Drucksache 18 / 17 793 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Niklas Schrader und Anne Helm (LINKE) vom 4. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Februar 2019) zum Thema: Mobile Kommunikationsgeräte im Polizeidienst und Umgang mit personenbezogenen Daten (II) und Antwort vom 18. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Feb. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) und Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17793 vom 04. Februar 2019 über Mobile Kommunikationsgeräte im Polizeidienst und Umgang mit personenbezogenen Daten (II) ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Laut einem Bericht des Tagesspiegels wurde am 20. Januar auf dem Kurznachrichtendienst Twitter durch einen Polizisten ein Video veröffentlicht, das ein Zeuge von einem gewalttätigen Übergriff in der Berliner U-Bahn am 18. Januar aufgenommen hat. Laut diesem Bericht sei das Zeugenvideo zuvor zunächst in Gruppenchats von Polizeibeamt*innen beim Messengerdienst WhatsApp kursiert. a) Welche Verstöße gegen welche dienstlichen bzw. gesetzlichen Datenschutzvorschriften und welche Straftaten kommen in Betracht, wenn Polizeibeamt*innen Instant-Messenger-Dienste kommerzieller Anbieter zur Datenübermittlung zum Zweck polizeilicher Ermittlungen verwenden? b) Welche Verstöße gegen welche dienstlichen bzw. gesetzlichen Datenschutzvorschriften und welche Straftaten kommen in Betracht, wenn personenbezogene Daten aus polizeilichen Ermittlungen innerhalb der Polizei an nicht an den Ermittlungen beteiligte Dienstkräfte übermittelt werden? Zu 1.: a) In Betracht kommen eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 70 Berliner Datenschutzgesetz (BlnDSG) in Verbindung mit § 29 Abs. 1 BlnDSG durch einen Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Nr. 5 BlnDSG, ein Verstoß gegen die innerdienstliche Weisung über die Nutzung privater mobiler Endgeräte zur polizeilichen Aufgabenerfüllung sowie ein Verstoß gegen die Geschäftsanweisung (GA) PPr Stab Nr. 1/2010 über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutz). Dienstrechtlich ist ein Verstoß gegen die beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes (§ 34 Satz 3 Beamtenstatusgesetz [BeamtStG]) sowie ein Verstoß gegen die Beamtenpflicht aus § 35 Abs. 1, Satz 2 BeamtStG, dienstliche Anordnungen und allgemeine Richtlinien der Vorgesetzten zu beachten, in Betracht zu ziehen. In strafrechtlicher Hinsicht können einzelfallabhängig unter Umständen die Straftatbestände der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Strafgesetzbuch [StGB]) und der Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB) einschlägig sein. b) In Betracht kommt eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 70 BlnDSG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 BlnDSG durch einen Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Nr. 2 BlnDSG. Seite 2 von 4 Bezüglich weiterer möglicher dienst- und strafrechtlicher Verstöße wird auf die Beantwortung zu 1.a) verwiesen. 2. In wie vielen Fällen laufen in dieser Sache jeweils disziplinarrechtliche und strafrechtliche Ermittlungen? Zu 2.: Aufgrund der Veröffentlichung des Videos über den Kurznachrichtendienst Twitter wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die strafrechtlichen Ermittlungen richten sich gegenwärtig gegen einen namentlich noch nicht bekannten Polizeibeamten. Ein Disziplinarverfahren ist bislang noch nicht eingeleitet worden. 3. Mit welchen verschiedenen Maßnahmen werden Polizeibeamt*innen daraufhin sensibilisiert, dass dies ein vorschriftenwidriges Verhalten darstellt? Zu 3.: Hinsichtlich der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) in der Polizei Berlin gibt es eine für jede Dienstkraft behördenweit einheitliche, verbindliche und abschließende Regelung in der Geschäftsanweisung ZSE III Nr.1/2016. Dort ist klar geregelt, dass die Nutzung privater IT-Geräte für dienstliche Zwecke grundsätzlich untersagt ist. Ebenso ist die Nutzung dienstlicher zur Verfügung gestellter IT-Geräte für private Zwecke untersagt. Begleitend zu dieser Geschäftsanweisung wurde seitens des Justiziariats der Polizei Berlin eine Formelle Nachricht zum Thema Nutzung privater mobiler Endgeräte zur polizeilichen Aufgabenerfüllung allen Polizeidienststellen zur Kenntnis gebracht. Auch hier wird darauf hingewiesen, dass die Nutzung privater Endgeräte zu dienstlichen Zwecken bis auf besondere Ausnahmen (aus zwingenden, unverzichtbaren gefahrenabwehrrechtlichen oder einsatztaktischen Gründen ist die Telefonie erlaubt) nicht zulässig ist. Hierbei wird auch explizit die dienstliche Nutzung von Messenger- Diensten wie WhatsApp und die private Übersendung dienstlicher Daten über Messenger-Dienste aufgeführt. Der Inhalt dieser Geschäftsanweisung wird Anwärterinnen und Anwärtern des mittleren Polizeivollzugsdienstes im MAP-Grundkurs (Multifunktionaler Arbeitsplatz Polizei) vermittelt und die Beachtung der GA auf einem Belehrungsschreiben von jedem Auszubildenden per Unterschrift bestätigt. Anwärterinnen und Anwärtern des gehobenen Polizeivollzugsdienstes wird die Geschäftsanweisung im Kurs „IuK- Computerkriminalität“ vermittelt. Zudem werden seit September 2018 alle neu eingestellten Anwärterinnen und Anwärter im mittleren Polizeivollzugsdienst in 90-minütigen Vorträgen sensibilisiert. Hierzu gehört auch ein anschließender Austausch zur berufsverträglichen Nutzung sozialer Medien sowie von Messenger-Diensten. Im Rahmen der Fortbildung wird an geeigneter Stelle ebenfalls auf die geltenden Regelungen hingewiesen. Durch das Social Media Management der Polizei Berlin werden zudem für alle Mitarbeitenden allgemeine Hinweise zum Umgang mit sozialen Medien, sowohl im dienstlichen als auch im privaten Bereich, im Intranet bereitgestellt. 4. Wurden für das Übermitteln des Videos in Gruppenchats bei dem unter 1. genannten Vorfall private Mobiltelefone benutzt? Zu 4.: Ja. 5. Von wie vielen Fällen der Nutzung privater Endgeräte für die Speicherung oder Übermittlung polizeilicher Daten in den letzten fünf Jahren hat der Senat Kenntnis? Seite 3 von 4 6. Von wie vielen WhatsApp-Gruppenchats, die von Polizeibeamt*innen untereinander entweder teilweise oder ausschließlich für dienstliche Zwecke benutzt werden, hat der Senat Kenntnis erlangt? 7. An wie vielen dieser Gruppenchats waren auch Dienstkräfte der LKA-Abteilung 5 – Polizeilicher Staatsschutz beteiligt? Zu 5. bis 7.: Die angefragten Daten werden durch die Polizei Berlin statistisch nicht erhoben. Die Nutzung privater IT-Geräte für dienstliche Zwecke ist den Dienstkräften der Polizei Berlin untersagt. Auf dienstlichen Endgeräten ist die Nutzung von Instant- Messenger-Diensten wie WhatsApp technisch unterbunden. 8. Personen, die Auskunftsersuchen über die polizeiliche Speicherung ihrer Daten an die Polizei richten, erhalten gemäß § 50 ASOG Bln. Auskunft über Ort, Umfang und Art der gespeicherten Daten: Umfasst dieses Auskunftsrecht auch von Polizeibeamt*innen angelegte Chats oder Gruppenchats, Server von Instant-Messenger-Diensten kommerzieller Anbieter, auf denen Daten auskunftsersuchender Personen gespeichert sind? Wenn ja, wird dahingehenden Auskunftsersuchen nachgekommen? Zu 8.: Nein. Die bestehende Regelungs- und Vorschriftenlage untersagt es den Dienstkräften der Polizei Berlin, private internetfähige Kommunikationsmittel wie Smartphones und Tablets im Rahmen der polizeilichen Arbeit zu verwenden. Gemäß den existierenden dienstlichen Anweisungen und Vorschriften zur Erhebung und Übermittlung personenbezogener Daten werden mit dienstlichen, mobilen, internetfähigen Endgeräten keine personenbezogenen Daten über kommerzielle Instant-Messaging-Dienste ausgetauscht, verarbeitet oder gespeichert. 9. Wie viele persönliche Twitter-Accounts von Angehörigen der Berliner Polizei sind dem Senat bekannt, die in dem sozialen Netzwerk Informationen, Berichte oder sogar Bildmaterial aus dem dienstlichen Alltag, beispielsweise aus Polizeieinsätzen heraus, öffentlich teilen? Zu 9.: Die angefragten Daten werden durch die Polizei Berlin statistisch nicht erhoben. 10. Existieren Richtlinien, Vorschriften oder sonstige Weisungen zum öffentlichen Teilen von Inhalten mit dienstlichen Bezügen auf privaten Social-Media-Accounts? Wenn ja, welche? Zu 10.: Gemäß § 37 BeamtStG haben Beamtinnen und Beamte über die ihnen bei oder bei Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Die Polizeidienstvorschrift 350 BE über das Verhalten von Polizeibeamten weist für die Dienstkräfte der Polizei Berlin in Punkt 4.3.7 u. a. darauf hin, dass es unzulässig ist, polizeiliche Daten für private Zwecke zu nutzen sowie dienstlich erlangte Kenntnisse an Dritte weiterzugeben. Darüber hinaus haben Polizeidienstkräfte bei Missbrauch straf- und disziplinarrechtliche Konsequenzen zu befürchten. 11. Am 22. September 2018 kam es in Berlin Mitte zu mehreren Protestkundgebungen und Demonstrationen gegen den jährlich stattfindenden so genannten „Marsch für das Leben“. Im Zuge dessen erfolgten zahlreiche polizeiliche Maßnahmen gegen Versammlungsteilnehmer*innen: Trifft es zu, dass Polizeidienstkräfte in bürgerlicher Kleidung in diesem Rahmen während einer Identitätsfeststellung bzw. der Erteilung eines Platzverweises im Bereich Invalidenstraße zwischen Europaplatz und Chausseestraße zwischen 14 und 15 Uhr personenbezogene Daten der betroffenen Person mit einem Smartphone oder Tablet übermittelt haben? Seite 4 von 4 a) Handelte es sich dabei um ein dienstlich bereitgestelltes oder ein privat beschafftes Gerät? b) Wurden dabei Instant-Messenger-Dienste kommerzieller Anbieter wie Facebook Chat, WhatsApp, Telegram etc. verwendet? Wenn nein, welcher andere Dienst wurde für die Übermittlung der Daten verwendet? 12. Trifft es zu, dass Polizeibeamt*innen im Rahmen der unter 11. erwähnten Maßnahmen den Personalausweis mit einem Smartphone fotografiert und über einen nicht-polizeilichen Kommunikationskanal wie beispielsweise Instant-Messenger-Dienste kommerzieller Anbieter übermittelt haben? Wenn ja, a) an welche Stellen wurden diese übermittelt und in welchen Datenbanken wurden diese personenbezogenen Daten ggf. gespeichert? b) wurde die betroffene Person über diese Form der Datenübermittlung und ggf. -Speicherung informiert? Wenn nein, warum nicht? Zu 12.: Der Aufzug „Marsch für das Leben 2018“ wurde durch die Direktion Einsatz, 1. Bereitschaftspolizeiabteilung geführt. Der geschilderte Sachverhalt konnte dort nicht verifiziert werden. 13. In der Antwort auf Frage 5 unserer Schriftlichen Anfrage vom 15. August 2018 (Drs. 18 / 16000) gibt der Senat an: „Die Regelungen zum Einsatz eines behördeneigenen Messengers werden zurzeit erarbeitet und bilden dann die Grundlage für den Einsatz von Instant-Messaging-Diensten in der polizeilichen Arbeit.“ a) Für wann ist mit einem Beginn des Einsatzes des behördeneigenen Messengers zu rechnen? b) Findet im Rahmen der Umsetzung des behördeneigenen Messengers ein Austausch der Berliner Polizei mit Polizeibehörden anderer Länder bzw. des Bundes statt? Wenn ja, in welcher Form? c) Ist in diesem Zusammenhang geprüft worden, ob für einen behördeneigenen Messenger eine polizeieigene Version eines freien Messengers mit Kommunikationsprotokoll mit offenem Quellcode ähnlich des Signal-Protokolls kompiliert werden könnte? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Zu 13.: a) Die Polizei Berlin hat einen eigenen Messenger entwickelt, der sich derzeit in der Vorbereitung des Beteiligungsverfahrens zum Probeechtbetrieb befindet. Es ist geplant , diesen im zweiten Quartal 2019 aufzunehmen. b) Im Rahmen von Workshops und Arbeitsgruppen findet ein regelmäßiger Austausch zum Thema mobiler Entwicklungen mit verschiedenen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder statt. c) Es wurden im Rahmen einer Marktschau unterschiedliche Messenger betrachtet und auf ihre Eignung für polizeiliche Zwecke geprüft. Insbesondere aufgrund unterschiedlicher datenschutzrechtlicher Vorschriften der Länder sowie Einbindung in die vorhandene IT-Infrastruktur wird im Ergebnis auf eine Eigenentwicklung auf Basis von Open-Source Komponenten gesetzt, welche eine Interoperabilität zu Bund und Ländern bietet. Berlin, den 18. Februar 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport