Drucksache 18 / 17 916 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Burkard Dregger (CDU) vom 13. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Februar 2019) zum Thema: Verpflichtungserklärungen in Berlin und Antwort vom 04. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Mrz. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Burkard Dregger (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17916 vom 13. Februar 2019 über Verpflichtungserklärungen in Berlin ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In wie vielen Fällen wurden in Berlin seit dem 01.01.2015 Verpflichtungserklärungen gemäß § 68 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wem gegenüber abgegeben (erbitte nach Jahren und Verpflichtungsempfänger gesonderte Darstellung)? Zu 1.: Seit dem 01.01.2015 sind gegenüber dem Landesamt für Bürger und Ordnungsangelegenheiten (LABO) bis zum 15.01.2019 insgesamt 115.429 Verpflichtungserklärungen (VE) nach § 68 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) abgegeben worden. Dabei wird differenziert nach solchen für sog. Kurzaufenthalte mit einem Schengenvisum für eine Urlaubsreise, für den Besuch von Angehörigen oder Bekannten oder für eine Geschäftsreise bis max. 3 Monaten (VE Kurzaufenthalte) oder für einen längeren Aufenthalt mit einem nationalen Visum (VE allgemein). Zusätzlich wurden für längere Aufenthalte gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG Verpflichtungserklärungen im Rahmen des Landesaufnahmeprogramms für Familienangehörige syrischer bzw. ab 2017 für irakische Flüchtlinge abgegeben, die gesondert ausgewiesen sind. Weitere Einzelheiten können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. 2 Verpflichtungserklärungen (VE) im Einreiseverfahren vom 01.01.2015 bis zum 15.01. 2019 2015 2016 2017 2018 2019 (bis 15.01.) Gesamt VE (Kurzaufenthalte) 28.288 28.444 28.685 26.619 1.069 113.105 VE (allgemein) 337 288 333 367 9 1.334 VE (§ 23 Abs. 1 AufenthG) 291 266 208 218 7 990 2. In wie vielen Fällen wurde seit dem 01.01.2015 von diesen Verpflichtungserklärungen von wem wegen welcher Leistungen Gebrauch gemacht (erbitte nach Jahren, Verpflichtungsempfänger und Leistungsart gesonderte Darstellung)? 3. In welcher Höhe sind seit dem 01.01.2015 Bürgschaften im Sinne des § 68 Absatz 1 AufenthG von wem und wegen welcher Leistungen in Anspruch genommen worden (erbitte nach Jahren, Verpflichtungsempfänger und Leistungsart gesonderte Darstellung)? 6. In welcher Höhe konnten seit dem 01.01.2015 Zahlungseingänge aufgrund der Inanspruchnahme der Bürgschaften gemäß § 68 Absatz 1 AufenthG verzeichnet werden (erbitte nach Jahren gesonderte Darstellung)? 7. In welcher Höhe mussten Beträge im Sinne der Frage 6.) zwangsweise beigetrieben werden (erbitte nach Jahren gesonderte Darstellung)? Zu 2., 3., 6. und 7.: Die einschlägigen Leistungsgesetze - Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) oder Zwölftes Buch (SGB XII) bzw. Asylbewerberleistungsgesetz (Asylb LG) - sehen vorrangig die unmittelbare Versorgung der aufgenommenen Person durch die Verpflichtungsgeberin oder den Verpflichtungsgeber vor. Dies bedeutet, dass die jeweils zuständige Leistungsbehörde keine Leistungen erbringt, wenn und solange die Verpflichtungsgeberin oder der Verpflichtungsgeber der abgegebenen Verpflichtungserklärung entsprechend die hilfebedürftige Person versorgt. Erfüllt die Verpflichtungsgeberin oder der Verpflichtungsgeber die abgegebene Verpflichtungserklärung nicht oder nur teilweise, hat die hilfebedürftige Person einen Leistungsanspruch gegenüber der zuständigen Leistungsbehörde, die diese entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen hat. Erst in diesem Falle, wenn die Verpflichtungsgeberin oder der Verpflichtungsgeber also die abgegebene Verpflichtungserklärung nicht mehr zu erfüllen vermag, kann die Leistungsbehörde die Erstattung der erbrachten Leistungen gegenüber der Verpflichtungsgeberin oder dem Verpflichtungsgeber geltend machen. Ob die erbrachten Leistungen tatsächlich erstattet werden können, hängt von der Situation im Einzelfall ab. Werden beispielsweise Verpflichtungsgeberinnen oder Verpflichtungsgeber arbeitslos oder erkranken langfristig, wird eine Erstattung nicht bzw. nur teilweise realisiert werden können. Die erfragten Daten werden von den Leistungsbehörden nicht erhoben, so dass hierzu keine statistischen Auswertungen möglich sind. Gleichwohl sind die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, die Sozialämter und das LAF um Prüfung anlässlich der Schriftlichen Anfrage 18/17756 ersucht worden, ob Daten im Sinne der Fragestellungen ermittelt werden können. Soweit hierzu Rückmeldungen eingegangen sind, hat es sich weit überwiegend um Fehlanzeigen gehandelt. 3 Daneben sind folgende Informationen durch die Behörden übermittelt worden: Das Sozialamt Friedrichshain-Kreuzberg hat mitgeteilt, dass im Rechtskreis des AsylbLG folgende Verpflichtungserklärungen abgegeben worden sind: 2016: 7 2017: 9 2018: 6. Im Jahre 2018 konnte eine Verpflichtungsgeberin bzw. ein Verpflichtungsgeber der Leistungspflicht nicht nachkommen. Für den Anwendungsbereich des SGB XII sind keine Verpflichtungserklärungen abgegeben worden. Weitere Angaben konnten nicht gemacht werden. Im Sozialamt Lichtenberg ist ermittelt worden, dass in keinem Fall Verpflichtungsgeberinnen oder Verpflichtungsgeber außer Stande waren, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Daher mussten auch keine Erstattungsforderungen geltend gemacht werden. Das Sozialamt Neukölln hat die Information übermittelt, dass insgesamt 13 Verpflichtungserklärungen für Leistungsberechtigte mit Anspruch nach dem AsylbLG abgegeben worden sind. Im Bereich des SGB XII sind keine Verpflichtungserklärungen abgegeben worden. Weitere Angaben waren nicht möglich. Im Sozialamt Pankow sind folgende Verpflichtungserklärungen für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG abgegeben worden: 2015: 6 2016: 14 2017: 5 2018: 10. Im Rechtskreis des SGB XII sind keine Verpflichtungserklärungen abgegeben worden. Weitere Angaben waren nicht möglich. Im Zuständigkeitsbereich des Sozialamtes Reinickendorf sind im Rechtskreis des AsylbLG folgende Verpflichtungserklärungen abgegeben worden: 2015: 1 2016: 4 2017: 12 2018: 26. Im Rechtskreis des SGB XII sind keine Verpflichtungserklärungen abgegeben worden. Weitere Angaben konnten nicht gemacht werden. Im LAF sind folgende Verpflichtungserklärungen für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG abgegeben worden: 2015: 3 2016: 20 2017: 22 2018: 11. Eine Erstattung erbrachter Leistungen ist in folgenden Fällen geltend gemacht worden: 2016: 2 Fälle (Gesamtumfang: rd. 13.200 Euro) 2017: 3 Fälle (Gesamtumfang: rd. 19.600 Euro) 2018: 1 Fall (Gesamtumfang: rd. 4.500 Euro). 4 Für die Berliner Jobcenter hat die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg mitgeteilt, dass für insgesamt 180 Menschen eine Verpflichtungserklärung abgegeben worden ist. Die Gesamtsumme der Erstattungsforderungen, die gegenüber Verpflichtungsgeberinnen oder Verpflichtungsgebern für nach dem SGB II leistungsberechtigte Personen seitens der Jobcenter geltend gemacht worden sind, beläuft sich Stand 30. Januar 2019 auf 799.770 Euro. 4. Wie viele Gerichtsverfahren sind vor Berliner Gerichten seit dem 01.01.2015 wegen der Inanspruchnahme einer Bürgschaft gemäß § 68 Absatz 1 AufenthG gegen Verpflichtungsgeber eingeleitet worden (erbitte gesonderte Darstellung nach Jahren und Anspruch und danach, welche Behörde den Rechtsstreit eingeleitet hat)? 5. Wie viele der vorgenannten Verfahren sind rechtskräftig abgeschlossen? Zu 4. und 5.: Am Verwaltungsgericht Berlin und dem Oberverwaltungsgericht Berlin- Brandenburg werden Verfahren nach § 68 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) statistisch nicht erfasst. Die in dieser Angelegenheit befragten Vorsitzenden Richterinnen und Richter der für aufenthaltsrechtliche Fragen zuständigen Kammern des Verwaltungsgerichts Berlin haben mitgeteilt, dass Verfahren dieser Art in ihren jeweiligen Kammern nicht oder nur in einem zu vernachlässigenden Umfang vorkommen. 8. Welche Auffassung vertritt der Senat zur Inanspruchnahme der Bürgschaften gemäß § 68 Absatz 1 AufenthG und zur ggf. zwangsweisen Forderungsbeitreibung? Zu 8.: Unter dem Eindruck der Kriegshandlungen in Syrien haben viele hier lebende Menschen durch die Abgabe von Verpflichtungserklärungen Menschenleben gerettet. Angesichts dieses Engagements und der Erkenntnis, dass aus verschiedensten Gründen die finanziellen Folgen dieses Engagements durch die Verpflichtungsgeberinnen/Verpflichtungsgeber unterschätzt worden ist, hat der Bund die Beitreibung von Erstattungsansprüchen durch die Jobcenter zunächst ausgesetzt und wirkt aktuell auf eine abschließende Einigung zum Umgang mit diesen Fällen hin. Seitens des Landes Berlin ist bisher kein Verzicht auf die Erstattung von Kosten ausgesprochen worden. Inwieweit die Leistungsbehörden in Einzelfällen auf die Inanspruchnahme von Verpflichtungsgeberinnen oder Verpflichtungsgebern verzichtet haben und ggf. aus welchen Gründen, wird nicht erhoben. Der Senat sieht in einer Niederschlagung einer Erstattungsforderung nach Prüfung des Einzelfalls, wie sie sich auf Bundesebene für den Anwendungsbereich des SGB II abzeichnet, eine rechtsstaatlich gebotene Umsetzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht mehrfach ausgeführt, dass die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens zu entscheiden hat, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird. Wann in diesem Sinne ein Ausnahmefall vorliegt, ist anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13, Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97, Rn. 18 f.; BVerwG, Urteil vom 18. April 2018 - 1 B 6.18, Rn. 9). 5 Hierzu zeichnet sich der Erlass einer Weisung der Bundesagentur für Arbeit in Abstimmung mit diversen Bundesministerien ab. Berlin, den 04. März 2019 In Vertretung Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales