Drucksache 18 / 17 467 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katina Schubert (LINKE) vom 10. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Januar 2019) zum Thema: Verpflichtungserklärungen gem. § 68 Aufenthaltsgesetz und Antwort vom 25. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Jan. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Frau Abgeordnete Katina Schubert (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17467 vom 10. Januar 2019 über Verpflichtungserklärungen gem. § 68 Aufenthaltsgesetz ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft zum Teil Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl um eine sachgerechte Antwort bemüht und hat daher die zuständige Regionaldirektion Berlin-Brandenburg (RD BB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) um Stellungnahme gebeten, die bei der nachfolgenden Beantwortung berücksichtigt ist. 1. Wie viele Verpflichtungserklärungen gem. § 68 Aufenthaltsgesetz wurden im Land Berlin gegenüber der Ausländerbehörde abgegeben? Zu 1.: In den letzten fünf Jahren wurden insgesamt 2.951 Verpflichtungserklärungen abgegeben, davon 1.293 im Rahmen des Berliner Landesaufnahmeprogramms für Familienangehörige syrischer Flüchtlinge. Die Verteilung der Anzahl der abgegebenen Verpflichtungserklärungen auf die einzelnen Jahre können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: 2 Jahr Berliner Landesaufnahmeprogramm für Familienangehörige syrischer Flüchtlinge Insgesamt 2014 303 627 2015 291 628 2016 266 554 2017 208 541 2018 218 585 2019 (bis 15.01.2019) 7 16 2. In wie vielen Fällen wurde eine Verpflichtungserklärung gem. § 68 AufenthG angefochten und aus welchen Gründen? Zu 2.: Bei der Verpflichtungserklärung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.1998 - 1C 33.97). Sie wird wirksam, wenn sie bei der zuständigen Behörde eingeht und amtlich entgegengenommen worden ist. Damit ist sie für die Erklärende bzw. den Erklärenden auch verbindlich. Gemäß § 68 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist die Verpflichtung auf fünf Jahre begrenzt. Wird die abgegebene Verpflichtungserklärung wegen eines Inhaltsirrtums angefochten (vgl. §§ 119 und 142 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), wird die Anfechtung von der Ausländerbehörde zurückgewiesen. Die einseitige Beendigung der Verpflichtungserklärung ist nicht möglich. Sie würde dem Sinn und Zweck der Verpflichtungserklärung, nämlich die finanzielle Absicherung der Einreise, zuwiderlaufen. In diesem Zusammenhang wird auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 26.01.2017 - BVerwG 1 C 10.16 hingewiesen, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2, Abschnitt 5 des AufenthG nach Einreise mit einem Visum für den Aufenthalt nach § 23 AufenthG keinen Wechsel des Aufenthaltszwecks darstellt. In Berlin wurden und werden die Verpflichtungsgeberinnen und Verpflichtungsgeber zusätzlich im Rahmen einer Zusatzerklärung durch das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) u. a. darauf hingewiesen, dass auch alle Kosten einer möglichen zwangsweise durchzusetzenden Ausreisepflicht zu erstatten sind und die Verpflichtungserklärung auch dann nicht erlischt, wenn ein Asylantrag gestellt oder ein humanitärer Titel erteilt wird, da der Grund der Aufnahme, nämlich die Flucht vor den Kriegshandlungen, unverändert fortbesteht. Soweit sich Verpflichtungsgeberinnen und Verpflichtungsgeber durch die Inanspruchnahme durch ein Jobcenter finanziell überfordert fühlen, so können sie sich mit diesem Anliegen an das zuständige Jobcenter wenden, das die Verpflichtungsgeberin oder den Verpflichtungsgeber aus der Erklärung in Anspruch nimmt. Gegebenenfalls hat dieses im Ermessen zu entscheiden, in welchem Umfang der Erstattungsanspruch geltend gemacht wird und ob und inwieweit ggf. Zahlungserleichterungen gewährt werden können. Wie viele Verpflichtungserklärungen ggf. im Zusammenhang mit den dargestellten rechtlichen Fragestellungen bislang angefochten worden sind, wird statistisch nicht erhoben, so dass dazu keine Angaben gemacht werden können. 3 3. Wie viele Anfechtungserklärungen werden zurzeit gerichtlich geklärt? Zu 3.: Wie viele angefochtene Verpflichtungserklärungen derzeit in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren geklärt werden, wird statistisch nicht erhoben, so dass dazu keine Angaben gemacht werden können. 4. In wie vielen Fällen haben die Berliner Jobcenter Erstattungsforderungen gegenüber Personen geltend gemacht, die Verpflichtungserklärungen gem. § 68 AufenthG abgegeben haben? (Bitte nach Jobcentern aufschlüsseln.) Zu 4.: Es liegen 30 Fälle vor (Jobcenter Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf: 8; Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg: 2; Jobcenter Berlin Lichtenberg: 1; Jobcenter Berlin Neukölln: 6; Jobcenter Berlin Pankow: 1; Jobcenter Berlin Spandau: 1; Jobcenter Berlin Steglitz-Zehlendorf: 5; Jobcenter Berlin Treptow-Köpenick: 5; Jobcenter Berlin Tempelhof-Schöneberg: 1). 5. Wie viele Widerspruchs- und Klageverfahren gegen Erstattungsforderungen durch die Berliner Jobcenter sind derzeit anhängig? (Bitte nach Jobcentern aufschlüsseln.) Zu 5.: Es liegen berlinweit 20 Widersprüche vor (Jobcenter Berlin Charlottenburg- Wilmersdorf: 8; Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg: 2; Jobcenter Berlin Neukölln: 6; Jobcenter Berlin Steglitz-Zehlendorf: 4). Berlinweit ist eine Klage anhängig (Jobcenter Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf). 6. In wie vielen Fällen wurden Erstattungsforderungen gegenüber Personen, die Verpflichtungserklärungen gem. § 68 AufenthG abgegeben haben, im Zuge der Verwaltungsvollstreckung eingezogen? (Bitte nach Jobcentern aufschlüsseln.) Zu 6.: Es ist kein Fall bekannt. In einem Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 16. März 2018 an die Bundesagentur für Arbeit wurde mitgeteilt, dass Erstattungsforderungen gegen Verpflichtungsgeberinnen und Verpflichtungsgeber fristwahrend festgesetzt werden, diese jedoch zunächst befristet niederzuschlagen seien, so dass keine Vollstreckung erfolge. Dies basiere auf einer Verständigung des BMAS mit dem Bundesministerium des Inneren, dem Bundeskanzleramt sowie den Ländern Hessen und Niedersachsen. 7. In wie vielen Fällen wurde gem. § 44 SGB II wegen Unbilligkeit der Einziehung auf eine Erstattung verzichtet? (Bitte nach Jobcentern aufschlüsseln.) Zu 7.: Es ist kein Fall bekannt. 8. Wie hoch ist die Gesamtsumme der bereits festgesetzten Erstattungsforderungen der Berliner Jobcenter gegenüber Personen, die Verpflichtungserklärungen gem. § 68 AufenthG abgegeben haben? (Bitte auch nach Jobcentern aufschlüsseln.) Zu 8.: Die Gesamtsumme beträgt 618.550,18 € (Jobcenter Berlin Charlottenburg- Wilmersdorf: 123.491,34 €; Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg: 16.723,46 €; Jobcenter Berlin Lichtenberg: 16.813,76 €; Jobcenter Berlin Neukölln: 231.786,71 €; 4 Jobcenter Berlin Pankow: 101,40 €; Jobcenter Berlin Spandau: 1.781,88 €; Jobcenter Berlin Steglitz-Zehlendorf: 102.556,82 €; Jobcenter Berlin Treptow-Köpenick: 96.378,58 €; Jobcenter Berlin Tempelhof-Schöneberg: 28.916,23 €). 9. Welche der unter 8. genannten bereits festgesetzten Erstattungsbeträge entfallen auf kommunale Leistungen? (Bitte nach Art der Leistung und Höhe der festgestellten Erstattungsforderungen aufschlüsseln.) Zu 9.: Diese Zahl liegt nicht vor. 10. Wie hoch ist die Gesamtsumme der noch festzusetzenden Erstattungsforderungen der Berliner Jobcenter gegenüber Personen, die Verpflichtungserklärungen gem. § 68 AufenthG abgegeben haben? (Bitte auch nach Jobcentern aufschlüsseln.) Zu 10.: Die Gesamtsumme beträgt 1.287.572,42 € (Jobcenter Berlin Charlottenburg- Wilmersdorf: 41.151,53 €; Jobcenter Berlin Lichtenberg: 154.192,68 €; Jobcenter Berlin Marzahn-Hellersdorf: 166.525,16 €; Jobcenter Berlin Mitte: 119.656,56 €; Jobcenter Berlin Neukölln: 15.060,28 €; Jobcenter Berlin Pankow: 141.007,47 €; Jobcenter Berlin Reinickendorf: 85.595,12 €; Jobcenter Berlin Spandau: 221.763,20 €; Jobcenter Berlin Steglitz-Zehlendorf: 142.132,03 €; Jobcenter Berlin Tempelhof-Schöneberg: 200.488,39 €). 11. Welche der unter 10. genannten noch festzusetzenden Erstattungsbeträge werden voraussichtlich auf kommunale Leistungen entfallen? (Bitte nach Art der Leistung und Höhe der festgestellten Erstattungsforderungen aufschlüsseln.) Zu 11.: Diese Zahl liegt nicht vor. 12. Wie hoch ist die durchschnittliche Erstattungsforderung (der JC, Anm. SenIAS) gegenüber Personen, die Verpflichtungserklärungen gem. § 68 AufenthG abgegeben haben? Zu 12.: Diese Zahl liegt nicht vor. 13. Welche Maßnahmen wurden bundes- und landesseitig vorgenommen oder sind ggf. geplant, um angesichts der Vielzahl von in Anspruch genommenen Bürg*innen diese zu entlasten? Zu 13.: In der Vergangenheit sind insbesondere die Bundesländer Hessen, Nordrhein- Westfalen und Niedersachsen an den Bund herangetreten, um eine Entlastung der Bürginnen und Bürgen zu erreichen. Auch auf der Integrationsminister- sowie der Innenministerkonferenz im Jahre 2017 wurde das Thema Verpflichtungserklärung diskutiert. Hintergrund war und ist, dass im Rahmen der Programme der Länder zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge viele Verpflichtungsgeberinnen und Verpflichtungsgeber bei der Abgabe ihrer Verpflichtungserklärung davon ausgegangen sind, dass ihre Verpflichtung mit der Anerkennung der Betroffenen bzw. des Betroffenen als Schutzberechtigte bzw. Schutzberechtiger endet. Diese Anliegen werden vom Land Berlin unterstützt. In einigen Ländern sehen sich Betroffene mit hohen Rückforderungen von öffentlichen Leistungen konfrontiert. Ende des Jahres 2018 haben Gespräche zwischen dem Bund und den vorgenannten Ländern stattgefunden. Darüber hinaus 5 wurde diese Thematik auch auf der letzten Konferenz der Innenministerinnen und Innenminister der Länder beraten. Die weitere Entwicklung dazu bleibt daher abzuwarten. Berlin, den 25. Januar 2019 In Vertretung Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales