Drucksache 18 / 17 764 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) vom 04. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Februar 2019) zum Thema: Umsetzung von § 12a Abs. 1 AufenthG in Berlin und Antwort vom 13. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17764 vom 04. Februar 2019 über Umsetzung von § 12a Abs. 1 AufenthG in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Welche Maßnahmen hat der Senat generell und vorsorglich ergriffen, um sicherzustellen, dass zu integrierende Ausländer insbesondere einschließlich anerkannter Asylbewerber aus anderen Bundesländern sich nicht entgegen der Wohnsitzverpflichtung gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 AufenthG in Berlin niederlassen? Welche Kontrollmechanismen gibt es, um eine solche Niederlassung zu verhindern ? Zu 1.: Das bundeseinheitliche Melderecht enthält keine Möglichkeit, eine melderechtliche Erfassung bei entgegenstehender Wohnsitzauflage abzulehnen mit der Folge, dass zumindest melderechtlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass Ausländerinnen und Ausländer einschließlich anerkannter Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus anderen Bundesländern sich entgegen ihrer Wohnsitzverpflichtung gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Berlin niederlassen. Allerdings wird die Wohnsitzregelung des §12 a AufenthG flankiert durch eine entsprechende Zuständigkeitsregelung für die Auszahlung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II und XII, die im Wesentlichen nur am Ort der Wohnsitzzuweisung beantragt und ausgezahlt werden können (vgl. etwa für den Geltungsbereich des SGB II und XII § 36 Abs. 2 SGB II sowie § 23 Abs. 5 S. 1 und 2 SGB XII). Sprechen Personen mit einer anderweitigen Wohnsitzverpflichtung gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 AufenthG bei der Berliner Ausländerbehörde vor, werden diese darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich zwar in Berlin beispielsweise als Tourist aufhalten, aber hier keinen Wohnsitz nehmen dürfen. Seite 2 von 5 2) Von wie vielen Personen, die sich seit Inkrafttreten der Vorschrift entgegen § 12a Abs. 1 AufenthG zumindest temporär in Berlin niedergelassen haben, hat der Senat Kenntnis? Zu 2.: Die erbetenen Zahlen werden statistisch nicht erfasst. 3) Welche Maßnahmen hat der Senat gegenüber diesen Personen ergriffen, um die Beachtung von § 12 a Abs. 1 AufenthG sicherzustellen? Wurden insbesondere Sozialleistungen und Unterbringung verweigert? Zu 3.: Hinsichtlich der in § 12 a Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Wohnsitzregelung gibt es für die Leistungsbehörden im Rechtskreis des SGB II und SGB XII folgende Rechtsgrundlagen : Gemäß § 36 Abs. 2 SGB II (…) „ist für die jeweiligen Leistungen nach diesem Buch der Träger zuständig, in dessen Gebiet die leistungsberechtigte Person nach § 12a Absatz 1 bis 3 des Aufenthaltsgesetzes ihren Wohnsitz zu nehmen hat. Ist die leistungsberechtigte Person nach § 12a Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet, ihren Wohnsitz an einem bestimmten Ort nicht zu nehmen, kann eine Zuständigkeit der Träger in diesem Gebiet für die jeweiligen Leistungen nach diesem Buch nicht begründet werden; im Übrigen gelten die Regelungen des Absatzes 1.“ § 23 Abs. 5 SGB XII regelt Folgendes: (…) „Hält sich ein Ausländer entgegen einer räumlichen Beschränkung im Bundesgebiet auf oder wählt er seinen Wohnsitz entgegen einer Wohnsitzauflage oder einer Wohnsitzregelung nach § 12a des Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet, darf der für den Aufenthaltsort örtlich zuständige Träger nur die nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Leistung erbringen. Unabweisbar geboten ist regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des Bedarfs für die Reise zu dem Wohnort, an dem ein Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat. In den Fällen des § 12a Absatz 1 und 4 des Aufenthaltsgesetzes ist regelmäßig eine Reisebeihilfe zu dem Ort im Bundesgebiet zu gewähren, an dem der Ausländer die Wohnsitznahme begehrt und an dem seine Wohnsitznahme zulässig ist. Der örtlich zuständige Träger am Aufenthaltsort informiert den bislang örtlich zuständigen Träger darüber, ob Leistungen nach Satz 1 bewilligt worden sind. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 23a, 24 Absatz 1 oder § 25 Absatz 4 oder 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen , wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem der Aufenthaltstitel erstmals erteilt worden ist. Satz 5 findet keine Anwendung, wenn der Wechsel in ein anderes Land zur Wahrnehmung der Rechte zum Schutz der Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes oder aus vergleichbar wichtigen Gründen gerechtfertigt ist.“ Die genannten Rechtsgrundlagen werden nach Kenntnisstand des Senats so auch angewandt und umgesetzt. Ob und in welcher Höhe insbesondere Sozialleistungen und Unterbringung verweigert wurden, wird im Einzelfall durch die jeweilige Leistungsbehörde entschieden und entzieht sich daher der Kenntnis des für Grundsatzangelegenheiten im Bereich des SGB II und SGB XII zuständigen Senats. 4) Welche finanziellen Folgen hat es für das Land Berlin (insbesondere, aber nicht ausschließlich mit Blick auf Sozialleistungen und die Finanzierung von Unterkunft, Gesundheit und Bildung), wenn sich Ausländer entgegen § 12a Abs. 1 AufenthG in Berlin niederlassen? Seite 3 von 5 Zu 4.: Welche unabweisbar gebotenen Leistungen bei Verstoß gegen die Wohnsitzregelung nach § 12 a AufenthG im Einzelfall gewährt wurden (hierzu wird teilweise auf die Beantwortung der Frage 3 verwiesen), entzieht sich der Kenntnis des Senats. 5) Wie ist der Stand der Umsetzung von Punkt 3) der Gemeinsamen Erklärung der Senatoren der drei Stadtstaaten aus dem Jahr 2017 (vgl. die Pressemitteilung vom 28.11.2017: https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2017/pressemitteilung.652768.php) Zu 5.: Mit dem Ziel der Sicherstellung der Integration von Personen, deren Aufenthaltsrecht auf der Gewährung humanitären oder internationalen Schutzes beruht und einer gleichmäßigeren Verteilung dieser Personengruppe wurde mit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes zum 6. August 2016 in § 12a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) eine neue Regelung zur Wohnsitzzuweisung geschaffen, deren Gültigkeit zunächst bis zum 6. August 2019 befristet war. Mit Inkrafttreten des Familiennachzugsneuregelungsgesetzes zum 1. August 2018 hat der Bundesgesetzgeber bestimmt, dass § 12a AufenthG in der bis zum 6. August 2019 geltenden Fassung weiter Anwendung auf Ausländerinnen und Ausländer findet, für die vor dem 6. August 2019 eine Verpflichtung nach § 12a Absatz 1 bis 4 oder 6 AufenthG begründet wurde. Damit wird ein Zuzug des o. g. Personenkreises, der nicht mit mindestens 15 Wochenstunden sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, zumindest zunächst teilweise begrenzt. 6) Welche administrativen und rechtlichen Mittel stehen dem Senat zur Verfügung, um eine möglichst gleichmäßige Verteilung von Asylbewerbern innerhalb Berlins sicherzustellen? Wie nutzt der Senat diese Mittel konkret und ist eine gleichmäßige Verteilung ein politisches Ziel des Senats? 7) Welche Unterschiede ergeben sich mit Blick auf Frage Nr. 6 aus dem jeweiligen Aufenthaltsstatus der Betroffenen und den hierfür jeweils geltenden Rechtsvorschriften (bitte aufgliedern nach: anerkannter Asylbewerber / noch im Verfahren befindlicher Asylbewerber / abgelehnter Asylbewerber)? Zu 6. und 7.: Bei den Berliner Bezirken handelt es sich – anders als bei den Gemeinden in sog. Flächenstaaten - nicht um rechtlich selbständige Gebietskörperschaften, sondern nach § 2 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) lediglich um Selbstverwaltungseinheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit. In Berlin wird somit nicht zwischen staatlicher und gemeindlicher Tätigkeit getrennt. Daher wird die Verteilung von Asylbegehrenden und Geflüchteten auf die zu einem Bundesland gehörenden Gemeinden nicht wie in anderen Bundesländern durch ein Landesgesetz bzw. eine darauf basierende Rechtsverordnung geregelt. Die Zielsetzung, die Verteilung von Unterbringungskapazitäten für die vorgenannten Personenkreise innerhalb des Stadtgebietes sowohl unter dem Gesichtspunkt einer bedarfsgerechten Versorgung als auch unter Berücksichtigung bezirklicher Belange auszugestalten, kann daher nur auf administrativer Ebene und in enger Abstimmung zwischen Haupt- und Bezirksverwaltungen erreicht werden. Der Senat geht dabei von der Prämisse aus, dass in allen Bezirken die grundsätzliche Bereitschaft besteht, sich solidarisch und angemessen an der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu beteiligen, für alle in Berlin aufgenommenen Asylsuchenden und Geflüchteten eine menschenwürdige Unterbringung, bedarfsorientierte Versorgung und integrationsfördernde Betreuung und Unterstützung zu gewährleisten. Seite 4 von 5 Vor diesem Hintergrund hatte die für Soziales zuständige Senatsverwaltung bereits im Jahr 2013 ein Konzept zur gesamtstädtischen Unterbringungssteuerung in Berlin entwickelt und im Rat der Bürgermeister mit den Bezirken abgestimmt. Als Folge der in den Folgejahren unerwartet stark angestiegenen Asylzugänge mit der daraus resultierenden Notwendigkeit, zügig neue Unterbringungskapazitäten zu schaffen, um allen in Berlin aufgenommenen Geflüchteten eine menschenwürdige Unterbringung zu ermöglichen, konnte dieses Konzept nur bedingt umgesetzt werden. Daher wurde diese Thematik in dem Masterplan für Integration und Sicherheit vom 24.05.2016 erneut aufgegriffen, indem u. a. im einleitenden Text zu Kapitel 4 – Unterbringung und Wohnraum – ausgeführt wird, dass „soziale Verdichtung, Segregation und Ghettoisierung verhindert (werden sollen).“ Im Gesamtkonzept zur Integration und Partizipation Geflüchteter, das der Senat am 11.12.2018 – nach einem aufwändigen Prozess intensiver Diskussionen innerhalb der Stadtgesellschaft und unter Beteiligung zahlreicher staatlicher und nicht-staatlicher Akteure - beschlossen hat und das unter der Internetadresse https://www.berlin.de/lb/intmig/themen/fluechtlinge/fluechtlingspolitik/ abgerufen werden kann, wurden diese Ansätze weiterentwickelt: So sind im Rahmen des Handlungsfelds 2: Unterkunft, Wohnen und Soziales u. a. Maßnahmen zur zielgruppenorientierten Unterbringung von Geflüchteten vorgesehen, die dieser Perspektive entsprechen: Während bisher neue Flüchtlingsunterkünfte in erster Linie dort errichtet werden, wo geeignete Flächen bzw. Immobilien verfügbar sind, die die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen und einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen, jedoch Mindestanforderungen - wie ein integrationsförderndes Umfeld, beispielsweise durch Kontakte mit der Anwohnerschaft bei der Standortwahl – häufig nur eine untergeordnete Rolle spielten, sollen künftig weitergehende Aspekte wie ein etwaiger Bedarf an einer Stärkung der lokalen Infrastruktur, die integrationsrelevanten Bedürfnisse und die deckungsgleichen Bedürfnisse von Alt-Wohnbevölkerung und von Geflüchteten stärker berücksichtigt werden. Dabei geht es beispielsweise um eine ausreichende Beschulung und Kinderbetreuung sowie medizinische Versorgung. Die Belegungssteuerung des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) soll sich darüber hinaus an den unterschiedlichen, von den individuellen Voraussetzungen abhängigen Bedarfen der Geflüchteten beispielsweise in Bezug auf Beratungsund Betreuungsangebote und weitere Integrationsmaßnahmen orientieren, soweit die verfügbaren Unterbringungskapazitäten und die Infrastruktur an den Standorten dies möglich machen. Dafür wird die Unterbringung in ein integratives Konzept eingebunden und im erweiterten Zusammenhang mit der sozialen Eingliederung der Geflüchteten bezirksübergreifend gesteuert. Zudem sollen bei der Auswahlentscheidung für neue Unterkünfte integrationsrelevante Faktoren, die das individuelle Profil eines möglichen Standorts prägen, als Kriterien mit einbezogen werden. Dies gilt vorrangig für Unterkünfte, die der Unterbringung besonders schutzwürdiger oder anderweitig besonders schutzbedürftiger Personengruppen dienen sollen. Die Zuständigkeit des LAF für die Standortauswahl von Gemeinschaftsunterkünften und Belegung dieser Einrichtungen ist allerdings auf die in Nr. 14 Absatz 16 der Anlage zum Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz (Allgemeiner Zuständigkeitskatalog – ZustKat AZG) aufgeführten Personengruppen begrenzt. Während insoweit bezüglich der Unterbringung nicht zwischen den einzelnen in § 1 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) aufgeführten leistungsberechtigten Personengruppen in der Zu- Seite 5 von 5 ständigkeit des LAF differenziert wird, sind für die Unterbringung Geflüchteter, die im Ergebnis eines erfolgreich abgeschlossenen Asylverfahrens als Asylberechtigte nach Art. 16a Grundgesetz (GG) oder Flüchtling nach § 3 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) anerkannt wurden oder für die subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG festgestellt wurde , die dezentralen Leistungs- bzw. Ordnungsbehörden auf bezirklicher Ebene zuständig . Angesichts des angespannten Wohnungsmarkts und der Erschwernisse, denen Geflüchtete bei der Wohnungssuche häufig begegnen, sind sie - ebenso wie andere Personenkreise – vielfach von Wohnungslosigkeit bedroht. Deshalb hat der Senat am 17.07.2018 den Projektauftrag für die gesamtstädtische Steuerung der Unterbringung von Wohnungslosen (GStU) mit dem Ziel beschlossen, eine qualitätsgesicherte und bedarfsgerechte Unterbringung aller von Wohnungslosigkeit Bedrohten oder Betroffenen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihren aufenthaltsrechtlichen Titeln sicherzustellen; die darin vorgesehenen Maßnahmen gelten entsprechend auch für die vorgenannten Geflüchteten, die leistungsrechtlich aus der Zuständigkeit des LAF in die Zuständigkeit der Bezirke bzw. Jobcenter gewechselt sind. Ein wesentliches Element dieses Vorhabens besteht in einer IT-gestützten gesamtstädtische Kapazitätsplanung sowie einer ebenfalls softwarebasierten gesamtstädtische Belegungssteuerung. Berlin, den 13. Februar 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport