Drucksache 18 / 17 545 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 15. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Januar 2019) zum Thema: Formuliert das Berliner Schulgesetz ein „Toleranzgebot“? und Antwort vom 29. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17545 vom 15. Januar 2019 über Formuliert das Berliner Schulgesetz ein „Toleranzgebot“? ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Die Schriftliche Anfrage Nr. 18/16794 des Abgeordneten Sebastian Walter (GRÜNE) über "Diskriminierung von Schüler*innen an Berliner Schulen" hatte der Senat u.a. wie folgt beantwortet: "Zu 7.b): Berlin wird in der aktuellen Legislatur ein Landesantidiskriminierungsgesetz verabschieden. Das Berliner Schulgesetz (SchulG Bln) formuliert neben dem Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang ein allgemeines Toleranzgebot." Die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17110 des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über „Diskriminierung an Berliner Schulen“ nahm unter 5.) auf diese Antwort an Herrn Walter Bezug: "5.) Der Senat führt u.a. folgendes aus: „Das Berliner Schulgesetz (SchulG Bln) formuliert neben dem Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang ein allgemeines Toleranzgebot.“ Der Begriff der „Toleranz “ findet sich weder im bestehenden Schulgesetz noch in der novellierten Fassung. Wo wird im Schulgesetz ein „allgemeines Toleranzgebot“ formuliert?" Der Senat beantwortete die obige Frage wie folgt: "Zu 5.: Grundlage der Beantwortung von Frage 7b der Schriftlichen Anfrage 18/16794 waren unter anderem die Verfassung von Berlin und das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG). Grundlage dieser Verfassung sind die Grundrechte und Art. 1 Abs. 2 GG nennt ebenso das Bekenntnis zu den Menschenrechten, wie Art. 3 GG das Toleranzgebot formuliert. Die Verfassung von Berlin ist die verbindliche Leitlinie für die Politik im Land Berlin; Gesetze für das Land Berlin müssen sich im Rahmen der Landesverfassung bewegen. Der Begriff Toleranz gehört zwar nicht zum unmittelbaren Wortschatz der Verfassung noch des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, ergibt sich aber aus dem Gesamtsinn. Das Bundesverfassungsgericht entnimmt das Gebot der Toleranz vor allem dem Bekenntnis zur Unantastbarkeit der Menschenwürde." Ein Teil dieser Antwort ist offenbar einem auch online veröffentlichen Aufsatz der früheren Richterin am Bundesverfassungsgericht Jutta Limbach entnommen: "Denn nur der Staat kann die friedliche Koexistenz unterschiedlicher religiöser Überzeugungen garantieren , der selbst in Glaubensfragen Neutralität bewahrt. Der Begriff „Toleranz“ gehört zwar nicht zum unmittelbaren Wortschatz der Verfassung. Doch ergibt sich dieses Prinzip aus dem Gesamtsinn des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht entnimmt das Gebot der Toleranz vor allem dem Bekenntnis zur Unantastbarkeit der Menschenwürde." [Limbach, Jutta: Multikultur und Minderheit. Das Toleranzgebot des Grundgesetzes . Blätter für deutsche und internationale Politik 10/2005. Seite 1222-1229.] 2 1.) Ist die Antwort auf die Frage 5 in Anfrage Nr. 18/17110 dahingehend aufzufassen, daß der Senat davon ausgeht, das Schulgesetz beinhalte ein "Toleranzgebot" zwar nicht explizit, aber doch implizit? Zu 1.: Gemäß § 3 Absatz 3 Nummer 8 Schulgesetz für das Land Berlin (SchulG) handelt es sich bei dem Lernen von Toleranz um ein explizit im Schulgesetz verankertes Bildungs - und Erziehungsziel. Darüber hinaus ergibt sich das Toleranzgebot insbesondere aus den §§ 1 bis 4 SchulG. 2.) Ist der Senat der Auffassung, daß Art. 3 des Grundgesetzes nicht etwa die ungerechtfertigte "Diskriminierung " - also eine äußere Handlung - verbietet, sondern "Toleranz" - also eine innere Gesinnung - gebietet? Zu 2.: Artikel 3 Grundgesetz (GG) garantiert das Gleichheitsgrundrecht und enthält u.a. das Verbot von Ungleichbehandlung sowie Differenzierungsverbote ohne sachlichen Grund. 3.) Welche Auswirkungen wird das geplante Antidiskriminierungsgesetz auf die Berliner Schulen haben ? 4.) Welches Verhältnis besteht zwischen dem geplanten Antidiskriminierungsgesetz und dem geplanten Neutralitätsgesetz? Zu 3. und 4.: Diese Fragen lassen sich zurzeit nicht beantworten, weil es noch kein Antidiskriminierungsgesetz gibt. 5.) Artikel 3 GG untersagt staatlichen Organen, die Zugehörigkeit Einzelner zu Kollektiven auf ungerechtfertigte Weise zu verabsolutieren und in eine Ungleichbehandlung umzusetzen. Die Möglichkeit der Verbandsklage jedoch, wie sie das geplante Antidiskriminierungsgesetz vorsieht, setzt die (Selbst)definition von Kollektiven voraus, deren vermeintliche Benachteiligung es zu beseitigen gelte. Inwiefern lassen sich Verbandsklagen mit dem Wesensgehalt von Artikel 3 GG in Einklang bringen? Zu 5.: Durch die Normierung eines Verbandsklagerechts ist kein Verstoß gegen Artikel 3 GG zu erkennen. Die in Satz 2 von Frage 5 formulierte Annahme ist unzutreffend. Mit der Verbandsklage sollen individuelle Rechtsverletzungen geltend gemacht werden. Berlin, den 29. Januar 2019 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie