Drucksache 18 / 17 816 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tommy Tabor (AfD) vom 07. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Februar 2019) zum Thema: Berlin: Schülerdelikte im Dunkelfeld – Vertuschung statt Problemlösung und Antwort vom 27. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. März 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Tommy Tabor (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17816 vom 07. Februar 2019 über Berlin: Schülerdelikte im Dunkelfeld – Vertuschung statt Problemlösung ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Sind Schulleitungen bzw. Lehrkräfte dazu verpflichtet, jede Straftat eines Schülers bei der Polizei anzuzeigen? Zu 1.: Nein. 2. Welche Straftaten müssen zwingend zur Anzeige gebracht werden? Zu 2.: Laut den „Notfallplänen für Berliner Schulen“ ist folgendermaßen zu verfahren: Wenn unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Substanzen im Besitz einer Schülerin oder eines Schülers gefunden werden, ist die Polizei zu verständigen; dies ist außerdem vorgeschrieben bei massiven Gewalttaten gegen Personen, die über eine gewöhnliche Schlägerei unter Schülerinnen und Schülern hinausgehen, sowie bei Bedrohung von Personen mit Waffen oder der voraussichtlich ernsthaften Ankündigung solchen Verhaltens. Ebenso ist der Besitz von unter das Waffengesetz fallenden Gegenständen der Polizei zu melden, damit die Polizei diese Gegenstände sicherstellen kann. Außerdem sind anzuzeigen: Vandalismus, Raub, Erpressung, Nötigung und Waffengebrauch, Geiselnahme und Tötungsdelikte sowie deren glaubhafte Ankündigung, sexuelle Übergriffe, verbale oder tätliche Übergriffe auf Schulpersonal. 2 Der Gebrauch von Gewaltdarstellungen auf Datenträgern und verfassungsfeindliche Äußerungen sind je nach Schwere der Tat, Alter und Entwicklungsstand des Täters oder der Täterin anzuzeigen. 3. Würde der Senat es begrüßen, wenn jede Straftat (auch Antragsdelikte und Vergehenstatbestände) von Schülern zur Anzeige gebracht wird, um bei den Schülern Einsicht in ihr Fehlverhalten zu erwirken ? Wenn nein, warum nicht? Zu 3.: Die Anzeige von Schülerstraftaten liegt in der Regel im pädagogischen Ermessen. Der Senat gibt hier – abgesehen von den unter 2. genannten Sachverhalten – keine Regeln vor. Bei Bedarf kann jede Straftat angezeigt bzw. Strafantrag gestellt werden. Eine allgemeine Anzeigepflicht hält der Senat nicht für erforderlich, da auch pädagogische Mittel ausreichen können, Einsicht in Fehlverhalten zu erwirken. 4. Unter welchen Voraussetzungen werden politisch oder religiös motivierte Straftaten von Schülern zur Anzeige bei der Polizei gebracht? Zu 4.: Laut den „Notfallplänen für Berliner Schulen“ sind verfassungsfeindliche Äußerungen von Schülerinnen und Schülern, wenn sie schwerwiegend sind, in Abhängigkeit vom Alter und Entwicklungsstand der handelnden Schülerinnen und Schüler bei der Polizei anzuzeigen. In Betracht kommen insbesondere öffentliche Äußerungen links- oder rechtsextremistischer Art, menschenverachtende, rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische Äußerungen , religiös-fundamentalistische, sexistische Äußerungen in extremer Form, die der grundgesetzlich garantierten Menschenwürde entgegenstehen. Es kann sich insbesondere um die Straftatbestände Volksverhetzung (§ 130 StGB), Verbreitung von Propagandamitteln bzw. die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB) oder die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) handeln. 5. Wie viele Straftaten von Schülern wurden von Schulleitungen bzw. Lehrkräften angezeigt und fanden damit Eingang in die PKS? (Bitte auflisten nach Art der Straftat und Jahr für die letzten 10 Jahre.) Zu 5.: Zu den erfragten Daten sind keine Angaben möglich. In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden weder die Anzeigenden (hier Schulleitungen bzw. Lehrkräfte) noch die Eigenschaft „Schüler“ für Tatverdächtige erfasst. Eine automatisierte Datenerhebung kann daher nicht durchgeführt werden. 3 6. Gibt es seitens des Senates eine Dunkelfelduntersuchung oder wurde die Polizei dazu ermächtigt? Falls nein, warum nicht? Zu 6.: Von Juni 2010 bis April 2011 befragte das Kriminologische Institut Niedersachen (KFN) im Auftrag des Senats Berliner Jugendliche, die sich in der 9. Schuljahrgangsstufe befanden, zu ihren Erfahrungen als Opfer und Täter von Gewalt. Die Ergebnisse wurden im 114. Forschungsbericht des Instituts veröffentlicht: https://kfn.de/wp-content/uploads/Forschungsberichte/FB 114.pdf 7. Gibt es in Berlin einen Runderlass für Schulen, um die nötige Orientierung und Rechtssicherheit beim Auftreten von strafbaren Handlungen durch Schüler zu geben? Zu 7.: Im Informationsschreiben „Gewalt und Notfälle“ von 2011 wird der Umgang mit Gewaltvorfällen und Notfallsituationen an Schulen geregelt. Sie sind eng an die „Notfallpläne für Berliner Schulen“ gekoppelt, die der Senat an alle öffentlichen Berliner Schulen in Form eines nach Gefährdungsgraden und Sachverhalten gegliederten Aktenordners verteilt hat. Darin werden den Schulen Anweisungen und Hinweise für Notfälle, darunter unter anderem die zu 2. und 4. beschriebenen Straftaten, gegeben. Die Notfallpläne sind auch online abrufbar: https://www.berlin.de/sen/bildung/unterstuetzung/gewalt-undnotfaelle /notfallordner.pdf 8. Wenn ein derartiger Runderlass existiert: wie wird sichergestellt, dass alle Lehrkräfte und Erzieher regelmäßig dazu geschult werden? Zu 8.: Dies liegt in der Verantwortung der jeweiligen Schulleitung. Fortbildungen können über die regionale Fortbildung nachgefragt werden. 9. Der Senat möchte, wie mehrfach öffentlich erklärt, negative Schulrankings vermeiden. Sieht der Senat bei der Unterdrückung von schulgenauen Statistiken über Vorfälle von Gewalt und Mobbing das Informationsrecht der Eltern bei der Schulwahl gefährdet? Zu 9.: Auf Grund des unterschiedlichen Meldeverhaltens der Schulen wäre die schulbezogene Veröffentlichung kein verlässliches Kriterium für die Schulwahl, zumal aus den Zahlen nicht ablesbar ist, welche Maßnahmen zur Schulentwicklung eingeleitet wurden . Die Eltern können sich aber an den veröffentlichten Teilen der Schulinspektionsberichte orientieren, in denen Stärken und Entwicklungsbedarfe der einzelnen Schule dargestellt werden: https://www.berlin.de/sen/bildung/unterstuetzung/schulinspektion, dort im online Schulverzeichnis. 4 10. Wie sollten aus Sicht des Senats Schulleitungen Schülern gegenüber handeln, denen Drogenbesitz oder der Konsum von Drogen nach dem Betäubungsmittelgesetz nachgewiesen wurde? Zu 10.: Der Notfallplan für Suchtmittelkonsum sieht Folgendes vor: Die Schulleitung, die Kontaktlehrkraft für Suchtprophylaxe und die Klassenlehrkraft analysieren und bewerten gemeinsam die Schwere der Vorkommnisse. Die Schulleitung sichert in Fällen von Besitz verbotener Drogen die Substanzen und verständigt die Polizei. Je nach Situation wird möglichst schnell mit der betroffenen Schülerin /dem betroffenen Schüler das Gespräch gesucht. Die Erziehungsberechtigten werden verständigt, sofern nicht ausnahmsweise gewichtige Gründe – zum Beispiel Kindeswohlgefährdung - dagegen sprechen. Das Ergreifen von Erziehungs- oder Ordnungsmaßnahmen im Sinne von §§ 62, 63 des Schulgesetzes wird geprüft. Weiterführende Gesprächsangebote sowie außerschulische Beratungs- und Hilfsangebote werden durch die Lehrkraft für Suchtprophylaxe vermittelt. Berlin, den 27. Februar 2019 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie