Drucksache 18 / 17 562 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Bernd Schlömer (FDP) vom 14. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Januar 2019) zum Thema: Predictive Policing in Berlin – Chancen und Probleme datenanalytischer Prognosetechnik in der Berliner Polizei und Antwort vom 01. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Bernd Schlömer (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17562 vom 14. Januar 2019 über Predictive Policing in Berlin – Chancen und Probleme datenanalytischer Prognosetechnik in der Berliner Polizei ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Erfahrungen hat der Senat mit der Erprobung der Eigenentwicklung „Kriminalitätsprognose Wohnraumeinbruch (KrimPro)“ gemacht und in welcher Weise werden diese Erkenntnisse für eine grundsätzliche Ausfächerung datananalytischer Prognosetechnik in Berlin genutzt? Zu 1.: Die Erfahrungen zeigen, dass die Prognosesoftware „KrimPro“ (Kriminalitätsprognose Wohnraumeinbruch) einen positiven Beitrag als Ergänzung und ggf. auch Weiterentwicklung bereits vorhandener polizeilicher Bekämpfungsansätze und - strategien leisten kann. Derzeit wird geprüft, ob diese Anwendung über den Einsatz im Phänomen Wohnungseinbruch hinaus auch auf weitere Deliktsbereiche erweitert werden kann. 2. In welcher Weise lässt sich ein möglicher Rückgang von Wohnungseinbrüchen in Berlin mit der Anwendung von KrimPro in Zusammenhang bringen? Zu 2.: Ein Zusammenhang zwischen dem Einsatz der Software KrimPro und dem Rückgang der Wohnungseinbrüche, als ein Faktor unter vielen, ist wahrscheinlich, aber wie bei allen polizeilichen Maßnahmen mit präventiver Zielrichtung nicht mit Sicherheit zu belegen. Siehe hierzu auch Antwort zu Frage 7. 3. Handelt es sich bei KrimPro um eine besondere Anwendung oder eine Weiterentwicklung gängiger Datenanalyse-Software - wie etwa SPSS -, die für die speziellen Bedürfnisse der Kriminalitätsbekämpfung in Berlin modifiziert worden ist? Wein Nein, worum handelt es sich bei KrimPro im technischen Sinne? Wenn Ja, von wem wurde KrimPro konkret entwickelt? Zu 3.: Das Verfahren „KrimPro“ nutzt als Datenquelle das polizeiliche Data-Warehouse (DWH). Ein Data-Warehouse ist eine für Analysezwecke optimierte zentrale Daten- Seite 2 von 4 bank (hier Microsoft SQL), die Daten aus mehreren Quellen (hier vornehmlich aus dem Polizeilichen Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS), aber auch andere) zusammenführt und verdichtet. Auf diesen Datenbestand wird anforderungsspezifisch mit sogenannten Data-Marten zugegriffen. Ein Data-Mart ist eine Kopie von Teilbeständen des DWH, die für bestimmte Aufgaben/Analysen zusammengestellt werden. Die aufgabenspezifischen Anforderungen der polizeilichen Dienststellen in Bezug auf neue oder anzupassende Data-Marten werden durch Mitarbeitende der Serviceeinheit Informations- und Kommunikationstechnik (SE IKT) (Gruppe SE IKT C 4 Datawarehouse) mittels MS SQL-Datenbank-Scripts (der Datenlogik entsprechende Zusammenstellung von Standard-SQL-Befehlen) umgesetzt und auf der Standard- Oberfläche von MS SQL-Server Reporting Services bereitgestellt. Sie wurden hierbei von Mitarbeitenden der Firma Microsoft und Oraylis unterstützt. Siehe auch Antwort zu Frage 4. Die Nutzung der so generierten Analysefunktionen (für KrimPro mehrere mit unterschiedlicher Datenlogik) durch die Anwendungsdienststellen erfolgt im Internet Explorer auf der Bedienoberfläche MS-SQL-Server, die entsprechend der MAP- Berechtigungen verfügbar ist. Es wird kein Dialogsystem verwendet. Nach Eingabe von wenigen Suchkriterien werden durch Anklicken von Funktionsschaltflächen relevante Daten aus dem DWH aufbereitet (sogenanntes Data-Mining) und die Suchergebnisse auf dem Bildschirm dargestellt. Dem Anwender stehen letztlich Filterfunktionen zur Verfügung, um die Ergebnisdaten gezielt auszuwerten. Ein Datenexport in Anwendungen (z.B. zu MS Excel) ist ebenfalls möglich. 4. Trifft es zu, dass externe Beratungs- und Unterstützungsdienstleistungen für die Entwicklung dieser Technik in Anspruch genommen worden sind? Wenn Ja, von Wem? Wie hoch waren die Ausgaben für die Beratungs- und Unterstützungsdienstleistungen? Welche vertraglichen Bindungen bestehen zu den Anbietern dieser externen Beratungs- und Unterstützungsdienstleistungen aktuell? Werden die externen Beratungs- und Unterstützungsdienstleistungen aus einem laufenden (Rahmen- )Verträgen finanziert? Welche Rolle spielt das Unternehmen Microsoft hierbei? Zu 4.: Die Entwicklung des Programms bis zum Abschluss des Probelaufs erfolgte überwiegend durch eigene Mittel und Ressourcen der Polizei Berlin unter zusätzlicher Nutzung von Beratungskontingenten der Firmen Microsoft und Oraylis, die im Rahmen der dauerhaften Betreuung der Polizei-IT-Systeme vorhanden waren und somit keine zusätzlichen Ausgaben verursachten. Für die Weiterentwicklung von KrimPro steht seit Ende 2017 ein Kontingent von 100 Beratungstagen (entspricht ca. 200.000 €) zur Verfügung, das derzeit bei weitem noch nicht aufgebraucht ist. Diese Beratungsleistung wird nicht nur für die Anpassung und Fortentwicklung der Programmierung von KrimPro genutzt, sondern auch für das Coaching der polizeilichen Programmierkräfte hinsichtlich moderner Analyseverfahren. Diese Kenntnisse nutzt die Polizei Berlin zunehmend zur eigenständigen Weiterentwicklung der Analysesoftware. 5. Welche Daten bzw. Datenbanken werden für KrimPro herangezogen? Seite 3 von 4 Zu 5.: Der überwiegende Teil der für KrimPro benötigten Daten stammt aus dem Polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem POLIKS in Verbindung mit dem daraus befüllten Data-Warehouse Führungsinformation (siehe Antwort zu Frage 3). Ergänzend dazu werden frei zugängliche infrastrukturelle und demografische Daten des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg hinzugezogen. 6. Wie ist die Datenspeicherung von Auswertungen mithilfe dieser Prognosetechnik konkret geregelt? Ist der Senat auf eine Datenspeicherung bei Dritten angewiesen oder erfolgt die Speicherung von Auswertungen und Daten in selbst betriebenen Rechenzentren? Zu 6.: Es erfolgt keine separate Datenspeicherung, die Analysen erfolgen auf Basis der vorhandenen polizeiinternen Speichersysteme. 7. In der Antwort zur Drucksache 18/10 732 vom 16. März 2017 (Abgeordneter Bachmann, AFD) weisen sie darauf hin, dass eine “statistisch belastbare Evaluation schwierig” sei (Frage 2 und 3). Gleichzeitig stellen sie die Behauptung auf, dass in anderen Ländern die Erfahrungen positive seien, und dass die Polizei in Berlin ebenfalls von positiven Erfahrungen vom Umgang mit KrimPro berichtet. Um welche anderen Länder handelt es sich bei ihrer vergleichenden Analyse? Wie bewerten Experten bzw. Sie den Erfolg in diesen Ländern? Wie evaluiert die Polizei in Berlin die Nutzung von KrimPro und wie kommt sie zu einem positiven Ergebnis? Welche Parameter wurden dabei berücksichtigt? Was genau meinen sie in Antwort 2, dass mit “großer Effizienz und Betriebssicherheit” gearbeitet wird? Zu 7.: Grundsätzlich bleibt die Polizei Berlin bei der vorsichtigen Einschätzung, die bereits in der Antwort zur Schriftlichen Anfrage Drucksache 18/ 10732 zum Ausdruck gebracht wurde. Auch weiterhin wird ausdrücklich nicht von einer statistisch belegbaren Evaluation gesprochen. Im Rahmen von KrimPro werden dauerhaft sowohl die Prognosegüte (Anteil der tatsächlich eingetretenen prognostizierten Wohnraumeinbrüche innerhalb der nächsten drei Tage) als auch die Zahl der aufgrund der Prognosen durchgeführten präventiven und repressiven Einsatzkräftestunden erhoben. Die durch das Programm erzielten Trefferquoten konnten durch die erfolgten Weiterentwicklungen sukzessive gesteigert werden. Im Jahr 2018 fanden an 58,1% aller Tage, an denen das Programm Wiederholungstaten vorausberechnet hat, entsprechende Taten statt. Bei einer durchschnittlichen Belastung des gesamten Stadtgebietes von ca. 20 Wohnraumeinbrüchen täglich und einer Größe des täglichen Prognosegebiets, welches nicht einmal 0,3% der bewohnten Stadtfläche ausmacht, liegen diese Werte deutlich über der zu erwartenden statistischen Zufallserwartung. Erwartungsgemäß war diese Trefferquote bei den Prognosegebieten, in denen von Einsatzkräften Präsenzmaßnahmen durchgeführt wurden, um ca. 20% geringer, als in den Gebieten, wo dies nicht möglich war. Die Erfolge in anderen Bundesländern können durch die Polizei Berlin nicht belegt oder vertiefend kommentiert werden. Eine vom Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2018 durchgeführte Umfrage ergab, dass bislang sechs Bundesländer (Baden- Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) den Ansatz „Predictive Policing“ nutzen. Nach unserem Kenntnisstand besteht in diesen Bundesländern Konsens darüber, dass trotz bislang fehlender (wissenschaftlich begleiteter) Evaluation auf breiter Basis Seite 4 von 4 und insoweit nur punktueller, nicht repräsentativer Erkenntnisse zur Wirksamkeit des Ansatzes, Predictive Policing einen Beitrag zur Ergänzung und ggf. auch Weiterentwicklung bereits vorhandener Bekämpfungsansätze und -strategien leisten kann. Insbesondere als Bestandteil einer Gesamtstrategie bzw. einer Bekämpfungskonzeption hat der Einsatz von Prognosesoftware entsprechendes Potenzial. Das Programm bewies große Effizienz und Betriebssicherheit, da die Prognoseerstellung weitgehend automatisiert ist und wenig Aufwand erzeugt und das Programm im jetzt bereits über zweieinhalb Jahre laufenden Betrieb kaum Ausfallzeiten hatte. 8. Wird der Senat weiterhin davon Abstand nehmen, personenbezogene Daten in datenanalytische Progonosetechniken einzubeziehen? Warum? Zu 8.: Das Berliner Programm KrimPro bezieht Predictive Policing-Methoden auf das Erkennen von Eintrittswahrscheinlichkeiten von Straftaten in bestimmten Regionen. Alle bisherigen Untersuchungen und Erfahrungen haben ergeben, dass hierzu fallbezogene und raumbezogene Informationen die relevanten Faktoren darstellen. Daher ist es – ungeachtet möglicher ethischer und damit auch rechtlicher Implikationen bei der Nutzung personenbezogener Daten – nicht sinnvoll, personenbezogene Daten für dieses Programm zu nutzen. Dies gilt auch für die derzeit geprüfte Erweiterung auf andere Deliktsfelder. Berlin, den 01. Februar 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport