Drucksache 18 / 17 688 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Taschner (GRÜNE) vom 28. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Januar 2019) zum Thema: Weißfischbefischung – unnötige Tiertötung? und Antwort vom 14. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Dr. Stefan Taschner (Grüne) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17688 vom 28. Januar 2019 über Weißfischbefischung - unnötige Tiertötung? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Seit fast 40 Jahren wird in Berlin die Weißfischbefischung durchgeführt. Dazu vergibt das Fischereiamt Aufträge zur Befischung der als Weißfische bzw. Futterfische bezeichneten Fischarten (Blei, Güster, Plötze, kleine Barsche) an Berliner Fischereibetriebe als Hegemaßnahme in bezifferter Menge. Der Schriftlichen Anfrage 18/11182 ist zu entnehmen, dass in den Jahren 2006 bis 2015 jährlich zwischen 98.38 und 171.81 t Futterfische gefangen wurden. Laut Schriftlicher Anfrage 18/11996 wurden große Fischmengen in einer Biogasanlage vernichtet. Frage 1: Welchen Anteil hatte die Weißfischbefischung an der bisherigen Verbesserung der Gewässerqualität und welche anderen Faktoren spielen dabei eine Rolle? Antwort zu 1: Die eutrophierten Flussseen Berlins waren nicht nur wegen des Überangebotes an Nährstoffen durch Algenblüten getrübt, es fehlten auch effektive Biofiltrierer im Zooplankton (Kleinkrebse), um eine höhere Transparenz im Gewässer zu erzielen. Um eine intakte Lebensgemeinschaft im See zu erreichen, sind seespezifisch eine Vielzahl von Maßnahmen notwendig, die in ihrer Komplexität zum Ziel führen. Durch die Minderung der Phosphorfrachten in den Flussseen hat sich die Gewässerqualität durch den Rückgang der planktischen Algen in vielen Seen verbessert. Die langsame Nährstoffreduktion in den großen Einzugsgebieten der Flussseen und ihre verzögerte Wirkung auf das Phytoplanktonwachstum wurde in einigen Gewässern durch die Weißfischentnahme nachweislich beschleunigt. Trotz noch immer hoher Nährstoffkonzentrationen erhöhte sich z.B. in der Unterhavel die Sichttiefe durch die langjährige gezielte Befischung und ermöglichte ausgedehnte Wasserpflanzenbestände. Die Weißfischentnahme führte zu reduziertem Fraßdruck auf Zooplankton und damit zur Förderung von Kleinkrebsen, die als effektive Biofiltrierer das Wasser klarfiltrieren. Die 2 Wirkung der Kleinkrebse auf die Mikroalgen wurde nach jahrelangem Zooplankton- Monitoring der zuständigen Senatsverwaltung für Umwelt festgestellt. Dieser hohe Anteil von Kleinkrebsen verbessert zudem das Nahrungsangebot für eine Vielzahl von Fischarten und anderer Wasserorganismen und fördert die Biodiversität. Die gezielte Kontrolle von großen Bleien und anderen gründelnden Weißfischen verringert außerdem die gewässerinterne Nährstofffreisetzung durch Aufwühlen der Sedimente. Es gibt Hinweise, dass Karpfenfische geschützte Unterwasserpflanzen schädigen, die Umweltziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gefährden. Es wird empfohlen, Besatzdichten zu kontrollieren. Frage 1 a: Waren die Fangmengen an die Gewässerqualität gebunden? Antwort zu 1 a: Das Fischereiamt erhebt laufend fischfaunistische Daten aus den Berliner Gewässern. Insbesondere das gesetzlich vorgeschriebene Monitoring zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und zur Europäischen Flora-Fauna-Habitatrichtlinie liefert umfangreiche Erkenntnisse über die Fischartenzusammensetzung und die Gewässerqualität. Auf dieser Grundlage und aufgrund des Planktonmonitorings wird jährlich die Entnahme an Weißfischen festgelegt. Frage 2: Mit welchen Fanggeräten wurde der Fang der Weißfische durchgeführt? Antwort zu 2: Die Entnahmen werden mit Zugnetzen, Reusen und spezifischen Stellnetzen durchgeführt. Frage 2 a: Konnte mit den Fanggeräten der Fang gezielt vorgenommen werden und somit Beifang vermieden werden? Antwort zu 2 a: Grundsätzlich ist mit dem Zugnetz und Stellnetz eine gezielte Fischerei von Weißfischen (Blei, Güster, Plötze) und kleiner Barsche möglich. Auf Grund der geringen Vermarktungsfähigkeit dieser Arten müssen diese prinzipiell von den Berufsfischern kostenpflichtig entsorgt werden, auch wenn sie als Beifang angelandet werden. Frage 2 b: Wie hoch war der durchschnittliche Beifang? 3 Antwort zu 2 b: Im Durchschnitt der Jahre 2013-2017 lag der Anteil der vermarktungsfähigen Fischarten am Gesamtfang der Berufsfischerei bei 23 %. Frage 2 c: Warum werden Raubfische nicht geschont, um so auf natürlichem Wege den Weißfischbestand zu reduzieren? Antwort zu 2 c: Nach der Berliner Fischereigesetzgebung werden Raubfische besonders geschont. Es gibt Mindestmaße und Schonzeiten, zeitliche Einschränkungen zur Verwendung von Raubfischangeln und Einschränkungen bei den maximalen Entnahmemengen pro Fangtag. Des Weiteren werden vom Fischereiamt jährlich Hechte künstlich erbrütet, um insbesondere in Gewässer mit hohem Weißfischanteil das Verhältnis zwischen Räuberund Beutefischen durch Besatzmaßnahmen zu verbessern. In den Gewässerentwicklungskonzepten sind die Schaffung von Habitaten für typische Flussfischarten und Raubfische sowie die Schaffung der Durchgängigkeit Bestandteil der geplanten Maßnahmen. Trotzdem ist eine Reduzierung der durch die Eutrophierung hervorgerufenen erhöhten Weißfischbestände allein durch Raubfische oder fischfressende Wasservögel noch nicht in allen Seen ausreichend. Frage 3: Wie erfolgt die Tötung der Weißfische? Antwort zu 3: Die Tötungen erfolgen nach den Vorgaben der Tierschutz-Schlachtverordnung vom 20. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2982). Frage 3 a: Wie wird die sachgerechte Tötung kontrolliert und wo? Antwort zu 3 a: Die sachgerechte Tötung von Fischen wird im Zuge der Fischereiaufsicht und der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht kontrolliert. Die Kontrollen finden in den Betrieben und auf den Gewässern statt. Frage 3 b: Wie wurden die Fische zur Biogasanlage transportiert? Antwort zu 3 b: Die getöteten Fische wurden in Lebensmittelabfallbehältern gelagert und von zertifizierten Lebens- mittelentsorgungsbetrieben zu den Biogasanlagen gefahren. 4 Frage 3 c: Gab es Initiativen für eine andere Vermarktung der Fische? Antwort zu 3 c: Bereits nach Ende des 2. Weltkrieges wurde sich intensiv mit der Nutzung und Verwertung der Weißfische und kleinen Barsche beschäftigt. Es gibt zahlreiche Studien verschiedener fischereilicher Institute zu diesem Thema. Auch innovative Unternehmen haben immer wieder versucht, diese Fischarten in verschiedenen Verarbeitungsstufen wirtschaftlich zu vermarkten. Letztendlich hat sich bislang kein nachhaltiger Vermarktungszweig für Weißfische etabliert. Eine zu begrüßende innovative Nutzung der Weißfische als Futtermittel oder als aufbereitetes Lebensmittel verlangt neben entsprechenden Ideen neue langfristige Vermarktungsstrategien. Frage 4: Wie viele Fischereibetriebe waren an der Weißfischbefischung beteiligt und wie hoch waren die finanziellen Mittel, die sie aus der Fischereiabgabe dafür erhielten? Antwort zu 4: Im Jahr 2018 waren sieben Fischereibetriebe an der beauftragten Anlandung von Massenfischen beteiligt. Die Fischereibetriebe erhielten dafür insgesamt 49.101,48 € aus der Fischereiabgabe. Frage 5: Wie wird das Land Berlin in den nächsten Jahren mit der Weißfischbefischung umgehen? Werden weiterhin Ausfangaufträge erteilt werden? Antwort zu 5: Bislang hat gem. der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie kein See den guten ökologischen Zustand erreicht. Nach einer Defizitanalyse für jeden einzelnen See wird entscheiden, in welchem Maße eine Entnahme von Weißfischen weiterhin notwendig ist. Die derzeitige Gewässersituation lässt aber eine langsame Abnahme der beauftragten Menge zu. Gerade für die betroffenen Flachseen kann die Weißfischbefischung die Umwandlung eines eutrophen, trüben, an Mikroalgen reichen Sees zu einem klaren, wasserpflanzenreichen Hecht-Schleie-See während einer fortwährenden Nährstoffreduktion aus dem Einzugsgebiet befördern. In welchen Seen Ausfangerträge erteilt werden, hängt von der Fischzönose, der Trophie und der Planktonstruktur ab und erfordert eine Einzelfallprüfung. Der Senat evaluiert zurzeit die Effekte der Weißfischentnahme und diskutiert eine eventuelle Neuregelung der Befischung für bestimmte Gewässerabschnitte in Kombination mit anderen Maßnahmen und Abwägung des Tierschutzes. 5 Frage 6: Teilt der Senat die Auffassung, dass ein vernünftiger Grund für das Töten und Vernichten der Weißfische nach dem Tierschutzgesetz nicht vorliegt? Antwort zu 6: Nein. Die Anlandung und Verwertung von Weißfischen geschieht aus Gründen der Hege. Ein vernünftiger Grund zum Töten von Weißfischen liegt somit nach dem Tierschutzgesetz vor. Berlin, den 14.02.2019 In Vertretung Stefan Tidow Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz