Drucksache 18 / 17 871 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Niklas Schrader und Sebastian Schlüsselburg (LINKE) vom 12. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Februar 2019) zum Thema: Suchthilfe und Substitution im Justizvollzug und Antwort vom 27. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. März 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (Die Linke) und Herrn Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17871 vom 12. Februar 2019 über Suchthilfe und Substitution im Justizvollzug _______________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch war nach Kenntnis des Senats die Anzahl der suchtmittelabhängigen Inhaftierten in Berliner Justizvollzugsanstalten jeweils zum Stichtag 1. Januar 2016-2019 (bitte, wenn möglich, nach Hauptsubstanz und nach Haftanstalten getrennt angeben)? Zu 1.: Die Diagnose des Abhängigkeitssyndroms wird durch den medizinischen Dienst entsprechend der internationalen Klassifikationen des ICD-10 vorgenommen. Die Anzahl der substanzabhängigen Gefangenen und Verwahrten wird in den Berliner Justizvollzugsanstalten jeweils zum Stichtag 31.03. des Jahres erfasst. Die Erhebung für 2019 erfolgt erst zum 31.03.2019. Die Datenerhebung erfolgt nicht getrennt nach Justizvollzugsanstalten , sondern nach der Haftart: Haftart Substanzabhängige 2016 Substanzabhängige 2017 Substanzabhängige 2018 männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich Untersuchungshaft (14 bis unter 21 Jahre) 20 0 7 1 21 1 Untersuchungshaft (21 Jahre und älter) 149 4 165 7 154 9 Freiheitstrafe/ Ersatzfreiheitsstrafe (einschl. § 89b Jugendgerichtsgesetz - JGG) 797 46 850 60 769 49 Jugendstrafe (einschl. § 114 JGG 46 0 45 0 49 1 Sicherungsverwahrung 13 ./. 13 ./. 15 ./. Insgesamt 1.025 50 1.080 68 1.008 60 Bezüglich der Differenzierung nach der Hauptsubstanz muss angemerkt werden, dass erstmalig zum Stichtag 31.03.2018 die Daten in einer vertretbaren Erhebungsqualität vorliegen . Somit wird bei der Frage zur Hauptsubstanz auf die Erhebung vom Stichtag des 31.03.2018 verwiesen: 2 2. Wie hoch war nach Kenntnis des Senats die Anzahl der Inhaftierten mit Suchtmittelmissbrauch in Berliner Justizvollzugsanstalten jeweils zum Stichtag 1. Januar 2016-2019 (bitte, wenn möglich, nach Hauptsubstanz und nach Haftanstalten getrennt angeben)? Zu 2.: Die Diagnose des schädlichen Gebrauchs (Missbrauch) wird durch den medizinischen Dienst entsprechend der internationalen Klassifikationen des ICD-10 vorgenom- 3 men. Die Anzahl der substanzmissbrauchenden Gefangenen und Verwahrten wird in den Berliner Justizvollzugsanstalten jeweils zum Stichtag 31.03. des Jahres erfasst. Die Erhebung für 2019 erfolgt erst zum 31.03.2019. Die Datenerhebung erfolgt nicht getrennt nach Justizvollzugsanstalten, sondern nach der Haftart: Haftart Substanzmissbrauch 2016 Substanzmissbrauch 2017 Substanzmissbrauch 2018 männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich Untersuchungshaft (14 bis unter 21 Jahre) 26 0 7 0 16 1 Untersuchungshaft (21 Jahre und älter) 95 1 59 3 38 1 Freiheitstrafe/ Ersatzfreiheitsstrafe (einschl. § 89b JGG) 327 0 309 1 273 4 Jugendstrafe (einschl. § 114 JGG) 50 0 43 0 63 1 Sicherungsverwahrung 0 ./. 0 ./. 0 ./. Insgesamt 498 1 418 4 390 7 Bezüglich der Differenzierung nach der Hauptsubstanz muss angemerkt werden, dass erstmalig zum Stichtag 31.03.2018 die Daten in einer vertretbaren Erhebungsqualität vorliegen . Somit wird bei der Frage zur Hauptsubstanz auf die Erhebung vom Stichtag des 31.03.2018 verwiesen: 4 Zu den in Frage 1 und 2 angegebenen Datensätzen ist anzumerken, dass die Prüfung der Validität und der Reliabilität noch nicht abschließend vorgenommen werden konnte. 3. Welche Angebote der Suchthilfe und -therapie werden in welchen Justizvollzugsanstalten angeboten und wie viel Fachpersonal steht hierfür jeweils a) laut Stellenplan, b) tatsächlich und c) über freie Träger zur Verfügung? Zu 3.: In den Berliner Justizvollzugsanstalten werden die Angebote im Themenbereich „Suchthilfe“ durch freie Träger der Suchthilfe angeboten. Die Mitarbeitenden der freien Träger, die die Angebote vorhalten sind nicht mit Personenzahlen zu unterlegen, da entsprechend des Bedarfs die Angebote abgerufen werden oder im Rahmen von Dienstleistungsverträgen oder Zuwendungsfinanzierungen die Besetzung variieren kann. In den Justizvollzugsanstalten, in denen gesonderte Unterbringungsbereiche für substanzabhängige Gefangene eingerichtet sind, haben die Mitarbeitenden des Allgemeinen Vollzugsdienstes und des Sozialdienst alle allgemeinen Aufgaben in der Betreuung und Behandlung der Gefangenen, unter der besonderen Berücksichtigung der Suchtproblematik , vorzunehmen. Insbesondere in Bereichen, in denen Substituierte untergebracht sind, erfolgt die begleitende psychosoziale Betreuung durch die Mitarbeitenden des Sozialdienstes . Eine direkte Stellenzuweisung kann hier nicht vorgenommen werden. Justizvollzugsanstalt (JVA) Angebote Suchthilfe/-therapie JVA Plötzensee keine Suchttherapie Suchthilfe: Gruppenangebote und Einzelberatungen Gruppenangebot: „Sucht und Abhängigkeit“ Jugendarrestanstalt Berlin-Brandenburg kein Angebot der Suchthilfe/-therapie JVA Moabit keine Suchttherapie Gesprächsgruppe „Sucht“ 5 Selbsthilfegruppe „Anonyme Alkoholiker“ Sport für Drogenabhängige Gruppenangebote, zur möglichen Therapievorbereitung nach Untersuchungshaft JVA Heidering keine Suchttherapie Psychosoziale Betreuung der substituierten Inhaftierten (durch Mitarbeitende des Sozialdienstes) Suchtberatungen der Caritas SPI-Suchtberatungen Vista für betäubungsmittelabhängige Gefangene Einzelberatungen in den Teilanstalten der ASH für alkoholgefährdete und alkoholabhängige Gefangene Gruppenmaßnahmen der ASH „Sucht und Abhängigkeit (Spielsucht)“ Modulares Gruppentraining für Gefangene mit kurzen Freiheitsstrafen - Modul „Sucht“ JVA Tegel keine Suchttherapie Psychosoziale Betreuung der substituierten Inhaftierten in der Teilanstalt (TA) II, V, VI und in der Einrichtung für den Vollzug der Sicherungsverwahrung (durch Mitarbeitende des Sozialdienstes) Therapievorbereitungsgruppe für Strafgefangene, die sich auf eine Entlassung nach § 35 BtMG vorbereiten bzw. diese anstreben und eine Gruppe für achtsamkeitsbasierte Rückfallprävention Suchtkompetenztraining Jugendstrafanstalt Berlin keine Suchttherapie Gruppenangebot „Therapiemotivation“ Grundkurs „Sucht“ Hundebesuchsdienst Kunsttherapie Gruppenprogramm „Sucht und Suchtmittel“ sowie Einzelgespräche Gruppenangebot „Stoff- und Suchtkompetenz“ JVA Frauen Berlin keine Suchttherapie Psychosoziale Betreuung der substituierten Inhaftierten (durch Mitarbeitende des Sozialdienstes) Gesundheitsprophylaxe: Inhaftierten werden im Drogenbereich steril verpackte Spritzen zur Verfügung gestellt Drogenberatung Modulare Kurse zur Therapievorbereitung JVA des Offenen Vollzugs (OVB) keine Suchttherapie Inhaftierte, die Angebote der Suchthilfe nutzen wollen, nehmen i.d.R. außerhalb der JVA OVB an den für sie zuständigen Trägern der Suchthilfe, Angebote wahr Einzelgespräche und offene Gruppenangebote der Suchthilfeeinrichtungen, die keinen therapeutischen Charakter aufweisen 4. Wie viele Inhaftierte befanden sich 2016 bis 2019 jeweils zum Stichtag 1. Januar in suchttherapeutischer Behandlung (bitte nach Haftanstalten getrennt angeben)? Zu 4.: Eine Suchtherapie im Sinne einer therapeutischen Suchtentwöhnungsbehandlung erfolgt in den Berliner Justizvollzugsanstalten nicht. Suchttherapeutische Maßnahmen werden über die Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtMG), im Rahmen bedingter vorzeitiger Entlassungen oder nach Entlassung zur 6 Endstrafe in externen Suchthilfeeinrichtungen vollzogen. Sofern in der Fragestellung die Substitutionsbehandlungen gemeint sind, verweise ich auf die Beantwortung der Frage 5. 5. Wie viele Inhaftierte befanden sich 2016 bis 2019 jeweils zum Stichtag 1. Januar in den Berliner Justizvollzugsanstalten in Substitutionsbehandlung (bitte jährliche Zahlen auflisten und getrennt nach Haftanstalten angeben)? Zu 5.: Die Anzahl der sich in Dauersubstitution befindenden Gefangenen und Verwahrten wird in den Berliner Justizvollzugsanstalten jeweils zum Stichtag 31.03. des Jahres erfasst . Die Erhebung für 2019 erfolgt erst zum 31.03.2019. Die Datenerhebung erfolgt nicht getrennt nach Justizvollzugsanstalten, sondern nach der Haftart: Haftart Substituierte 2016 Substituierte 2017 Substituierte 2018 männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich Untersuchungshaft (14 bis unter 21 Jahre) 0 0 0 0 0 0 Untersuchungshaft (21 Jahre und älter) 9 2 12 2 16 5 Freiheitstrafe/ Ersatzfreiheitsstrafe (einschl. § 89b JGG) 124 28 120 40 188 34 Jugendstrafe (einschl. § 114 JGG) 0 0 0 0 0 0 Sicherungsverwahrung 6 ./. 3 ./. 3 ./. Insgesamt 139 30 135 42 207 39 6. Wie hoch war nach Kenntnis des Senats die jährliche Anzahl der medizinisch begleiteten Entgiftungen in den Jahren 2016 bis 2018? Zu 6.: Die Anzahl der medizinisch begleiteten Entgiftungen wird in den Berliner Justizvollzugsanstalten jeweils als Jahresverlaufserhebung erfasst. Die Jahresverlaufserhebung für 2018 erfolgt erst zum 31.03.2019. Die Datenerhebung erfolgt nach der Haftart: Haftart Entgiftungen 2016 Entgiftungen 2017 männlich weiblich männlich weiblich Untersuchungshaft (14 bis unter 21 Jahre) 2 0 0 0 Untersuchungshaft (21 Jahre und älter) 838 36 514 0 Freiheitstrafe/ Ersatzfreiheitsstrafe (einschl. § 89b JGG) 44 0 268 98 Jugendstrafe (einschl. § 114 JGG) 38 0 24 0 Sicherungsverwahrung 0 ./. 0 ./. Insgesamt 922 36 806 98 7. Welche Berliner Justizvollzugsanstalten verfügen nach Kenntnis des Senats über Naloxon als Notfallmedikament gegen Opioid-Überdosen? Zu 7.: In allen Berliner Justizvollzugsanstalten wird das Medikament Naloxon als Opiatantidot vorgehalten. 7 8. Bei wie vielen Inhaftierten erfolgte nach Kenntnis des Senats jährlich in den Jahren 2016-2018 die Entlassung in eine stationäre oder ambulante Suchtentwöhnungsbehandlung im Rahmen der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 des Betäubungsmittelgesetzes? Zu 8.: Zurückstellungen der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG gesamt: 2016 = 114 2017 = 106 2018 = 83. 9. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Zahl von Menschen, die in Haft erstmals Drogen konsumieren und ggf. eine Abhängigkeit entwickeln? Zu 9.: Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. Berlin, den 27. Februar 2019 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung