliniken , die das Angebot kennen und betroffene Eltern zum Projekt empfehlen. Der Hilfebedarf wird vom Projekt höher eingeschätzt, weitere Angebote können jedoch aufgrund fehlender personeller Ressourcen nicht gemacht werden. Im Familienplanungszentrum BALANCE stehen Psychologinnen grundsätzlich auch für die Beratung und Begleitung für Eltern (sowohl Mütter als auch Väter) nach Fehlgeburt oder Totgeburt zur Verfügung. Eine spezielle Bekanntmachung hierzu erfolgt nicht. Darüber hinaus haben Familien die Möglichkeit, sich während der Schwangerschaft durch Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen beraten zu lassen. Sollte es während dieser Zeit zu einem Verlust des Kindes kommen, stehen auch die in den Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Betroffenen zur Seite. Eine Übersicht über die Schwangerenberatungsstellen finden Interessierte auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Gesundheit und auch im Mutterpass (Einlegeblatt). Weitere Informationen können sich die Familien dann auf den jeweiligen Internetseiten der Beratungsstellen einholen. Die Schwangerenberatungsstellen können auch auf ein breites Netzwerk verschiedener Projekte zurückgreifen, um in schwierigen Fällen entsprechend zu vermitteln. Zusätzlich können Betroffene über das Internetprotal www.berlin.de https://www.berlin.de/familie/de/informationen/tod-eines-kindes-95#externe_verweise Informationen zum Thema Fehlgeburt und Tod eines Kindes einholen. Neben allgemeinen Informationen zu diesem Thema werden hier auch Links zu Beratungsstellen , welche auf dieses Thema spezialisiert sind, aufgeführt: • TrauerZeit - Zentrum für trauernde Kinder und Familien • Verwaiste Eltern und Geschwister Deutschland e. V. • Verein zur Förderung der Bestattungs- und Trauerkultur e. V. • Deutscher Kinderhospizverein • Bundesverband Kinderhospiz • Björn Schulz Stiftung • Sonnenhof 8. Auf welchen Stationen arbeiten die Personen, die die Beratungs- bzw. Betreuungsangebote durchführen? Werden diese Personen, falls sie auch in anderen Bereichen arbeiten, für diese Aufgabe freigestellt. Wenn ja in welchem Umfang? Zu 8.: Hierzu liegen keine Angaben vor. 9. Welche Qualifizierung haben die Personen, die die Beratungs- bzw. Betreuungsangebote durchführen? Gibt es eigene Weiterbildungsmaßnahmen speziell für diesen Bereich? - 5 - 5 Zu 9.: Die hochsensible Thematik der Beratung und Betreuung von Müttern und Vätern nach Fehlgeburten und Totgeburten, die auch viele juristische Aspekte beinhaltet, wird in der Ausbildung durch das bundesrechtlich geregelte Hebammengesetz und durch die Ausbildungs - und Prüfungsverordnung sowie durch die Europäische Richtlinie 2013/55/EU über die Anerkennung der Berufsqualifikationen vermittelt. In der landesrechtlich geregelten Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger sind die wichtigsten Befugnisse und Berufspflichten der Hebammen für ihre Berufsausübung normiert. Examinierte Hebammen sind entsprechend dieser Berufsordnung verpflichtet , an Fortbildungsmaßnahmen im Umfang von 45 Stunden in einem Zeitraum von jeweils drei Jahren teilzunehmen. Als geeignete Fortbildungsmaßnahmen werden Veranstaltungen , Kongresse, Tagungen und Qualitätszirkel anerkannt, die sich auf das ausgeübte Tätigkeitsspektrum der Hebamme beziehen. Zu den berufsaufgabenbezogene Fortbildungen gehören im Bereich des Wochenbettes auch „krisenhafte Zustände nach der Geburt“. Die Mitarbeiterinnen des Familienzelts verfügen über Zusatzqualifikationen in Beratung und/oder Therapie bzw. sind in Weiterbildung. Eine Mitarbeiterin hat an einer spezifischen Fortbildung zu Trauerbegleitung des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin- Brandenburg teilgenommen. Im Familienplanungszentrum Balance haben die Psychologinnen ein Psychologie-Studium absolviert und eine Weiterbildung (i. d. R. Systemische Therapie und Beratung) abgeschlossen . Berlin, den 28. Januar 2019 In Vertretung Martin Matz Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung