Drucksache 18 / 17 754 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Franz Kerker (AfD) und Tommy Tabor (AfD) vom 31. Januar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Februar 2019) zum Thema: Berliner Schullandheime und Antwort vom 11. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) und Herrn Abgeordneten Tommy Tabor (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17 754 vom 31. Januar 2019 über Berliner Schullandheime ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Antworten zu dieser Anfrage erfolgten in Absprache und Abstimmung mit dem Schullandheim-Berlin e.V. 1. Die Arbeitsgemeinschaft Berliner Schullandheim-Vereine ist ein Verbund von sieben Schullandheimen aus der Stadt Berlin. Die Standorte liegen in Berlin, Brandenburg und auch an der Nordseeküste: SLH Blumenfisch D-14109 Berlin-Wannsee SLH Fuchsbau D-12459 Berlin SLH Groß Väter See D-17268 Templin, OT Groß Dölln SLH Gussow D-15754 Heidesee SLH Haus zur Sahlenburg D-27476 Cuxhaven SLH Oderlandcamp D-15306 Falkenhagen (Mark) SLH Walter May D-13503 Berlin 1.a) Welche weiteren Berliner Schullandheime gibt es und wo liegen diese? 1.b) Wann wurden die Berliner Schullandheime gegründet? Zu 1.a: Weitere Berliner Schullandheime sind: SLH Kronach, D-96317 Kronach SLH Wyk/Föhr, D-25938 Wyk auf Föhr SLH Wittdün D-25940 Wittdün / Amrum Zu 1.b: Diese Frage bedarf eines etwas längeren historischen Rekurses: Impulse zur Gründung der Schullandheime kommen während der Jahrhundertwende (1900) aus der Jugendbewegung, der Reformpädagogik und der Gesundheitsfürsorge. Auch die in 2 Steglitz gegründete Wandervogelbewegung gehörte dazu (s. Gedenktafel am Rathaus Steglitz). Das älteste “schuleigene Schullandheim” wurde 1917 gegründet. In verschiedenen Regionen des Reichsgebietes entstehen Schulheime, Landheime, Waldheime u.ä. Die Anhänger der Schullandheimbewegung selbst erfahren von der Existenz einer größeren Anzahl dieser Einrichtungen in Deutschland (120 Heime) erst durch die Gründung des “Reichsbundes der deutschen Schullandheime” im Jahre 1925. Es wird der Begriff “Schullandheim” geprägt. Die Schullandheimbewegung ist in den zwanziger Jahren eine der wichtigen reformpädagogischen Bewegungen. 1933 bestehen etwa 250 Schullandheime. Zu dieser Zeit sind in Berlin in jedem Bezirk Schullandheime in kommunaler Trägerschaft vorhanden. Viele Schulen haben eigene Heime im Umland, so z.B. auch das Gymnasium Steglitz. Darüber hinaus haben sich Vereine gegründet, die weitere Schullandheime betreiben. Ab 1933 werden die Schullandheime durch den Nationalsozialismus vereinnahmt. 1935/1936 wird der Reichsbund aufgelöst. Der Versuch, die Schullandheimbewegung mit dem Jugendherbergswerk unter der Führung der Hitlerjugend (HJ) zu vereinigen , misslingt. Die einzelnen Schullandheimträger bleiben selbstständig. 1938 wird auf Reichsebene das "Reichssachgebiet Schullandheime" und die "Reichsarbeitsgemeinschaft der deutschen Schullandheime" im NS-Lehrerbund geschaffen. Die Zahl der Schullandheime entwickelt sich bis 1939 auf 378 Heime. Während des Krieges werden die Schullandheime vielfach zweckentfremdet (z.B. für die “Kinderlandverschickung ”). Nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es unterschiedliche Entwicklungen in der BRD und in der DDR: In der Bundesrepublik Deutschland lebt die Schullandheimbewegung unmittelbar in der Nachkriegszeit wieder auf (mit 116 übrig gebliebenen Schullandheimen). Es wird im Jahre 1950 der “Verband Deutscher Schullandheime e.V.” als Dachverband gegründet . Zu dieser Zeit erfolgte auch die Wiedergründung der Berliner Schullandheimvereine . Außerdem wurden die kommunalen Heime (z.B. Tempelhofer Landheim in Warmensteimnach) weitergeführt. In den 50er und 60er Jahren werden Schullandheimaufenthalte von den Kultusministerien und Schulverwaltungen zunehmend als integrierter Bestandteil der Schule gesehen. Die Zahl der Schullandheime erreicht 1969 bundesweit mit 360 Einrichtungen einen Höhepunkt. Mit der allgemeinen Bildungsdiskussion Ende der 60er und 70er Jahre setzt eine kritische Überprüfung der Schullandheimarbeit ein. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft entwarf der Verband Deutscher Schullandheime e.V.” ein umfangreiches Modellversuchsprogramm (1973 bis 1996). Die Ergebnisse bildeten die Grundlage für viele Veröffentlichungen zur Schullandheimpädagogik und für Handreichungen zum Schullandheimaufenthalt . Vor der Wiedervereinigung gab es 348 Schullandheime (1987). In der DDR wurden fast alle Schullandheime in Staats- oder Gemeindebesitz übernommen und nicht als Bestandteile des Bildungswesens angesehen. In den sechziger Jahren entwickeln sich in der DDR "Außerschulische Einrichtungen". Es waren pädagogisch geleitete, staatliche Einrichtungen, die nur z.T. Übernachtungsmöglichkeiten besaßen. 1986 gibt es in der DDR 161 Häuser der Jungen Pioniere, 189 Stationen Junger Naturforscher und Techniker und 108 Stationen Junger Touristen. 3 Nach der Wiedervereinigung haben sich in den fünf neuen Bundesländern zahlreiche “Außerschulische Einrichtungen”, die Übernachtungsmöglichkeiten besaßen, in Schullandheime umgewandelt. Diese Umstrukturierung und gleichzeitige Existenzsicherung war meist dem Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Einrichtungen zu verdanken, die somit auch ihre eigenen Arbeitsplätze sicherten. Die Träger dieser “neuen” Schullandheime schlossen sich Anfang 1991 in Landesverbänden des Verbandes Deutscher Schullandheime e.V. zusammen. Die Zahl der Schullandheime erreicht 1994 in der Bundesrepublik Deutschland seinen Höchststand (434, davon 98 in den neuen Bundesländern). Im neuen Jahrtausend gibt es eine Phase der Schließung bei den Schullandheimen bzw. Auflösung der Schullandheim-Träger, meist aus wirtschaftlichen Gründen oder bedingt durch den Wechsel der Trägerschaft. Die Zahl der Schullandheime stabilisiert sich auf ca. 400 Einrichtungen (davon 350 organisiert im Bundesverband, Stand 2006). Das Profil vieler Schullandheime als schulergänzende Einrichtungen wird erweitert durch die stärkere Einbeziehung auch der außerschulischen Jugendarbeit in der Nutzung von Schullandheimen. In Berlin ging die Zahl der Heime stark zurück, da sich das Umland geöffnet hatte und Klassenfahrten nicht mehr Bestandteil der Lehrerausbildung bzw. –weiterbildung waren. Die Bezirkswanderleiter wurden abgeschafft, die Ausbildungsverpflichtung für Lehrkräfte (Wanderleiterschein) ebenfalls. 2.a) Welchem Zweck dienen die Berliner Schullandheime und an wen richten sie sich? 2.b) In wessen Trägerschaft befinden sich die einzelnen Berliner Schullandheime? Zu 2.a: Das Angebot richtet sich in erster Linie an Schulklassen sowie alle der Kinder- und Jugendarbeit verpflichteten Gruppen und Vereine. Außerdem stehen sie für Bildungsarbeit auch mit Erwachsenen zur Verfügung. Schullandheimaufenthalte sind Aufenthalte zum besseren Kennenlernen von Landschaft , Natur, Kultur, Wirtschaft und Menschen der Region. Die Heime liegen in naturnaher und ländlicher Umgebung. Es gibt unterschiedliche inhaltliche Profile der Schullandheime, bedingt durch Lage, Region und Ausstattung. Fortbildungen aller Art können im Schullandheim (auch zur Vorbereitung von Klassenfahrten ins Schullandheim) durchgeführt werden. Die Hauptarbeit ist aber für die Schulen Lernen am anderen Ort – Unterricht in anderer Form: - selbstgesteuertes ungestörtes Lernen - Fächer übergreifendes Lernen - vermitteln ganzheitlicher Zusammenhänge - naturnaher Tagesrhythmus - Zeit für Gespräche - Sensibilisierung für Neues und Ungewohntes - persönliche Entwicklung durch soziale Dienste, Erlebnisse und Lernen - Erfahrungen sammeln im Umgang mit Situationen, die in Gruppen auftreten - individuellere Betreuung der Schüler - kennen lernen und akzeptieren der Stärken und Schwächen anderer Zu 2.b: 4 SLH Blumenfisch Träger: VIA Werkstätten gGmbH SLH Fuchsbau Träger: Forum Naturfreundejugend Berlin e.V. SLH Groß Väter See Träger: Berliner Stadmission SLH Gussow Träger: Gem. Diakonie Betriebs GmbH SLH Haus zur Sahlenburg Träger: djo-Deutsche Jugend in Europa SLH Oderlandcamp Träger: tjfbg gGmbH SLH Walter May Träger: Freunde des Schullandheimes Walter May e.V. SLH Kronach Schullandheimverband Berlin e.V. SLH Wyk/Föhr Schullandheimverband Berlin e.V. SLH Wittdün Verein für Erholungs- und Ferienstätten e.G 3.a) Wie finanzieren sich die Berliner Schullandheime? (Bund, Land, Bezirk, Drittmittel. Bitte mit Angabe der Haushaltstitel) 3.b) Wie hat sich die Höhe der Mittel (für den laufenden Betrieb) die Berliner Schullandheime in den letzten zehn Jahren entwickelt? Zu 3.a und 3.b: Alle Schullandheime finanzieren sich ausschließlich durch eigene Einnahmen. Die Berliner Vereine erhalten aus einem Belegungsvertrag mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie einen jährlichen Zuwendungsbetrag, der aus einem festen Gesamtbetrag von 8.400,00 € nach den Belegungszahlen (nur durch Berliner Schülerinnen und Schüler belegte Plätze) verteilt wird. Die Zahlen für 2017 waren: SLH Blumenfisch 2.069,03 € SLH Fuchsbau 0,00 € (keine Zahlen gemeldet) SLH Groß Väter See 1.639,30 € SLH Gussow 629,22 € SLH Haus zur Sahlenburg 0,00 € (keine Zahlen gemeldet) SLH Oderlandcamp 293,19 € SLH Walter May 586,96 € SLH Kronach SLH Wyk/Föhr 3.182,30 € für beide Heime zusammen SLH Wittdün 0,00 € (keine Zahlen gemeldet) Es stehen keine weiteren Mittel oder öffentlichen Zuschüsse zur Verfügung. 4.a) Wie viele Mittel wurden in den letzten zehn Jahren für bauliche Veränderungen an Berliner Schullandheimen investiert? 4.b) Wie hoch ist der Sanierungsbedarf an den einzelnen Berliner Schullandheimen? Zu 4.a: Investitionen für bauliche Veränderungen liegen im Verantwortungsbereich der Träger , öffentliche Mittel stehen nicht zur Verfügung. Zu 4.b: 5 Laut Auskunft des Schullandheimverbands Berlin e.V. sind die benötigten Summen zum Teil erheblich. 5.a.) Wie hoch war die Bettenauslastung der Berliner Schullandheime im Jahr 2017 und im Jahr 2018? 5.b) Woher kommen die Schulklassen, die die Berliner Schullandheime nutzen? Zu 5.a: Die Zahlen zur Auslastung eines Schullandheimes liegen bei den jeweiligen Trägern. Eine systematische Erfassung existiert nicht, da wegen nicht vorhandener öffentlicher Mittel die Rechenschaftslegung nur vor den Vereinsmitgliedern in den Jahreshauptversammlungen stattfindet. Zu 5.b: Etwa die Hälfte der Schulklassen kommt aus Berlin, wenn die Heime nicht in Berlin liegen, die andere Hälfte kommt dann dort aus dem Umland der Heime. Die in Berlin liegenden Heime haben einen höheren Anteil Belegung durch Berliner Kinder. Exakte Auskünfte können nur die Träger geben. Schullandheime werden aber traditionsbedingt deutlich stärker durch Schulen aus dem ehemaligen West-Berlin aufgesucht. 6.a) Welche Unterstützung leistet das Land Berlin für die Berliner Schullandheime? 6.b) In welcher Form will der Senat bestehende Schullandheime weiterentwickeln? Sollen weitere Schullandheime gegründet werden? Zu 6.a: Siehe Antwort 3.a. Zu 6.b: Der Senat plant aktuell keine Gründung weiterer Schullandheime. Berlin, den 11. Februar 2019 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie