Drucksache 18 / 17 944 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 15. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Februar 2019) zum Thema: Zum Gutachten des Zentrums für Antisemitismusforschung über Antisemitismus an Schulen und Antwort vom 6. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Mrz. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei - Wissenschaft und Forschung - Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17944 vom 15. Februar 2019 über Zum Gutachten des Zentrums für Antisemitismusforschung über Antisemitismus an Schulen ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Einem Gutachten des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin mit dem Titel "Antisemitismus in der Schule. Erkenntnisstand und Handlungsperspektiven" vom Januar 2019 sind den Verfassern Samuel Salzborn und Alexandra Kurth zufolge "bedenkliche Tendenzen im pädagogischen Feld auszumachen, die Kompetenzorientierungen vor Faktenlernen stellen und aus einer falsch verstandenen Multiperspektivität Antisemitismus, etwa aus muslimischem Kontext, tolerieren." Sie stellen fest: "Der gegenwärtig extrem virulente islamische Antisemitismus zeigt überdies, dass das antisemitische Weltbild auch in außereuropäischen Gesellschaften über eine eigenständige historische Genese und sozialstrukturelle Verankerung verfügt, die man zum Verständnis des aktuellen Antisemitismus nicht ausblenden darf – gerade die antijüdischen Textstellen im Koran und die lange Geschichte des islamischen Antisemitismus, und auch des palästinensischen Antisemitismus, der sich unter anderem aus islamischen und christlichen Elementen des Antisemitismus speist, sind hier Blindstellen schulischer Bildung." Die Verfasser Samuel Salzborn und Alexandra Kurth definieren Antisemitismus als kontrafaktische Plausibilisierung emotionaler Bedürfnisse; der Antisemit glaubt wider besseren Wissens das, was ihm am ehesten die erhoffte Komplexitätsreduktion verschafft. Die Handlungsempfehlungen des Gutachtens dagegen richten sich darauf, Schüler im Unterricht stärker mit den Fakten jüdischen Lebens bekanntzumachen, also einen vermeintlichen Mangel an Wissen zu beseitigen. Das Gutachten weist aus der Sicht des Fragestellers Mängel auf, welche dessen Nutzen infrage stellen. 1. „Virulenz“ ist die Fähigkeit eines Erregers oder einer Mikrobe, einen Wirt zu infizieren oder zu schädigen. Inwiefern hält der Senat eine biologistische Wortwahl in diesem Kontext für angemessen? - - 2 2. Ein Phänomen (die Zunahme des islamischen Antisemitismus) lässt zunächst keinen Schluss auf dessen Ursachen (Genese und Verankerung im Nahen Osten) zu. Die durch die Verfasser nahegelegte deduktive Erklärung ist, dass die Zunahme antisemitischer Vorfälle durch den Anstieg der Zuwanderung aus dem Nahen Osten bedingt ist. Könnte es aber andere Gründe geben, etwa Ressentiments von Muslimen gegenüber Juden, die aus einer unterschiedlichen Haltung der Mehrheitsgesellschaft ihnen gegenüber erwachsen? 3. Wenn, wie die Verfasser behaupten, antisemitische Denkmuster auf einer unbewusst gewollten Verkennung von Fakten basieren, wie kann die Vermittlung zusätzlicher Fakten sie dann beseitigen? 4. Welche praktische Verwendung findet sich für eine Definition des "Antisemitismus" als einer Verknüpfung von "Denken" und "Leidenschaft", die derart vage gehalten ist, dass sie auch auf die meisten Religionen zutreffen würde und im Politischen alltäglich ist? In seiner Antwort auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) zum Thema: Zielgruppenspezifische Bildungsarbeit gegen Judenfeindlichkeit [Drucksache 18/15246] stellte der Senat fest, "die Verwendung von Koranzitaten ohne hermeneutische Expertise ist nicht hilfreich"; auch spräche der Senat nicht von „muslimischem Antisemitismus“. 5. Sieht der Senat bei den Verfassern der Studie eine hermeneutische Expertise zu Inhalten des Korans als gegeben an? 6. In Drucksache 18/15246 hatte der Fragesteller dezidiert zwischen Antisemitismus und Judenfeindlichkeit unterschieden, ja sogar darauf hingewiesen, welche hermeneutischen Spielräume der Koran enthält, um aus diesem heraus gegen Antisemitismus zu argumentieren. In seiner Antwort jedoch distanzierte sich der Senat von "jeglichen Pauschalisierungen und Versuchen, jedwede Basis für antimuslimischen Rassismus aufzubauen ." Wenn der Senat aber die These eines „muslimischen Antisemitismus“ generell verneint, welchen Gebrauch kann er dann vom Gutachten des Zentrums für Antisemitismusforschung machen, welches von "islamischem Antisemitismus" spricht? 7. Wenn das antisemitische Weltbild außereuropäischer Gesellschaften tatsächlich über eine eigenständige historische Genese und sozialstrukturelle Verankerung verfügt, wie kann ihm dann durch Maßnahmen entgegengewirkt werden, die diese spezifische Genese und Sozialstruktur nicht adressieren? Zu 1.-7.: Der Berliner Senat begrüßt die Erstellung wissenschaftlicher Gutachten, die zudem konkrete Handlungsempfehlungen herausarbeiten und sich mit gesellschaftsrelevanten Fragestellungen beschäftigen, sehr. Dies trifft auch auf das benannte wissenschaftliche Gutachten „Antisemitismus in der Schule. Erkenntnisstand und Handlungsperspektiven“ von Professor Samuel Salzborn und Dr. Alexandra Kurth zu. Der Berliner Senat ist der Auffassung , dass solche wissenschaftlichen Arbeiten einen wichtigen Beitrag leisten können, gesellschaftliche Phänomene analytisch zu beleuchten und Antisemitismus und Diskriminierung entgegenzuwirken. - - 3 Der Berliner Senat ist des Weiteren der Auffassung, dass es nicht seine Aufgabe ist, Einschätzungen und Bewertungen des Fragestellers zu einem wissenschaftlichen Gutachten zu kommentieren. Berlin, den 6. März 2019 In Vertretung Steffen Krach Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei - Wissenschaft und Forschung -