Drucksache 18 / 17 577 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Gindra (LINKE) vom 21. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Januar 2019) zum Thema: Online-Handel durch Amazon & Co. in Berlin – Konzepte für virtuelle Lieferung? und Antwort vom 04. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Herrn Abgeordneten Harald Gindra (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/ 17577 vom 21. Januar 2019 über Online-Handel durch Amazon & Co. in Berlin – Konzepte für virtuelle Lieferung? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft auch Sachverhalte, die der Senat nicht in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Um Ihnen ungeachtet dessen eine Antwort zukommen zu lassen, wurden auch der Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie und die Investitionsbank Berlin um Informationen gebeten, die von diesen in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. 1. Wie bewertet der Senat die logistische Strategie der Paketauslieferung durch die beiden Auslieferungszentren von Amazon in Tegel und in Mariendorf? Zu 1.: Soweit dem Senat bekannt ist, beinhaltet die logistische Strategie von Amazon u.a. den Einsatz einer intelligenten Routenplanung und die Vermeidung häufiger Stopps durch Benutzung von Sammeltaschen. Am Standort in Mariendorf wurden letztes Jahr Ladestationen für den künftigen Einsatz von E-Lieferfahrzeugen installiert . Diese Maßnahmen zeigen u. a. Amazons Bereitschaft zur der Mitgestaltung umweltfreundlicher Stadtlogistik. 2. Ist dem Senat bekannt, ob Amazon noch weitere Auslieferungszentren einrichten will? Zu 2.: Amazon betreibt im Berliner Raum das Logistikzentrum in Brieselang, zwei Verteilzentren in Mariendorf und Tegel, ein Amazon Fresh Depot und eine Prime Now Station in Tegel sowie Bürogebäude in Berlin-Mitte, die unter anderem ein Customer Service Center und das Amazon Development Center beherbergen. Amazon beschäftigt im Berliner Raum über 2.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Einrichtung weiterer Auslieferungszentren von Amazon ist dem Senat bisher nicht bekannt. 3. Welche Probleme sieht der Senat hinsichtlich Verkehrsaufkommen sowie Störungen umliegender Betriebe und Anwohnerschaft? Zu 3.: Die angesprochenen Standorte befinden sich in Gebieten, die für gewerbliche Nutzungen ausgewiesen sind. Entsprechende Nutzungen sind somit zulässig. Gerade im Kurier-, Express- und Paketbereich agieren Unternehmen zumeist in Wellen, Fahrzeuge verlassen also nach dem Beladen relativ gebündelt das Betriebsgelände. Daher ist eine starke räumliche und zeitliche Ballung der Fahrzeuge auf Verbindungsstrecken zwischen Depot und Zielgebiet zu beobachten. Dies mündet zum Teil 2 in Mehrbelastungen einzelner Verkehrsachsen im Umfeld der angesprochenen Depots . Die jeweilig zuständigen Bezirke setzen sich mit der Thematik auseinander. So gab es nach Anwohnerbeschwerden gegen Amazon in der Porschestraße wegen zu hoher Verkehrsbelastung ein Gespräch der Bezirksbürgermeisterin mit dem Unternehmen . Das Unternehmen reagierte kooperativ und legte dem Bezirk zeitnah einen Maßnahmenplan vor, um die Verkehrsbelastung und Verkehrsfolgen im Bereich der Porschestraße zu reduzieren. 4. Welche Erkenntnisse hat der Senat diesbezüglich bei der besonderen Belastungszeit im Weihnachtsgeschäft (Anzeigen, Beschwerden)? Zu 4.: Besondere Beschwerden oder Anzeigen im Weihnachtsgeschäft sind dem Senat nicht bekannt. 5. Ist bereits eine Überprüfung der Standorte durch die/den Berliner Datenschutzbeauftragte/n erfolgt (Vorgänge an anderen Standorten mit Videoüberwachung von Beschäftigten)? Zu 5.: Überprüfungen der genannten Amazon Standorte in Tegel und Mariendorf sind von der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI) bisher nicht durchgeführt worden. Überprüfungen zur Videoüberwachung haben ebenso nicht stattgefunden. Weder zu den benannten Auslieferungszentren noch zu anderen Berliner Standorten von Amazon sind Beschwerden von Beschäftigten zur Videoüberwachung bekannt. 6. Welche Informationen hat der Senat über Scheinselbständige unter den Auslieferern und welche Maßnahmen trifft er, um Informationen zu erhalten? Zu 6.: Der Senat hat über die aus parlamentarischen Anfragen (z.B. Bundestags- Drucksache 19/2101) ersichtlichen branchenbezogenen Informationen oder die in Medienberichten aufgegriffenen Einzelfälle von mutmaßlicher Scheinselbstständigkeit bei Lieferdiensten hinaus keine weiteren Erkenntnisse. Entsprechende belastbare Informationen sind dem Senat auch deshalb nicht zugänglich, weil es sich bei der Feststellung von Scheinselbstständigkeit jeweils um Einzelfallentscheidungen entweder im Rahmen arbeits- oder sozialgerichtlicher Verfahren oder anlässlich von Prüfungen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls handelt, zu denen sowohl aus allgemeinen datenschutzrechtlichen Gründen als auch zur Wahrung des Sozialdatenschutzes keine Informationen zu betroffenen Unternehmen bzw. Einzelpersonen öffentlich gemacht werden dürfen. 7. Wie hoch ist der Anteil an Selbständigen unter den Auslieferern und welchen zusätzlichen Risiken sind diese im Vergleich zu Angestellten ausgesetzt (z.B. hinsichtlich Schäden an Ware oder Fahrzeugen , Bußgeldern wegen Ordnungswidrigkeiten, Verdienstausfällen bzw. Minderverdienst, Versicherungssituation , etc.) Zu 7.: Amazon arbeitet mit Lieferunternehmen zusammen, die größtenteils mit eigenen Beschäftigten und zum kleineren Teil durch Subunternehmerinnen und Subunternehmer mit eigenen Fahrerinnen und Fahrern die Pakete zustellen. Die Unternehmen sind verpflichtet, sich an die geltenden Gesetze und den Verhaltenskodex für Amazon Lieferanten zu halten, der einen Schwerpunkt auf faire Löhne, Sozialleistungen , angemessene Arbeitszeiten und Vergütung legt. In Ballungsräumen wie Berlin baut Amazon zurzeit vermehrt eigene Zustellflotten auf. Vertragliche Details zu den Geschäftsmodellen sind nicht bekannt. 8. Welche Untersuchungen sind dem Senat bekannt zum Verlust von regulären Beschäftigungsverhältnissen im Berliner Einzelhandel durch die Ausdehnung des Online-Handels über Amazon & Co.? Zu 8.: Untersuchungen zum „Verlust von regulären Beschäftigungsverhältnissen im Berliner Einzelhandel durch die Ausdehnung des Online-Handels über Amazon & 3 Co.“ sind dem Senat nicht bekannt. Die Zahl der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel ist 2017 erneut gewachsen. Im Vergleich zu 2016 wuchs die Gesamtzahl um 4,1 Prozent, bei Vollzeitbeschäftigten um 2,8 Prozent. Insgesamt sichert der Einzelhandel in Berlin ca. 100.000 Arbeits- und Ausbildungsplätze. 9. Welche öffentlichen Fördermittel wurden unter Berliner Beteiligung an Amazon vergeben? Zu 9.: Nach Auskunft der Investitionsbank Berlin (IBB) wurden keine Fördermittel an Amazon vergeben. 10. Gibt es seitens des Senats Vorschläge oder Vorstellungen, wie Amazon die Logistik verträglicher gestalten könnte? Zu 10.: Lösungen können und sollen immer in Kooperation mit Unternehmen und Behörden abgestimmt werden. Wie Anwohnerinteressen aktiv bei unternehmerischem Handeln berücksichtigt werden können, zeigt der dem Land vorliegende Maßnahmenplan vom Amazon Standort Mariendorf. Dieser umfasst zum Teil bereits umgesetzte Maßnahmen wie die Verlegung der Einfahrt, den Einsatz von Personal zur Hofaufsicht und die Einführung von temporären Sperren für falsch parkende Lieferpartner . 11. Inwieweit beteiligt sich Amazon an neuen Verteil- und Lieferkonzepten für Berlin? 12. Welche Investitionen könnte Amazon tätigen, um die Verkehrsbehinderungen und die Belastung für die privaten und gewerblichen Anbieter zu verringern? Die Fragen 11 und 12 werden auf Grund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Zu 11. und 12.: Amazon zeigte sich bereits an einer möglichen Zusammenarbeit mit dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg in Bereichen neuer City-Logistik und Lastenfahrrädern interessiert. Aktuell werden im Land Berlin auch mit Unterstützung der Agentur für Elektromobilität weitere neue innovative Logistikkonzepte wie z.B. ein Pilotprojekt mit mobilen Paketboxen des Startups Vesper sowie der Einsatz von Micro-Hubs (anbieteroffene Mikrodepots zur regionalen Feinverteilung) in Verbindung mit großvolumigen Cargo-Bikes diskutiert. Der Senat kann sich eine Beteiligung von Amazon an den neuen Logistikkonzepten vorstellen. Berlin, den 4. Februar 2019 In Vertretung Christian R i c k e r t s ........................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe