Drucksache 18 / 17 586 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sibylle Meister (FDP) vom 17. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Januar 2019) zum Thema: Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts und Antwort vom 06. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Sibylle Meister (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17586 vom 17.01.2019 über Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft auch Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine vollständige Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die betreffenden Bezirke und städtischen Wohnungsbaugesellschaften um Stellungnahme zu den Aspekten gebeten, die diese betreffen. Die Stellungnahmen wurden von den Bezirken bzw. Gesellschaften in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt. Sie werden nachfolgend wiedergegeben. Frage 1: In wie vielen Fällen haben Bezirke in den vergangenen drei Jahren ein Vorkaufsrecht für Dritte in Form von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften oder für andere ausgeübt? a) In wie vielen Fällen davon handelte es sich um bewohnte oder unbewohnte Mietshäuser? b) Wie verteilen sich die ausgeübten Vorkaufsrechte auf die einzelnen Bezirke? c) Wie viele Wohnungen entfallen auf die einzelnen Objekte? d) Welche Ankaufsummen sind dabei jeweils pro Objekt und in Summe entstanden? e) Wer bekam die Objekte übertragen, wenn nicht für eine Wohnungsbaugesellschaft das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde? Antwort zu 1: Der nachfolgenden Tabelle sind die Vorkaufs- und Abwendungsfälle sowie die jeweils gesicherten Wohnungen in den einzelnen Bezirken in den berlinweit insgesamt 56 sozialen Erhaltungsgebieten nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB seit dem Jahr 2015 bis einschließlich 31.01.2019 zu entnehmen: 2 * davon nach Kenntnis des Senats 17 Fälle rechtskräftig Für die 39 ausgeübten Vorkaufsrechte wurden/werden Kaufpreise in Höhe von insgesamt rund 213,6 Mio. Euro fällig. Das entspricht einem Kaufpreis von ca. 5.477.000,00 Euro je Grundstück. In allen Fällen handelte es sich bei den auf den Grundstücken befindlichen Gebäuden um bewohnte Miethäuser. In Berlin werden die Vorkaufsrechte grundsätzlich zugunsten der städtischen Wohnungsbaugesellschaften ausgeübt. Jedoch ist im Einzelfall denkbar, dass ein Bezirk ein Vorkaufsrecht zu eigenen Gunsten oder zugunsten sonstiger geeigneter Dritter ausübt. Bisher wurde berlinweit in drei Fällen das Vorkaufsrecht je einmal zugunsten eines Bezirks, einer Stiftung und einer natürlichen Person ausgeübt. Frage 2: Welche Ankäufe wurden bereits notariell beglaubigt oder eingetragen? Antwort zu 2: Nach Kenntnis des Senats sind 17 Vorkaufsfälle rechtskräftig: Neukölln: 3 Treptow-Köpenick: 1 Tempelhof-Schöneberg: 1 Pankow: 1 Friedrichshain-Kreuzberg: 11 Frage 3: In wie vielen Fällen wurden die Kaufpreise im Zuge der Ausübung eines Vorkaufsrechts herabgesetzt? a) Um wie viel Prozent wurde der Kaufpreis im Durchschnitt herabgesetzt? b) Wie groß war die maximale Herabsetzung in Prozent? Antwort zu 3: Bisher wurde berlinweit in zwei Fällen der Kaufpreis im Rahmen der Ausübung des Vorkaufsrechts auf den Verkehrswert festgesetzt. Durchschnittlich überschritt der Kaufpreis den Verkehrswert in diesen Fällen um 20,35 %. Maximal überschritt der Kaufpreis den Verkehrswert um 23,42 %. Bezirk Vorkaufsfälle Abwendungen Gesicherte Wohnungen Vorkauf Gesicherte Wohnungen Abwendung Gesicherte Wohnungen gesamt Friedrichshain- Kreuzberg 19 24 478 540 1018 Mitte 3 13 167 348 515 Neukölln 10 22 341 561 902 Pankow 1 10 30 267 297 Tempelhof- Schöneberg 5 14 138 799 937 Treptow- Köpenick 1 3 20 64 84 GESAMT 39* 86 1174 2579 3753 3 Frage 4: In wie vielen Fällen einer angedrohten Ausübung eines Vorkaufsrechts konnte bisher eine sogenannte Abwendungsvereinbarung geschlossen werden? a) Welche Kriterien muss eine Abwendungsvereinbarung in den einzelnen Bezirken erfüllen? b) Gibt es einheitliche Regelung? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 4: Die Anzahl der Abwendungsfälle sind der Tabelle unter 1. zu entnehmen (s.o.). Die Ausübung des Vorkaufsrechts wird aber nicht „angedroht“. Das Vorkaufsrecht besteht qua Gesetz, soweit keine gesetzlichen Ausschlussgründe (Bestehensebene) vorliegen und es kann ausgeübt werden, wenn die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen (Ausübungsebene). Nicht in allen Fällen kommt es zu einer Vereinbarung. Das Vorkaufsrecht kann auch durch einseitige Erklärung abgewendet werden. Im Rahmen der Erarbeitung des Berliner Konzepts für die Nutzung von Vorkaufsrechten nach dem Baugesetzbuch wurde durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen ein Muster für die Abwendungsvereinbarung erarbeitet. Das Konzept ist im Internet abrufbar unter https://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnraum/soziale_erhaltungsgebiete/dow nload/VZK-Konzept_Vorkaufsrechte.pdf. Die Bezirke haben teilweise eigene vom Berliner Muster partiell abweichende Muster für den Abschluss von Abwendungsvereinbarungen, die sich aber in den wesentlichen Punkten mit dem Muster der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen decken. Essentiell sind grundsätzlich die Vermeidung von Aufteilungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz und die Begrenzung energetischer Modernisierung. Der Bezirk Neukölln hat seit Oktober 2018 zusätzlich Regelungen zur Einhaltung der Mietpreisbremse und die Begrenzung der Modernisierungsumlage (8%) aufgenommen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Klarstellungen / Absicherungen bestehender Vorschriften des BGB. Eine in jedem Fall einheitliche Regelung kann es nicht geben, da jeder Fall aus rechtlichen Gründen einer Einzelfallprüfung unterliegt. Die Bezirke und der Senat stimmen ihren Handlungsspielraum aber eng miteinander ab. Unterschiede der bezirklichen Muster untereinander erklären sich aus der Zuständigkeit der Bezirke und der Tatsache, dass das Berliner Muster für die Bezirke nicht verbindlich ist. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen überarbeitet und erweitert zurzeit das Muster für die Abwendungsvereinbarung. Das angepasste Muster befindet sich in der finalen Abstimmungsphase. Frage 5: Wie viele Gerichtsverfahren wurden bisher von den ursprünglichen Käufern gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts angestrebt? a) Wie viele Verfahren sind bereits abgeschlossen? b) Wie oft unterlag das Land Berlin gegen den Kläger? 4 Antwort zu 5: Bezirk Gerichtsverfahren Neukölln Zwei Gerichtsverfahren; jeweils noch nicht abgeschlossen Tempelhof-Schöneberg Ein Gerichtsverfahren, vor dem Landgericht hat das Land Berlin verloren, zurzeit läuft das Berufungsverfahren beim Kammergericht Mitte Ein Gerichtsverfahren; noch nicht abgeschlossen Friedrichshain-Kreuzberg Nach Kenntnis des Senats drei Gerichtsverfahren: - Zwei Verfahren beim Verwaltungsgericht; in beiden Fällen obsiegte das Land Berlin in der ersten Instanz (jedenfalls in einem Fall hat der unterlegene Kläger Berufung beim Oberverwaltungsgericht eingelegt) - Ein Verfahren beim Landgericht (Land Berlin hat das Verfahren erstinstanzlich verloren) Frage 6: Wie viele Mieterhöhungen wurden nach Ausübung des Vorkaufsrechts durch Wohnungsbaugesellschaften ausgesprochen? a) In welcher Höhe fielen die Mieterhöhungen durchschnittlich und maximal aus? (Bitte prozentual und absolut angeben) Antwort zu 6: Bezogen auf 127 Mietverträge bei im Rahmen der Ausübung von Vorkaufsrechten durch städtische Wohnungsbaugesellschaften erworbenen Grundstücken kam es bisher zu Mieterhöhungen. Erfasst sind hierbei sowohl die Zustimmung zu freiwilligen Mieterhöhungen durch die jeweiligen Mieter im Rahmen der Ausübung des Vorkaufsrechts (Individualvereinbarungen) als auch Mieterhöhungsverlangen nach den Vorgaben des § 558 BGB (Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete). Die Mietanpassungen belaufen sich auf durchschnitttlich ca. 1,06 €/m² monatlich gemessen an allen Durchschnittswerten der beteiligten Wohnungsbaugesellschaften (die durchschnittliche Spanne reicht von 0,74 €/m² bis 1,45 €/m²). Dies entspricht einer durchschnittlichen prozentualen Mieterhöhung von ca. 16,62 % (bezogen auf die bekannten Durchschnittswerte der beteiligten Gesellschaften). Maximal kam es zu einer Mieterhöhung von 36 % (in diesem Fall handelt es sich um eine Individualvereinbarung). Die bekannte maximale Mieterhöhung in Euro beträgt 1,69 €/m² monatlich. Frage 7: Wie hoch war bei den Ausübungen der Zuschuss durch den Landeshaushalt? a) Welche Objekte wurden durch Landesmittel bezuschusst? b) Wie hoch war der jeweilige Zuschuss durch den Landeshaushalt? 5 Antwort zu 7: Bislang hat das Land Berlin den Wohnungsbaugesellschaften für sieben rechtskräftig ausgeübte Vorkaufsrechte Zuführungen i.H.v. insgesamt 1,916 Mio. € gewährt. Für weitere 20 noch nicht abschließend entschiedene Vorkaufsrechtsfälle sind Zuführungen i.H.v. insgesamt 21,1 Mio. € zugesagt. Da Grundstücksgeschäfte, zu denen auch die Ausübung von Vorkaufsrechten gehören, stets der Vertraulichkeit unterliegen, können Auskünfte zu den einzelnen Vorkaufsfällen nicht erteilt werden. Frage 8: Liegt dem Senat für jeden Ankauf eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vor? Antwort zu 8: Dem Senat liegt für jeden Ankauf eine Wirtschaftlichkeitsberechnung der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaft vor. Frage 9: In wie vielen der durch Vorkaufsrecht erworbenen Wohnungen wurden bisher Modernisierungen durchgeführt? a) Wie hoch war die darauf folgende Modernisierungsumlage durchschnittlich und maximal? (Bitte prozentual und absolut angeben) b) In wie vielen der durch Vorkaufsrecht erworbenen Wohnungen wurden bisher Modernisierungen angekündigt aber noch nicht durchgeführt? Antwort zu 9: Bei keinen von durch Vorkaufsrechten erworbenen Grundstücken wurden bisher Modernisierungen durchgeführt bzw. angekündigt. Frage 10: Wie viele Mitarbeiter in den Bezirksämtern sind mit der Betreuung der Vorkaufsrechte befasst? (Bitte nach Bezirk auflisten) Antwort zu 10: Bezirk Mitarbeiter Neukölln Mit der Betreuung der Fälle zur Ausübung des Vorkaufsrechts im Bezirk Neukölln befasst sich bisher ein Mitarbeiter mit der Hälfte seiner Arbeitszeit. Ab Mai 2019 wird dieser Bereich mit einer weiteren Stelle in der Sachbearbeitung verstärkt, auch hier dann mit der Hälfte der Arbeitszeit. Darüber hinaus erfolgt unter Hinzuziehung externer juristischer Expertise eine intensive Begleitung durch den Gruppen- bzw. den Amtsleiter, das Büro des Bezirksstadtrats und den Bezirksstadtrat. Treptow-Köpenick Im Bezirk Treptow-Köpenick betreut eine Mitarbeiterin die Belange zum Milieuschutz in den drei bestehenden 6 Milieuschutzgebieten. Dies beinhaltet die Bearbeitung des Vorkaufsrechtes im Rahmen der Zuständigkeit des Stadtentwicklungsamtes. Reinickendorf Im Bezirksamt Reinickendorf bearbeitet eine Sachbearbeiterin in der Stadtplanung die Erteilung von Negativzeugnissen. In dieser Bearbeitung werden mögliche Vorkaufsrechte erfasst. Bei der Ausübng von Vorkaufsrechten sind dann die verschiedenen Abteilungen tätig. Charlottenburg Es fehlt noch an Erfahrungswerten im Bezirksamt. Die Festsetzung von Milieuschutzgebieten hat erst im letzten Jahr begonnen und der Fachbereich wird aktuell personell verstärkt. Tempelhof-Schöneberg Im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg sind regelmäßig drei Mitarbeiter mit der Bearbeitung befasst, allerdings jeweils nur mit einem unterschiedlichen Anteil ihrer Arbeitszeit. Pankow Vorprüfung: vier / Hauptverfahren: zwei Mitte Vier Mitarbeiter des FB Stadtplanung (keine vollen vier Stellen zur Betreuung der Vorkaufsrechte). Vier Mitarbeiter aus dem FB Kataster und Vermessung (keine vollen vier Stellen, sondern nur anteilig). Wegen der engen Fristsetzungen kann die Aufgabe der Grundstückswertermittlung nicht nur von einem Mitarbeiter wahrgenommen werden, sondern es ist eine parallele Bearbeitung von Vorgängen durch mehrere Mitarbeiter erforderlich, um die Fristen je Einzelfall einhalten zu können. Frage 11: Wie viele Verfahren können jeweils in den Bezirken gleichzeitig bearbeitet werden? Antwort zu 11: Bezirk Verfahren Neukölln Je nach Komplexität der Vorkaufsfälle können derzeit zwischen vier bis acht Fälle gleichzeitig bearbeitet werden. Treptow-Köpenick Da im Bezirk Treptow-Köpenick kein(e) Mitarbeiter*in ausschließlich für das Vorkaufsrecht zuständig ist, muss die Vorkaufsrechtsprüfung neben den weiteren Belangen des Milieuschutzes bearbeitet werden. Aktuell lagen im Bezirk Treptow- 7 Köpenick nicht mehr als drei Vorkaufsfälle gleichzeitig zur Prüfung vor. Dies wurde von der zuständigen Mitarbeiterin als leistbar parallel zu der baulichen Genehmigungsprüfung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB sowie der Prüfung der Genehmigung der Umwandlung von Mietin Eigentumswohnungen bewertet. Reinickendorf Da der Bezirk noch keine Erfahrung mit der Ausübung von Vorkaufsrechten gesammelt hat, ist eine Einschätzung, wie viele Verfahren gleichzeitig betreut werden können, noch nicht möglich. Charlottenburg s.o. zu Frage 10 Tempelhof-Schöneberg Zur Belastungsgrenze gibt es derzeit noch keine Erfahrungen. Derzeit wurden im Maximum bis zu acht laufende Verfahren zuzüglich zwei Widerspruchsverfahren gleichzeitig bearbeitet. Pankow Hauptverfahren: vier Mitte Das lässt sich nicht bestimmen, da der Aufwand von Rahmenbedingungen abhängig ist. Frage 12: Nach welchen qualifizierten Kriterien wir das Vorkaufsrecht ausgeübt? Antwort zu 12: Die Bezirke richten sich nach den Vorgaben des Konzepts für die Nutzung von Vorkaufsrechten nach dem Baugesetzbuch der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Der Bezirk Mitte hat darüber hinaus mit Bezirksamtsbeschluss vom 19.12.2017 Richtlinien zur Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB in sozialen Erhaltungsgebieten im Bezirk Mitte beschlossen. Daneben spielen immer auch die tatsächlichen Gegebenheiten eine Rolle, z.B. Aufwertungspotential, Miethöhe, Nutzungsabsichten des Käufers, Bereitschaft des Käufers zur Abwendung des Vorkaufsrechts. Berlin, den 06.02.2019 In Vertretung S. Scheel ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen