Drucksache 18 / 17 850 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Herbert Mohr (AfD) vom 11. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Februar 2019) zum Thema: Ärztemangel in Berlin ?! und Antwort vom 01. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. März 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Herbert Mohr (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17850 vom 11. Februar 2019 über Ärztemangel in Berlin ?! ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Inwiefern gibt es in Berlin einen festgestellten Ärztemangel? Wenn ja, wann wurde dieser festgestellt? 2. In welchen Fachrichtungen ist in Berlin ein Ärztemangel zu verzeichnen? (Bitte nach Fachrichtungen, Bezirken, Jahren aufgesplittet.) Zu 1. und 2.: Zur Feststellung der Versorgungslage im ambulanten Bereich ist allein die Bedarfsplanungsrichtlinie (BPL-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses maßgeblich. Diese legt für die verschiedenen Arztgruppen die allgemeinen Verhältniszahlen je Arztgruppe fest. So beträgt beispielsweise die allgemeine Verhältniszahl in der hausärztlichen Versorgung 1:1671, d.h. auf 1671 Einwohnerinnen und Einwohner ist ein hausärztlicher Versorgungsauftrag notwendig, um einen Versorgungsgrad von 100 % zu erreichen. Die Landesausschüsse nach § 90 SGB V überprüfen die Versorgungsgrade auf jährlicher Basis. Wird ein Versorgungsgrad von unter 50 % bzw. von unter 75 % in der hausärztlichen Versorgung ermittelt, so haben die Zulassungsausschüsse gemäß § 29 BPL-RL eine Unterversorgung festzustellen. Gemäß § 24 BPL-RL ist bei einem Versorgungsgrad von über 110 % eine Überversorgung festzustellen. Nach § 103 Absatz 1 Satz 2 SGB V hat der Landesauschuss in diesem Falle Zulassungsbeschränkungen auszusprechen, so dass der Planungsbereich für weitere Niederlassungen von Ärztinnen oder Ärzten der entsprechenden Fachgruppe gesperrt ist. Dies ist für Berlin als einheitlichem Planungsbereich seit Jahren der Fall, lediglich in der Arztgruppe der Hausärzte ist der Versorgungsgrad im Jahr 2018 unter 110 % gefallen, so dass derzeit 42,5 Versorgungsaufträge ausgeschrieben werden. - 2 - 2 Somit ist für das Land Berlin als einheitlichem Planungsbereich keinerlei Unterversorgung gemäß der BPL-RL festzustellen. Auf Bezirksebene werden die Versorgungsgrade im Rahmen des vom gemeinsamen Landesgremiums Berlin 2013 beschlossenen „Letter of Intent“ für 14 Arztgruppen erhoben. Im Beobachtungszeitraum von 2013 bis 2018 wurde dabei zweimal der Versorgungsgrad von 50 %, der gemäß den Vorgaben der BPL-RL als Unterversorgung in der allgemeinen fachärztlichen Versorgung anzusehen ist, unterschritten. Dies betraf die Bezirke Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick jeweils in der Arztgruppe der Kinder- und Jugendpsychiater. In beiden Fällen wurde ein einziger Versorgungsauftrag aufgegeben, so dass aufgrund der allgemeinen Verhältniszahl von 1:16.909 Einwohnerinnen und Einwohner unter 18 Jahren der Versorgungsgrad im Jahr 2015 unter 50 % sank. Diese Unterversorgung war dem Senat seit der 1. Fortschreibung gemäß Protokollnotiz zum Letter of Intent vom Dezember 2015 bekannt. Aufgrund der Zulassungsbeschränkungen gemäß § 103 Absatz 1 Satz 2 SGB V für die Arztgruppe der Kinder- und Jugendpsychiater war ein Ausgleich durch Neuzulassungen nicht möglich. Im Rahmen der Honorarverhandlungen 2017/2018 zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin und den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen wurde jeweils eine Sonderbedarfszulassung gemäß § 36 BPL-RL geschaffen, so dass im Jahr 2018 auch die lokalen Unterversorgungen aufgehoben werden konnten. 3. Worauf beruht der Ärztemangel in Berlin? Zu 3.: Außer der bereits aufgeführten Hausärzteversorgung gibt es in Berlin nach den vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegten Versorgungsgraden eine rechnerische Überversorgung . Die bundesweit gültige BPL-RL legt Berlin als einheitlichen Planungsbereich fest und differenziert hier nicht nach bezirklichen Unterschieden. 4. Wurden vom Senat Maßnahmen prospektiv eingeleitet und falls ja, welche, um die ärztliche Versorgung in Berlin aktuell und zukünftig sicherzustellen? Zu 4. : Die Sicherstellung der ambulanten Versorgung obliegt nach § 75 SGB V den Kassenärztlichen Vereinigungen. Gemäß den gesetzlichen Vorgaben der Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ist die Versorgung im einheitlichen Planungsbereich Berlin zudem als gesichert anzusehen. Aufgrund dieser bundesrechtlichen Vorgaben konzentrieren sich die Maßnahmen des Senats auf den Ausgleich von Versorgungsungleichgewichten zwischen den Bezirken, um einen möglichst homogenen Zugang der Bevölkerung zur ärztlichen Versorgung sicherzustellen. Auch, um die räumliche Verteilung von Arztpraxen innerhalb Berlins und die sektorenübergreifende Versorgung zu verbessern, wurde 2012 das Gemeinsame Landesgremium nach § 90a SGB V eingerichtet. - 3 - 3 Das Gemeinsame Landesgremium kann u.a. Stellungnahmen und Empfehlungen zu den Bedarfsplänen und Fragen der sektorenübergreifenden Versorgung abgeben; diese sind aber von dem Landesausschuss lediglich zu berücksichtigen. Mit dem sogenannten „Letter of Intent“ (LOI) v. 09.10.2013 wurde von dem Gemeinsamen Landesgremium Berlin ein Konzept zur Versorgungssteuerung auf Ebene der 12 Berliner Bezirke beschlossen. Dadurch sollen Praxissitze aus Bezirken mit überdurchschnittlichem Versorgungsgrad schrittweise nach Freiwerden in Bezirke mit unterdurchschnittlichem Versorgungsgrad verlegt werden. Im Ergebnis wird die Versorgungsstruktur in der Stadt insgesamt ausgewogener und das Prinzip der wohnortnahen Versorgung wird für alle Arztgruppen der patientengebundenen Versorgung konsequent umgesetzt. Die Absichtserklärung zur Versorgungssteuerung wurde im Bericht zum LOI 2016 auf Nachbesetzungsverfahren erweitert und mit Zielrichtung auf die drei Bezirke mit dem jeweils geringsten Versorgungsgrad konkretisiert. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung arbeitet aktiv an weiteren Verbesserungen der Steuerung auf Bundes- und Landesebene mit. 5. Inwiefern berücksichtigen die aktuellen Zulassungsverfahren zu einem Medizinstudiengang den aktuellen und zukünftigen Ärztebedarf in Berlin? 6. Wie erklärt sich der Senat, dass trotz Ärztemangels und einer weiterhin steigenden Bewerberanzahl viel zu wenig Medizinstudienplätze angeboten werden? Zu 5. und 6.: Die Festsetzung der Zulassungszahlen erfolgt auf Grundlage der Verordnung über die Kapazitätsermittlung , die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung – KapVO). Die Aufnahmekapazität für den Modellstudiengang Medizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist anhand patientenbezogener Einflussfaktoren zu berechnen (§ 17a KapVO). Zudem wird im Berliner Universitätsmedizingesetz (§ 18 Abs. 2) die Aufnahmekapazität für das erste Fachsemester Medizin auf 600 Studienanfängerinnen und Studienanfänger festgelegt. Bezogen auf die Einwohnerzahl bildet Berlin im Ländervergleich überdurchschnittlich viele Medizinstudierende aus. 7. Wie bewertet der Senat die Aussage des Präsidenten der Bundesärztekammer, Herrn Prof. Dr. Montgomery, „Deutschland darf sich nicht darauf verlassen, seinen Medizinerbedarf mit ausländischen Kräften zu decken“? Zu 7.: Aus der Sicht des Senats ist nicht erkennbar, dass die Bundesrepublik Deutschland sich insoweit auf ausländische Kräfte verlässt. 8. Wie soll nach Auffassung des Senats eine Gleichwertigkeit zwischen den Anforderungen an die angehenden Medizinstudenten (z. B. NC 1) und den Abschlüssen in Deutschland zu den ausländischen medizinischen Abschlüssen (im ärztlichen Bereich) hergestellt werden? - 4 - 4 Zu 8.: Eine Gleichwertigkeit ausländischer medizinischer Abschlüsse kann grundsätzlich von Deutschland nicht hergestellt werden. Die Anforderungen an die medizinischen Ausbildungen im Ausland ist ausschließliche Angelegenheit der jeweiligen Ausbildungsstaaten. Für die medizinischen Ausbildungen innerhalb der EU ist allerdings EU-rechtlich geprüft und geregelt worden, dass alle Ausbildungen, die nach dem EU- Beitrittsdatum des jeweiligen Staates begonnen wurden, als gleichwertig gelten und automatisch anerkannt werden. Für die medizinischen Ausbildungen in einem Drittstaat gilt grundsätzlich nach Maßgabe der bundesrechtlichen Regelungen der BÄO, dass die Gleichwertigkeit der ausländischen Ausbildung mit der deutschen Ausbildung geprüft werden muss. Werden wesentliche Unterschiede festgestellt, ist die Ausbildung also nicht gleichwertig, muss ein ausländischer Arzt seinen gleichwertigen Ausbildungsstand durch die erfolgreiche Teilnahme an einer Kenntnisprüfung nachweisen. Die Kenntnisprüfung bezieht sich auf den Inhalt der inländischen staatlichen Abschlussprüfung für das Medizinstudium. 9. Inwiefern sieht der Senat hier einen Handlungsbedarf? Welchen? Zu 9.: Einen Handlungsbedarf, die bundesrechtlichen Regelungen zur Anerkennung im Ausland abgeschlossener ärztlicher Ausbildungen zu ändern, sieht der Senat derzeit nicht. 10. Welche Angaben liegen dem Senat über die Durchfallquoten bei den Medizinprüfungen und Sprachprüfungen vor? (Wenn möglich, bitte ausführliche Angaben) Zu 10.: Bei den staatlichen Prüfungen des inländischen Medizinstudiums (dem Zweiten und Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung) liegt die Durchfallquote (endgültiges Nichtbestehen auch nach Teilnahme an den Wiederholungsprüfungen) bei deutlich unter 1 %. Bei den Kenntnisprüfungen ausländischer Ärzte lag die Durchfallquote (Nichtbestehen einer Kenntnisprüfung) im Jahr 2018 bei 16 %. Zu den Sprachprüfungen bei der Ärztekammer Berlin, bei der obligatorisch ein Fachsprachentest auf dem Niveau C 1 zu absolvieren ist, liegen dem Senat keine statistischen Angaben vor. Berlin, den 01. März 2019 In Vertretung Martin Matz Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung