Drucksache 18 / 17 546 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 15. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Januar 2019) zum Thema: Lernmittelbefreiungsquote an Berliner Schulen als Indikator sozialer Segregation und Antwort vom 31. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17546 vom 15. Januar 2019 über Lernmittelbefreiungsquote an Berliner Schulen als Indikator sozialer Segregation ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten Für ihre Studie über die Persistenz sozialer Ungleichheiten im Berliner Schulsystem errechneten die Verfasser anhand der Daten für die Lernmittelbefreiung den zeitlichen Verlauf der sozialen Ungleichheit unter Schülern. Tabelle 1: Soziale Segregation in den 3. Klassen der Berliner Schulen (Dissimilarity-Index) in den Schuljahren 2007/08 bis 2015/16 Schuljahr Gesamt West Ost 2007/08 46.86 49.76 40.44 2008/09 47.33 49.84 41.82 2009/10 48.32 49.51 46.07 2010/11 49.33 50.77 46.43 2011/12 48.55 49.16 47.72 2012/13 47.38 47.94 46.63 2013/14 46.96 46.95 47.23 2014/15 47.95 47.89 48.49 2015/16 48.23 47,73 49,34 Die Tabelle zeigt auf, wie hoch der Prozentsatz an Schülern ist, der die Schule wechseln müsste, um die Konzentration lernmittelbefreiter Schüler an bestimmten Standorten zu beseitigen, also deren Gleichverteilung über alle Schulen herzustellen; eine 0 würde eine bereits bestehende vollständige Gleichverteilung bedeuten, eine 100 dagegen die Notwendigkeit, alle Schüler neu zu verteilen. Zwei Ergebnisse sind bemerkenswert: 1.) Die Konzentration lernmittelbefreiter Schüler an bestimmten Standorten nahm nach der Schulreform nicht ab. 2.) Einer Abnahme der Konzentration lernmittelbefreiter Schüler im Westen der Stadt steht eine Zunahme im Osten gegenüber, welche ab 2013/2014 die im Westen auch absolut übersteigt. Ich frage den Senat: 1. Verfügt er für die Jahre 2017/18 über Daten, welche eine Abnahme der Konzentration lernmittelbefreiter - - 2 Schüler belegen und damit dem oben aufgezeigten Trend zuwiderlaufen würden? 2. Verfügt er über sonstige statistische Daten, welche darauf hinweisen, dass die Koalition ihrem Ziel näherkommt , gemeinsames Lernen unabhängig von der sozialen Herkunft durchzuführen? [Marcel Helbig, Nikolai, Rita (2017): Alter Wolf im neuen Schafspelz? Die Persistenz sozialer Ungleichheiten im Berliner Schulsystem, WZB Discussion Paper, No. P 2017-001, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Berlin] Zu 1. und 2.: Die Zusammensetzung der Schülerschaft einer Schule, und damit auch Unterschiede in ihrer sozialen Herkunft, ergibt sich aus der Struktur des jeweiligen Sozialraums sowie aus dem Schulwahlverhalten von Eltern. Somit unterliegt sie keiner zentralen Steuerung. Gemäß § 55a des Berliner Schulgesetzes (SchulG) werden schulpflichtige Kinder von ihren Erziehungsberechtigten an der zuständigen Grundschule angemeldet. Dies ist die Schule, in deren Einschulungsbereich die Schülerin oder der Schüler wohnt. Sofern Erziehungsberechtigte den Besuch einer anderen Grundschule wünschen, können sie dies unter Angabe von Gründen beantragen. Nach Maßgabe freier Plätze und unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien (vgl. § 55 a SchulG, Absatz 2) wird einem solchen Antrag stattgegeben . Desgleichen wählen die Erziehungsberechtigten nach § 56 SchulG die Schulart der Sekundarstufe I, die ihr Kind nach Beendigung der Grundschule besuchen sollen (Elternwahlrecht ). Ein Anspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Schule besteht jedoch nicht, da auch hier Aufnahmekapazitäten und Aufnahmekriterien der gewünschten Schule ausschlaggebend sind. Die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft einer Schule ergibt sich somit aus der gesellschaftlichen Sozialstruktur eines Bezirkes bzw. der Stadt Berlin, dem Anmeldeverhalten der Erziehungsberechtigten und vorhandenen Schulplatzkapazitäten. Entsprechend besteht das Ziel des Senats auch nicht darin, das gemeinsame Lernen unabhängig von der sozialen Herkunft zu realisieren, sondern darin, jede Schülerin und jeden Schüler individuell so zu fördern, dass sie oder er unabhängig von der sozialen Herkunft bestmögliche Bildungsabschlüsse erreicht. Schulen mit einem hohen Anteil lernmittelbefreiter Schülerinnen und Schüler erhalten daher Unterstützung in Form von Strukturmitteln wie zusätzlichen Lehrerstunden insbesondere für Sprachförderung sowie finanziellen Mitteln aus dem Bonusprogramm, die sie eigenverantwortlich für schulische Fördermaßnahmen und entsprechende Projekte verwenden können. Ein hoher Anteil lernmittelbefreiter Schülerinnen und Schüler ist im Übrigen keineswegs ein Indikator für die Qualität einer Schule oder die Leistungsfähigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler – wie Beispiele aus der Praxis zeigen. Berlin, den 31. Januar 2019 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie