Drucksache 18 / 17 966 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm (LINKE) vom 19. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Februar 2019) zum Thema: Extrem rechte und weitere Bürgerwehren und so genannte „Schutzzonen“ in Berlin und Antwort vom 06. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. März 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/17966 vom 19. Februar 2019 über Extrem rechte und weitere Bürgerwehren und so genannte „Schutzzonen“ in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Kenntnisse hat der Senat über Bürgerwehren oder die Errichtung von sogenannten „Schutzzonen“ in den einzelnen Berliner Bezirken? (Bitte einzeln nach Bezirk, Name der Bürgerwehr, Anzahl der Mitglieder auflisten) 2. Im Jahr 2018 traten Bürgerwehren unter anderem in der Berliner S-Bahn auf und veröffentlichten ein Video „S-Bahn Streife: Berliner NPD schafft Schutzzone“. Welche Kenntnisse hat der Senat über diese Vereinigung und die Vernetzung dieser Gruppierung in extrem rechte Netzwerke? Zu 1. und 2.: Die Bundes-NPD initiierte Mitte 2018 eine sogenannte Schafft-Schutzzonen- Kampagne, die sie über ihre Facebook- und Twitter-Kanäle publik machte. Sie postete Kurzfilme, in denen mehrere Personen an mehreren öffentlichen Orten wie z.B. in S-Bahnen mit orangefarbenen Schutzwesten „patrouillieren“. Auch vor Schulen verteilten NPD-Aktivisten Material und wiesen auf die Kampagne hin. Hierfür wurde ein themenbezogener Flyer erstellt. Die „Schafft-Schutzzonen-Kampagne“ ist ein ausschließlich von der NPD (und nicht von einer Vereinigung) initiiertes Projekt. Im Impressum der betreffenden Internetseite „Schafft Schutzzonen“ wird direkt auf die NPD (Bundespartei) verwiesen. Die Idee von „Bürgerwehren“ ist bei Rechtsextremisten beliebt. Ihre Propagierung soll den Eindruck erwecken, der Staat könne nicht hinreichend für die Sicherheit der Bürger sorgen, insbesondere in Bezug auf eine angeblich hohe Kriminalitätsrate durch Migranten. Die aktuelle NPD-Kampagne wird bundesweit durchgeführt. Regionaler Schwerpunkt ist jedoch Berlin. An folgenden Orten sollen laut Angaben auf NPD-Profilen in sozialen Netzwerken u.a. Streifen stattgefunden haben: Datum Ort 24.05.2018 Vermutlich in der S-Bahn-Linie 2 13.07.2018 Marzahn-Hellersdorf 20.07.2018 Vermutlich in der S-Bahn-Linie 3 30.08.2018 Vor einer Grundschule in Marzahn-Hellersdorf Seite 2 von 4 04.09.2018 Lichtenberg 06.09.2018 Vor einer Schule in Karow 07.09.2018 U-Bahnhof in Neukölln 08.09.2018 Erntedankfest in Marzahn-Hellersdorf 09.09.2018 Vor einer Grundschule in Pankow 22.09.2018 U-Bahnhöfe in Neukölln 26.09.2018 In der S-Bahn-Linie 3 0.10.2018 Fest zum Tag der Deutschen Einheit in Mitte 04.10.2018 Vor einer Grundschule in Köpenick 06.10.2018 (vermutl.) Regierungsviertel in Mitte 19.10.2018 Neukölln Gropiusstadt veröffentlicht am 27.10.2018 Berlin-Mitte veröffentlicht am 31.10.2018 Berlin-Friedrichshain veröffentlicht am 01.11.2018 Berlin-Buch veröffentlicht am 02.11.2018 Berlin-Buch veröffentlicht am 13.11.2018 Berlin-Buch Veröffentlicht am 15.11.2018 Berlin-Karow 19.11.2018 Vor der SPD-Zentrale veröffentlicht am 19.11.2018 Spandau, Kreuzberg und Mitte 22.11.2018 S-Bahnhof Lichtenberg 29.11.2018 S-Bahnhof Berlin-Marzahn veröffentlicht am 06.12.2018 S-Bahnhof Berlin-Marzahn veröffentlicht am 08.01.2019 Berlin-Buch veröffentlicht am 09.01.2019 Berlin-Lichtenberg veröffentlicht am 07.02.2019 Pankow-Heinersdorf veröffentlicht am 12.02.2019 Lichtenberg und Köpenick veröffentlicht am 18.02.2019 Lichtenberg 20.02.2019 Mitte 3. Fand im Rahmen dieser Kampagne eine Sensibilisierung des S-Bahn-Personals im Umgang mit Bürgerwehren statt? Wenn ja, in welchem Abstand und durch welche Maßnahmen? Wenn nein, warum nicht? Zu 3.: Mit Veröffentlichung des Videos wurde durch die Polizei Berlin zeitnah eine Gefährdungsanalyse und –bewertung durchgeführt. Die Gefährdungsbewertung wurde zielgerichtet der für die Anlagen der S-Bahn Berlin zuständigen Bundespolizeidirektion Berlin für eine mögliche Sensibilisierung der Deutschen Bahn und deren Mitarbeitenden übermittelt. 4. Welche extrem rechten Gruppierungen beteiligen sich darüber hinaus außerdem an den Einsätzen solcher sogenannten Bürgerwehren? (Bitte einzeln nach Organisation/Gruppierung und Bezirk aufschlüsseln.) Zu 4.: Es liegen keine Erkenntnisse über Beteiligungen von Anhängern anderer rechtsextremistischer Vereinigungen vor. Seite 3 von 4 5. Bürgerwehren behaupten, sich aus eigener Initiative für die Sicherheit und gegen angeblich steigende Kriminalität einzusetzen. Kam es dabei im Jahr 2018 zu Straftaten von Seiten der Mitglieder von Bürgerwehren? Wenn ja, bitte einzeln nach Straftat, Bezirk und Vereinigung aufschlüsseln. Zu 5.: Im Zusammenhang mit der Durchführung einer „Schutzzonen-Streife“ der NPD wurden im Jahr 2018 Beteiligte im Bezirk Lichtenberg überprüft. Eine der Personen führte ein nach dem Waffengesetz verbotenes Einhandmesser mit sich. Weiterhin wurde durch die Polizei Berlin eine Strafanzeige wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz im Zusammenhang mit der Durchführung einer „Schutzzonen- Streife“ im Bezirk Treptow-Köpenick bearbeitet. 6. Welche Erkenntnisse hat der Senat über ein gezieltes Vorgehen von organisierten extrem Rechten (NPD, Dritter Weg, Kameradschaften), eigene Mitglieder und Sympathisant*innen zur Gründung von Bürgerwehren anzuhalten und anzuleiten, und in welcher Form geschieht das? Zu 6.: Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Darüber hinaus gehende Erkenntnisse liegen dem Senat nicht vor. 7. In Berlin haben dezidiert NPD-Parteimitglieder oder Aktivist*innen zur Teilnahme an Bürgerwehren aufgerufen. Um welche konkreten Personen handelt es sich dabei, und wie fand eine Mobilisierung statt? (Bitte aufschlüsseln nach Datum, Ort, Anlass und Rechtsgrundlage.) Zu 7.: „Schafft Schutzzonen“ wurde von der NPD als „Mitmach-Kampagne“ beworben. Angeblich beteiligten sich hieran Bürgerinnen und Bürger. Tatsächlich liegen keine Hinweise vor, dass sich Personen ohne Bezug zur rechtsextremistischen Szene daran beteiligten. Bei den Aktivitäten, die im Rahmen dieser Kampagne in Berlin stattfanden, waren ausschließlich NPD-Aktivisten anwesend, darunter auch der Bundesvorsitzende der Partei. Es beteiligten sich augenscheinlich nur jeweils zwei bis vier NPD-Aktivisten. 8. Einige Mitglieder der Bürgerwehr „Schutzzone“ liefen 2018 vermehrt durch das Regierungsviertel. Erfolgten aus diesem Anlass polizeiliche Maßnahmen gegenüber Mitgliedern der Bürgerwehr? Wenn ja, welche? 9. Welche Kenntnisse hat der Senat über den Umgang mit dieser Bürgerwehr, und kam es ggf. zu von der Bürgerwehr „Schutzzone“ ausgehenden Straftaten vor dem Brandenburger Tor bzw. im Regierungsviertel? Wenn ja, bitte einzeln nach Delikt aufschlüsseln. Zu 8. und 9.: Die Polizei Berlin wurde in dem Zusammenhang am 3. Oktober 2018 auf Personen einer „Schutzzonen-Streife“ beim Fest zum Tag der Deutschen Einheit in Mitte aufmerksam. Von den betreffenden Personen wurden die Personalien festgestellt, und es wurde eine Gefährderansprache durchgeführt. Straftaten in diesem Zusammenhang wurden nicht bekannt. 10. Auf der Internetseite der sogenannten „Buchholzer Sicherheit (BuSi)“, einer Bürgerwehr aus Pankow, geht hervor, dass von fünf Vorstandsmitgliedern zwei Landes- bzw. Bundesbeamte sind: Welche Kenntnisse hat der Senat über eine Vernetzung von Bürgerwehren in Berliner Behörden, insbesondere Sicherheitsbehörden? Seite 4 von 4 Zu 10.: Der Verein „Buchholzer Sicherheit“ ist dem Senat aufgrund einer Presseanfrage aus dem Jahr 2016 bekannt. Der Verein selbst distanziert sich auf seiner Internetpräsenz ausdrücklich von Bürgerwehren und Selbstjustiz. Nach Kenntnis des Senats ist keiner der beiden auf der Internetpräsenz verzeichneten - „verbeamteten“ - Vorstandsmitglieder der „Buchholzer Sicherheit“ Mitarbeitender der Polizei Berlin. Über eine „Vernetzung von Bürgerwehren“ in Berliner Behörden ist dem Senat nichts bekannt. 11. Wie viele Strafanzeigen gab es im Jahr 2018 gegen organisierte Bürgerwehren und wegen welcher Deliktsvorwürfe? (Bitte einzeln nach Delikt und Bezirk aufschlüsseln.) Zu 11.: Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 12. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Anzahl sogenannter selbsterrichteter „Schutzzonen“ in Berlin und deren Auswirkungen? (Bitte einzeln nach Bezirk aufschlüsseln.) Zu 12.: Es wird auf die Antworten zu Frage 1 und 2 verwiesen. Die Anzahl der von der NPD initiierten und in sozialen Netzwerken veröffentlichen „Schutzzonen“ wird nicht in einer automatisierten Datei erfasst. 13. Wie viele von Bürgerwehren in welchen Bezirken ausgehende rassistisch motivierte Straftaten wurden im Jahr 2018 verzeichnet? (Bitte einzeln nach Delikt und Bezirk aufschlüsseln) 14. Welche Erkenntnisse hat der Senat über Straftaten von Bürgerwehren gegenüber Asylsuchenden? (Bitte einzeln nach Delikt, Bezirk, Bürgerwehr aufschlüsseln.) Zu 13. und 14.: Dem Senat sind keine Straftaten im Sinne der Fragestellung bekannt geworden. 15. Finden bei der Berliner Polizei Maßnahmen im Umgang mit Bürgerwehren statt? Wenn ja, in welchem Abstand durch welche Maßnahmen? Wenn nein, warum nicht Zu 15.: Bei der Polizei Berlin erfolgt durch das Fachdezernat des Polizeilichen Staatsschutzes im LKA Berlin fortwährend eine Gefahrenanalyse. Die daraus resultierenden aktuellen Gefährdungsbewertungen werden den Dienststellen der Polizei Berlin anlassbezogen zugesandt, um somit Mitarbeitende der Polizei Berlin für die Thematik zu sensibilisieren. Berlin, den 06. März 2019 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport