Drucksache 18 / 17 751 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 30. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Februar 2019) zum Thema: Aufwand bei Großverfahren und Antwort vom 18. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17 751 vom 30. Januar 2019 über Aufwand bei Großverfahren -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Nach welchen Kriterien (etwaige Dienstanweisung (ggf. diesen Antwortteil als VS, falls diese eingestuft ist) bitte im Wortlaut wiedergeben) erfasst die Staatsanwaltschaft Berlin mit welchen technischen Mitteln den mit einem Ermittlungsverfahren verbundenen Aufwand an a) Zeitaufwand eigener Mitarbeiter, b) daraus resultierenden Personalkosten, c) Kosten externer Beratung/Gutachter und d) Personalaufwand bei Hilfsbehörden wie der Polizei? Zu 1.: Entsprechende Erhebungen werden von der Staatsanwaltschaft Berlin nicht für einzelne Ermittlungsverfahren getätigt. Die Erfassung des Zeitaufwands staatsanwaltlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt standardisiert nach den zu jedem Verfahren notierten Sachgebietsschlüsseln nach den Vorgaben des Personalbedarfsberechnungssystems (PEBB§Y). Die Kosten von Ermittlungsverfahren werden statistisch allein durch die Kosten-Leistung-Rechnung (KLR) anhand allgemeiner Kategorien erhoben. 2. Wie definiert der Senat den Begriff "Großverfahren" im Hinblick auf die Arbeit der Staatsanwaltschaft Berlin? Zu 2.: Die Definition des Großverfahrens ist in der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten bei den Staats- und Amtsanwaltschaften (StA-Statistik) der Landesjustizverwaltungen festgelegt. Als Großverfahren gelten die Ermittlungsverfahren, die die Staatsanwältin und den Staatsanwalt mit dem überwiegenden Teil ihrer bzw. seiner Arbeitskraft über einen längeren Zeitraum (mindestens sechs Monate) belasten. 3. Sind neben dem Ermittlungsverfahren "Artemis" (Aktenzeichen 255 Js 739/15, auch weitere?) weitere Verfahren im Sinne der Frage zu 2) seit dem Jahr 01.01.2015 anhängig gewesen? Wenn ja, welche? Zu 3.: Großverfahren entsprechend der Definition zu Frage 2 werden in MESTA (Mehrländer -Staatsanwaltschafts-Automation) mit der Nebenverfahrensklasse „GRV“ gekennzeichnet . Seit dem 01.01.2015 stellt sich deren Anzahl wie folgend dar: Eingangsjahr Anzahl Js- Verfahren*) 2015 5 2016 9 2 2017 6 2018 10 2019 (Stichtag: 05.02.2019) 2 Summe 32 *) JS-Verfahren = Verfahren gege bekannte Tatverdächtige Die Verfahren hatten die folgenden Delikte zum Gegenstand: Eingangsjahr Delikte 2015 § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG 2015 §§ 120, 258 StGB 2015 §§ 181a, 232, 266a StGB, § 370 AO 2015 § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG 2015 § 263 Abs. 5, § 266 StGB 2016 § 263 Abs. 1, §§ 263, 266 StGB, § 54 KWG, § 15a InsO 2016 § 370 AO 2016 §§ 30, 211 StGB 2016 § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG 2016 § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 29a BtMG 2016 § 370 AO 2016 § 370 AO 2016 § 96 Abs. 2 Nr. 2, § 97 Abs. 2 AufenthG 2016 §§ 263a, 263, 267 StGB 2017 § 96 Abs. 1 Nr. 1, § 96 Abs. 2 Nr. 2, § 97 Abs. 2 AufenthG 2017 §§ 267, 303, 315b StGB, §§ 370, 374 AO 2017 §§ 30, 261, 263a, 263 Abs. 1, 263, 266, 267, 269 StGB 2017 §§ 261, 263a Abs. 2, §§ 263a, 269 StGB 2017 §§ 246, 261, 263a, §263 Abs. 1, §263 Abs. 5, §§ 263, 264a, 265, 266 StGB 2017 § 29a BtMG, § 51 WaffG 2018 §§ 30, 149, 152b Abs. 2, §§ 152b, 263a, 263 StGB 2018 §§ 29a, 30a BtMG 2018 § 30a BtMG 2018 §§ 202a, 243, 261, 263a Abs. 2, §§ 263a, 263 Abs. 1, 5, §§ 263, 267 Abs. 4, §§ 267, 269 Abs. 3, §§ 269, 303a StGB 2018 §§ 263, 264a, 266 StGB 2018 § 263a StGB 2018 § 263 Abs. 5 StGB 2018 § 263 Abs. 5 StGB 2018 § 370 AO 2018 § 263 StGB 2019 § 30a BtMG 2019 § 30a BtMG BtMG = Betäubungsmittelgesetz; StGB = Strafgesetzbuch; AO =Abgabenordnung; KWG = Gesetz über das Kreditwesen; InsO = Insolvenzordnung; AufenthG = Aufenthaltsgesetz; WaffG = Waffengesetz 4. Welcher Aufwand im Sinne der Fragestellung zu 1) war mit dem Ermittlungsverfahren "Artemis" verbunden ? 3 Zu 4.: Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. Konkrete Verfahrenskosten werden nur im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung erfasst, jedoch nicht der Zeitaufwand eigener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 5. Welcher Gesamtaufwand ist den Berliner Gerichten im Sinne der Frage zu 1) im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren "Artemis" entstanden? Zu 5.: Die Beantwortung dieser Frage ist nicht möglich, weil eine Erfassung des zeitlichen Aufwandes für konkrete einzelne Verfahren sowohl für den nichtrichterlichen als auch den richterlichen Dienst weder beim Amtsgericht Tiergarten noch beim Landgericht Berlin erfolgt. Kosten für externe Beratung/Begutachtung sind im gerichtlichen Zwischenverfahren beim Landgericht Berlin nicht entstanden. 6. Im Tagesspiegel vom 30.01.2019 war zu lesen, die Staatsanwaltschaft "bleibe allerdings bei ihrer Rechtsauffassung und ihrer rechtlichen und tatsächlichen Bewertung der Falls". Wer genau hat diese Äußerung im Namen der Staatsanwaltschaft gemacht? a) Da die Staatsanwaltschaft der Auffassung ist, das ihre Rechtsauffassung zutreffend ist, weshalb und auf wessen Veranlassung ist die durch die Staatsanwaltschaft eingelegte Beschwerde zurückgenommen worden ? b) Durch die Rücknahme des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft ist der die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnende Beschluss des Landgerichts unanfechtbar geworden. In Anbetracht der Gewaltenteilung und der Bedeutung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen im Rechtsstaat: was bedeutet konkret die Formulierung, die Staatsanwaltschaft bleibe - offenbar ungeachtet der Entscheidung des Gerichts - bei ihrer abweichenden Auffassung? Zu 6.: Die Aussage wurde vom Pressesprecher der Berliner Strafverfolgungsbehörden getätigt. a) Die für die Bearbeitung des Verfahrens zuständige Dezernentin hat in Abstimmung mit ihren Vorgesetzten die eingelegte sofortige Beschwerde zurückgenommen. Nr. 147 Absatz 1 Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) verpflichtet die Staatsanwaltschaft ausdrücklich auch die Aussicht eines Rechtsmittels zu prüfen. Nach sorgfältiger Überprüfung der Beschlussgründe erschien eine Durchführung der sofortigen Beschwerde nicht erfolgversprechend, da der Staatsanwaltschaft Berlin die Rechtsauffassung des vorbefassten Kammergerichts bekannt ist. b) Die Rechtsauffassung des Kammergerichts wird seitens der Staatsanwaltschaft nicht geteilt, aber respektiert. 7. Vertritt der Senat, insbesondere die Senatsverwaltungen für a) Finanzen, b) Gesundheit und c) Arbeit hinsichtlich der rechtlichen und tatsächlichen Bewertung des Sachverhalts, insbesondere zur (Schein) selbstständigkeit von Prostituierten die zu 6) wiedergegebene Auffassung der Staatsanwaltschaft oder die des Gerichts für die zukünftige Behandlung gleichgelagerter Sachverhalte? Zu 7.: Das Landgericht Berlin weist in seiner Entscheidung vom 16. November 2018 ausdrücklich darauf hin, dass sich seine Entscheidung allein auf den konkreten Einzelfall, der mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 16. Februar 2018 zur Beurteilung anstand, bezog. 8. Waren der seinerzeitige Staatssekretär für Justiz Alexander Straßmeir sowie der damalige Senator für Justiz und Verbraucherschutz Thomas Heilmann zu irgendeinem Zeitpunkt in das Verfahren eingebunden? Wenn ja, wann und wie? Wenn nein, weshalb angesichts der Tragweite des Verfahrens im Hinblick auf den Personalaufwand nicht? a) Gibt oder gab es in den Jahren 2011 ff. es eine Richtlinie zur Vorlage bei Ermittlungsverfahren von besonderem Umfang oder Bedeutung an den Senator oder denn Staatssekretär? Wenn ja, weit wann? (etwaige Richtlinie (ggf. diesen Antwortteil als VS, falls diese eingestuft ist) bitte im Wortlaut wiedergeben) b) Werden gegenwärtig die Staatssekretärin für Justiz und der Senator für Justiz über "Großverfahren" informiert? Wenn ja, in welchem Umfang? 4 Zu 8.: Die damalige Hausspitze der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz wurde am Abend des 13. April 2016 von der Pressestelle ihres Hauses per E-Mail über den Umstand in Kenntnis gesetzt, dass unter großem Personaleinsatz eine Durchsuchung stattfindet. Sodann wurde der damaligen Staatssekretär, Herr Straßmeir, am 14. April 2016 in einem per E-Mail erstatteten Bericht der Staatsanwaltschaft Berlin vom selben Tage über den Stand der Ermittlungen in dem betreffenden Ermittlungsverfahren sowie die am 13. April 2016 vollzogenen strafprozessualen Maßnahmen (insbesondere die Vollstreckung von sechs Haftbefehlen, 16 Durchsuchungsbeschlüssen und Maßnahmen der Vermögensabschöpfung) in Kenntnis gesetzt. Über den weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens sowie einer damit zusammenhängenden verwaltungsrechtlichen Streitigkeit wurde die damalige Leitung durch Vorlage der eingegangenen Berichte der Staatsanwaltschaft mit Verfügungen vom 28. Juli 2016, 14. September 2016, 31. Januar 2017 und 26. November 2018 informiert. a) Eine Richtlinie zur Vorlage von Ermittlungsverfahren wegen besonderer Bedeutung an den Senator oder die Staatsekretärin durch die Fachebene des Hauses existiert nicht. Die Fälle, in denen die Berliner Strafverfolgungsbehörden der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung über Ermittlungsverfahren zu berichten haben, sind in der Allgemeinen Verfügung über die Berichtspflichten der Berliner Strafverfolgungsbehörden in Strafsachen und Angelegenheiten der Strafvollstreckung (Berichts-AV) geregelt. Die zum 1. Oktober 2016 in Kraft getretene Fassung dieser Verwaltungsvorschrift ist im Amtsblatt von Berlin 2016, Nr. 40, S. 2417 ff. veröffentlicht . Zuvor galt in den Jahren 2011 bis 2016 die Allgemeine Verfügung über die Berichtspflichten in Strafsachen vom 31. März 2011. b) Die Vorlage bedeutsamer Vorgänge an die Hausspitze der Senatsverwaltung für Justiz , Verbraucherschutz und Antidiskriminierung erfolgt jeweils nach pflichtgemäßer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls. Berlin, den 18. Februar 2019 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung