Drucksache 18 / 17 527 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Kay Nerstheimer (fraktionslos) vom 15. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Januar 2019) zum Thema: Unterliegen die Berliner Finanzämter den Verwaltungsrichtlinien gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz? und Antwort vom 28. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Jan. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1/3 Senatsverwaltung für Finanzen Herrn Abgeordneten Kay Nerstheimer (fraktionslos) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17527 vom 15.1.2019 über „Unterliegen die Berliner Finanzämter den Verwaltungsrichtlinien gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz ?“ ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Unterliegen die Berliner Finanzämter den Verwaltungsrichtlinien gemäß dem Verwaltungsverfahrensgesetz ? Wenn Ja, warum? Wenn Nein, warum nicht? Sachverhalt: Durch die Verweigerung einzelner Berliner Finanzämter haben Bürger keinerlei Chancen Akteneinsicht (AE) zu erlangen, um Rechtsmittel gegen Verwaltungsvorgänge etc. einzulegen. Nach persönlicher Vorsprache von Bürgern in den Berliner Finanzämtern, erhielten diese recht widersprüchliche Aussagen bzw. nicht die ihnen zustehende Akteneinsicht nach VwVfG § 29, BE VwVfG § 6 "Akteneinsicht durch Beteiligte". In einigen Fällen kam es zu teils lautstarken und vielschichtigen Begründungen die nicht rechtlich belegt erschienen, z. B. "es gäbe keine Akten (trotz vorh. Aktenzeichen) und es gäbe keine Pflicht zur Aktenführung". Einige Mitarbeiter verweigerten regelrecht das Recht auf Einsicht und forderten zum Verlassen des Hauses auf. In einem Finanzamt wurde der Bürger sogar aufgefordert, die vorgeschriebene "Paginierung" auf den vorhandenen Schriftstücken gemäß § 58 Abs. 3 GGO I, selbst vorzunehmen, da sich die Angestellten der Finanzbehörde nicht imstande fühlten, diese Arbeit auszuführen, obwohl es in der Verwaltungsvorschrift sowie durch das B-VG gesetzlich geregelt ist. Der § 55 wurde hier demnach ebenfalls außer Acht gelassen. Zu 1.: Die Berliner Finanzämter verwalten als Landesfinanzbehörden (§§ 2, 17 Finanzverwaltungsgesetz ) vornehmlich bundesgesetzlich aber auch landesgesetzlich geregelte Steuern. Diese Verwaltungsverfahren in Steuersachen richten sich nach den Vorschriften der Abgabenordnung. Das Verwaltungsverfahrensgesetz gilt insoweit nicht (§ 1 Abs. 1 des Berliner Verwaltungsverfahrensgesetzes i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes). Nur soweit Berliner Finanzämter in anderen Verwaltungsverfahren tätig werden, unterliegen sie den Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes . Dies ist beispielsweise in bestimmten Fällen der Amtshilfe für andere Behörden der Fall. 2/3 2. Gemäß der Geschäftsordnung für Finanzämter (FAGO 2010, Abs. 1.2) sind die Mitarbeiter des Finanzamtes angehalten, dem Bürger höflich und mit Verständnis gegenüberzutreten. Wie rechtfertigen die Verantwortlichen dieses Verhalten der Dienstleister, wie oben beschrieben? Sind den Mitarbeitern in den Finanzämtern auch die Gemeinsame Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung GGO I bekannt? Eine explizite Schulung der Mitarbeiter durch die jeweiligen Verantwortlichen ist nicht erkennbar gewesen. Ist es eine Ermessensfrage, inwieweit den Mitarbeitern eigenmächtiges Handeln gestattet ist (Nichtumsetzung bzw. Abänderung der Verwaltungsvorschriften)? Die betreffenden Finanzämter: - Marzahn-Hellersdorf, Pankow-Weißensee (Verweigerung der AE und Paginierung) - Reinickendorf, Wedding, Charlottenburg (Verweigerung der AE) - Schöneberg (hier wurde der Bürger aufgefordert, das Paginieren selbst vorzunehmen) - Mitte-Tiergarten, Steglitz, Zehlendorf (kamen der Verwaltungsvorschrift u. Auskunft ordnungsgemäß nach). Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) § 29 Akteneinsicht durch Beteiligte (1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung. Soweit nach den §§ 17 und 18 eine Vertretung stattfindet, haben nur die Vertreter Anspruch auf Akteneinsicht. (2) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheim gehalten werden müssen. (3) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten. BE VwVfG § 6 Akteneinsicht durch Beteiligte (1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten. Bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens gilt Satz 1 nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie für die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung. (2) Die Regelungen der §§ 5 bis 12 des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes gelten entsprechend. (3) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. (4) Für Nichtbeteiligte gilt das Berliner Informationsfreiheitsgesetz. (5) § 72 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Regelungen des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes uneingeschränkt auch im Planfeststellungsverfahren gelten. 3/3 GGO I § 58 - Führung der Akten (1) Die Akten sind übersichtlich und in einfacher Form zu führen. Bei elektronischer Vorgangsbearbeitung gehört zur ordnungsgemäßen Führung elektronischer Akten auch die Erfassung der erforderlichen Metadaten für die Akte sowie das darin enthaltene Schriftgut. (2) Erledigtes Schriftgut ist unverzüglich zu den Akten zu nehmen. Zuvor ist zu prüfen, ob alle Teile der Verfügung ausgeführt und mit Erledigungsvermerken versehen sind. (3) Das Schriftgut wird bei papiergebundener Aktenführung in zeitlicher Reihenfolge den Akten regelmäßig in der Weise eingefügt, dass die Schriftstücke von vorn nach hinten geheftet werden, um ein buchmäßiges Lesen zu ermöglichen (chronologische Aktenführung). Die in die Akten eingeordneten Blätter sollen fortlaufend an der rechten oberen Ecke nummeriert werden. (4) Bezieht sich ein Schriftstück auf mehrere Akten, ist es in die Akte zu nehmen, zu der es nach seinem Hauptinhalt gehört. In die anderen Akten ist ein Hinweis, ein Auszug oder eine Kopie zu nehmen mit der Angabe, wo sich das Originalschriftstück befindet. GGO I § 55 Abs. 1 - Zweck und Geltungsbereich (1) Die Schriftgutverwaltung dient der Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns. Stand und Entwicklung der Vorgangsbearbeitung müssen jederzeit im Rahmen der Aufbewahrungsfristen aus den Akten nachvollziehbar sein. Dabei ist zu gewährleisten, dass das zur Akte genommene Schriftgut vollständig und vor Veränderung geschützt verfügbar ist. Diese Anforderungen gelten gleichermaßen für elektronische oder in Papierform geführte Akten. FAGO 2010, Abs. 1.2 Verhältnis Bürgerinnen und Bürger – Verwaltung Das Finanzamt ist ein dem Gemeinwohl verpflichteter Dienstleister. Die Beschäftigten nehmen ihre Aufgaben höflich und mit Verständnis für die Belange der Bürgerinnen und Bürger wahr und erledigen deren Anliegen sachgerecht und zügig. Sie erteilen verständliche Auskunft und gewähren notwendige Hilfe. Zu 2.: Dem Senat ist nicht bekannt, dass die Dienstkräfte der Berliner Finanzämter die Vorgabe der Geschäftsordnung für die Finanzämter (FAGO) zum Umgang mit Bürgern allgemein nicht beachten. Die FAGO regelt die Grundsätze der Organisation bei den Finanzämtern. Soweit darüber hinaus erforderlich, sind den Dienstkräften in den Finanzämtern die Vorschriften der GGO I bekannt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Finanzämter handeln pflichtgemäß. Pauschal erhobene Vorwürfe gegen Bedienstete des Landes Berlin weist der Senat zurück. Berlin, den 28.01.2019 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen