Drucksache 18 / 17 721 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 29. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Januar 2019) zum Thema: Gesundheitsbelastungen auf Schießständen III: hier: Untersuchung von Lungenfunktion und Spurenelementen bei viel, wenig und nicht schmauchexponierten Dienstkräften der Berliner Polizei im Zusammenhang mit dem Schießtraining - DKRS00012521 und Antwort vom 18. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17721 vom 29. Januar 2019 über Gesundheitsbelastungen auf Schießständen III: hier: Untersuchung von Lungenfunktion und Spurenelementen bei viel, wenig und nicht schmauchexponierten Dienstkräften der Berliner Polizei im Zusammenhang mit dem Schießtraining – DKRS00012521 ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche "Kooperationsvereinbarung zwischen der Senatsverwaltung für Inneres und Sport und der Charité - Universitätsmedizin Berlin" welchen Datums liegt der Studie zu Grunde? (vgl. Seite 1 der Studie) 2. Wie lautet der Inhalt dieser Vereinbarung im Wortlaut? Vorsorglich wird, für den Fall das diese als VS eingestuft worden sein sollte um Auskunft gebeten, wann und durch wen diese eingestuft worden ist und sodann um Beantwortung der Frage zu 2) in einer gesonderten, als VS eingestuften Nachricht gebeten. Zu 1. und 2.: Der Studie liegt das Kooperationsangebot der Charité zur Durchführung einer Studie bei Schützen und Kontrollpersonen der Berliner Polizei vom 4. November 2016 zu Grunde, das am 25. November 2016 angenommen worden ist. Das Angebot kann im Wege der Akteneinsicht gemäß Artikel 45 Absatz 2 der Verfassung von Berlin eingesehen werden. 3. Trifft es zu, dass wie auf Seite 57 der Studie angegeben, Herr Prof. Dr. Christian Witt sowie Frau Dr. med. Uta Liebers und Frau Marija Drozdek die einzigen "Studienärzte" bei dieser Studie waren ? Falls nein, wer waren die Studienärzte und warum ist dies auf Seite 57 anders angegeben worden? Seite 2 von 5 Zu 3.: Herr Prof. Dr. Christian Witt, Frau Dr. Uta Liebers und Frau Marija Drozdek waren nicht die einzigen an der Studie beteiligten Studienärzte. Die im Abschlussbericht zur Studie unter Punkt 5.3 gezeigte Teilnehmerinformation (Seiten 56-61) dient lediglich als Beispiel für eine Teilnehmerinformation. Die Liste der beteiligten Studienärzte in der Teilnehmerinformation ist nicht abschließend, da es durch die Fluktuation der Ärzte innerhalb der Abteilung zu Änderungen kommen kann. 4. Laut der auf Seite 63 der Studie wiedergegebenen Einwilligungserklärung haben sich die Teilnehmer (lediglich) bereit erklärt, "dass das für den Zweck der o.g. Studie entnommene Blut, pseudonymisert durch den Studienarzt, das Labor Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Pathobiochemie untersucht und 10 Jahre gelagert werden können." a) Wer ist "Studienarzt" im Sinne der Formulierung auf Seite 63 der Studie? Zu 4.a): Studienarzt ist jeder Arzt, an den der Studienleiter die Durchführung studienbedingter Maßnahmen delegiert. b) Was ist das "Labor Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Pathobiochemie"? Ist damit das "Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Pathobiochemie" der Charité oder eine andere Einrichtung gemeint? Zu 4.b): Gemeint ist das „Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Pathobiochemie “ der Charité. c) Falls zu b) keine Einzelperson gemeint ist, auf welcher rechtlichen Grundlage geht der Senat davon aus, dass "Prüfer" in einer Studie (ggf. in analoger Anwendung der Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln) ein unbestimmter Personenkreis sein kann? Zu 4.c): Der Begriff des „Prüfers“ ist in § 4 Absatz 25 Arzneimittelgesetz (AMG) definiert. Danach ist der „Prüfer“ im Rahmen einer Arzneimittelstudie für eine Gruppe von Personen , die die klinische Prüfung in einer Prüfstelle durchführen, verantwortlich. Mit dem Begriff „Studienarzt“ geht hingegen keine Legaldefinition für eine Rollenzuweisung, wie sie für den „Prüfer“ im Regelungsrahmen des AMG existiert, einher. d) Laut eigenen Angaben des Instituts für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Pathobiochemie der Charité führt dieses seit dem 01.01.2011 keine eigenen Untersuchungen im Sinne einer Labordiagnostik mehr durch. https://ilp.charite.de/ Wer hat das entnommene Blut untersucht? Zu 4.d): Seit dem 01.01.2011 beauftragt die Charité - Universitätsmedizin Berlin die Labor Berlin Charité Vivantes GmbH mit der Durchführung der gesamten Laboranalytik. Die im Rahmen der Studie gewonnenen Proben wurden daher an die Labor Berlin Charité Vivantes GmbH zur Untersuchung weitergeleitet. Die Labor Berlin Charité Vivantes GmbH beauftragte ihrerseits mit der Durchführung der in der Studie vorgesehenen Spezialanalytik die Medizinisches Labor Bremen GmbH. Seite 3 von 5 e) Wenn nicht der Studienarzt im Sinne der Frage zu 3a) das Blut selbst untersucht hat, auf Grundlage welcher Schweigepflichtentbindungserklärung der Teilnehmer ist das entnommene Blut dann untersucht worden? Zu 4.e): Die Blutproben sind bereits vom Studienarzt pseudonomysiert worden, damit hatten die Labore keine Möglichkeit, die Proben einer Person zuzuordnen. 5. Laut der Angabe auf Seite 87 der Studie wurden "die so gewonnenen Blutproben (...) am gleichen Tag bis spätestens 13:30 Uhr in das Labor Berlin am CCM versandt". a) Ist mit "Labor Berlin" die Labor Berlin - Charité Vivantes GmbH gemeint? Falls ja, auf Grundlage welcher Einwilligungserklärung erfolgte die Weitergabe der Blutproben an diese GmbH? Weshalb befindet sich diese nicht bei der Studie? b) Falls nicht, wer genau ist mit "Labor Berlin" gemeint? Zu 5.a) und b): Mit „Labor Berlin“ ist die Labor Berlin Charité Vivantes GmbH gemeint. Die Labor Berlin Charité Vivantes GmbH hatte keine Möglichkeit, die Proben einer Person zuzuordnen (siehe oben). c) Sofern zu a) die GmbH gemeint ist, wie hat diese den Antimonsufid-Wert selbst bestimmt? Nach Auskunft der Webseite http://www.laborberlin.com/leistungsverzeichnis.html?k=13&ue1=668&u=6745&index= führt diese die Bestimmungen nicht selbst durch, sondern nimmt - ein Mal wöchentlich - einen Fremdversand vor. Zu 5.c): Die Labor Berlin Charité Vivantes GmbH hat mit der Durchführung der Antimonbestimmung ein externes Labor beauftragt. Siehe hierzu Antwort zur Frage 4d) oben. d) Sofern zu a) die GmbH gemeint ist, wie hat diese den Blei-Wert selbst bestimmt? Nach Auskunft der Webseite http://www.laborberlin.com/leistungsverzeichnis.html?k=13&ue1=668&u=6747&index= führt diese die Bestimmungen nicht selbst durch, sondern nimmt - ein Mal wöchentlich - einen Fremdversand vor. Zu 5.d): Die Labor Berlin Charité Vivantes GmbH hat mit der Durchführung der Bleibestimmung ein externes Labor beauftragt. Siehe hierzu Antwort zur Frage 4d) oben. 6. Auf Seite 18 der Studie wird dargestellt: "Die Analysen wurden vom Medizinischen Labor Bremen durchgeführt". a) Worum handelt es sich bei dem "Medizinischen Labor Bremen" genau? Ist damit die "MVZ Medizinisches Labor Bremen GmbH" gemeint? Falls ja, auf Grundlage welcher Einwilligungserklärung erfolgte die Weitergabe der Blutproben an diese GmbH? Weshalb befindet sich diese nicht bei der Studie? Zu 6.a): Gemeint ist die Medizinisches Labor Bremen GmbH. Die MVZ Medizinisches Labor Bremen GmbH hatte keine Möglichkeit, die Proben einer Person zuzuordnen (siehe oben). b) Welche Tests (bitte präzise unter Angabe des Produktnamens und des Herstellers) sind für die einzelnen Messungen im Rahmen der Studie verwendet worden? Seite 4 von 5 Zu 6.b): Antimon, Blei und Mangan wurden in Vollblut, Serum bzw. Urin mittels Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma auf einem Gerät der Firma Agilent bestimmt . Creatinin wurde photometrisch mit der Jaffé-Methode mit dem Gerät Roche Cobas ermittelt. Die Standardisierung erfolgte mit Kalibratoren. Das Labor ist durch die Deutsche Akkreditierungsstelle, d.h. die nationale Akkreditierungsstelle, akkreditiert . c) Welche Sensitivität und welche Spezifität weisen die jeweiligen Tests zu 5 b) auf? Wie sind diese jeweils standardisiert (Wortlaut bitte wiedergeben)? Zu 6.c): Die Sensitivität ist definiert als Wahrscheinlichkeit, mit der ein positives Testergebnis im Kollektiv der Kranken die tatsächlich Kranken erfasst, die Spezifität als Wahrscheinlichkeit , mit der ein negatives Testergebnis im Kollektiv der Gesunden die tatsächlich Gesunden erfasst. In der Studie sind beide Kriterien für die Beurteilung der Testqualität bzw. Testeignung nicht anwendbar. Relevant für die Beurteilung der Eignung der verwendeten Tests sind hier vielmehr die im Methodenteil des Abschlussberichts genannten Nachweisgrenzen. Wie Tabelle 33 des Abschlussberichts zeigt, lagen diese im Bereich der in der aktuellen Literatur genannten Werte. 7. Den Ausführungen des Prof. Dr. Tauber im Innenausschuss war zu entnehmen, man habe aus "ethischen Gründen" auf eine Biopsie verzichtet. a) Welche "ethischen Gründe" sind dies genau gewesen und welche konkreten Risiken hätten sich bei einer Biopsie ergeben? Zu 7.a): Nach der ärztlichen Ethik ist die Gesundheit des Patienten oberstes Handlungsgebot. Folglich ist es unethisch, Patienten einem gesundheitlichen Risiko auszusetzen (z.B. möglichen Komplikationen eines Heilverfahrens oder der Diagnostik), wenn die risikobehaftete Prozedur nicht zur Genesung beitragen kann. Im Falle einer Knochenbiopsie liegt ein höchst ungünstiges Verhältnis zwischen diagnostischem Risiko und therapeutischem Gewinn vor. Die Knochenbiospie kann zu schweren Blutungen, Nervenverletzungen mit Lähmung und Knochenentzündungen führen. Todesfälle wurden in diesem Zusammenhang beschrieben. Dem gegenüber steht der marginale Erkenntnisgewinn bei fraglich erhöhter Antimonanreicherung im Knochen. Eine Therapieempfehlung ließe sich nicht ableiten. Eine Knochenbiopsie kann über Blut- und Urinwerte keinen relevanten Beitrag zur Diagnose einer Schwermetallvergiftung leisten , da es keine Referenzwerte bei Menschen gibt. Lediglich in Tierversuchen mit Rhesusaffen und Ratten wurden Antimonbestimmungen im Gewebe vorgenommen. Normwerte gibt es auch hier nicht, die klinische Relevanz ist unklar. Folglich ist es unethisch, einen Patienten oder Probanden dem Biopsierisiko ohne therapeutische Konsequenz auszusetzen. b) Trafen diese Risiken auf alle Studienteilnehmer auf der Gruppe der Vielschießer gleichermaßen zu? Zu 7.b): Das Risiko trifft auf alle Studienteilnehmer zu. Seite 5 von 5 c) Wer hat diese "ethischen Gründe" im Rahmen der Studie vorgebracht? Sind diese mit den Probanden besprochen worden? Zu 7.c): Medizinische Methoden, die nicht das Studiendesign betreffen, sind nicht primär Gegenstand des Aufklärungsgespräches. Die Frage wurde den Studienteilnehmern jedoch wie oben dargestellt beantwortet, falls sie nachfragten. Vertreter der Vielschießer hatten während der Vorphase der Studie Knochenbiopsien als Nachweismethode hinterfragt. Diesen Personen wurden die oben geschilderten Überlegungen von dem Vorstandsvorsitzenden der Charité in einem ausführlichen Gespräch am 02. Mai 2017 erklärt und im Nachgang auch schriftlich dargelegt. Berlin, den 18. Februar 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport