Drucksache 18 / 18 066 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) vom 20. Februar 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. März 2019) zum Thema: Jugendschutz im öffentlichen Raum und Antwort vom 19. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. März 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18066 vom 20. Februar 2019 über Jugendschutz im öffentlichen Raum ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.) Welche Maßnahmen werden unter der Begrifflichkeit „Jugendschutz im öffentlichen Raum“ durch den Senat und die Bezirksämter oder beauftragte freie Träger im Land Berlin durchgeführt? 2.) Wie viel Haushaltsmittel werden je Bezirk für diese Arbeit aufgewendet? Welche konkreten Projekte gibt es? Zu 1. und 2.: Die Begrifflichkeit „Jugendschutz im öffentlichen Raum“ nimmt Bezug auf die Regelungen des Jugendschutzgesetzes des Bundes (JuSchG). Dieses enthält im Abschnitt 2 „Jugendschutz in der Öffentlichkeit“ (§§ 4 bis 10) Vorschriften zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen in Gaststätten (§ 4), bei Tanzveranstaltungen (§ 5) und in Spielhallen (§ 6 Abs. 2), zur Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an Glücksspielen (§ 6 Abs. 2) sowie zur Abgabe von alkoholischen Getränken (§ 9) sowie Tabakwaren und anderen nikotinhaltigen Erzeugnissen (§ 10) an Kinder und Jugendliche. Darüber hinaus finden sich in diesem Abschnitt Generalklauseln zu jugendgefährdenden Veranstaltungen und Betrieben (§ 7) und zu jugendgefährdenden Orten (§ 8), die den zuständigen Behörden Spielraum für passgenaue Handlungsmöglichkeiten im Einzelfall eröffnen. Weitere Regelungen, die sich auf die „Öffentlichkeit“ bzw. den „öffentlichen Raum“ beziehen, sind im Abschnitt 3 „Jugendschutz im Bereich der Medien“ des JuSchG enthalten. Dieser enthält in den §§ 11 bis 15 Vorschriften zur Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen bei öffentlichen Filmveranstaltungen (§ 11), zur Abgabe von Bildträgern mit Filmen oder Spielen (§ 12) an Kinder und Jugendliche sowie zu 2 Werbe- und Vertriebsbeschränkungen für jugendgefährdende Trägermedien (§ 15). Die genannten Vorschriften richten sich dabei ausschließlich an Veranstalter und Gewerbetreibende (vgl. § 28 JuSchG – Bußgeldvorschriften). In einzelnen Fällen sind auch alle Personen über 18 Jahren bußgeldbewährt verpflichtet, das Herbeiführen oder Fördern eines schädigenden Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen zu unterlassen (vgl. § 28 Abs. 4 JuSchG). Wesentliches Element stellt in diesem Zusammenhang die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften dar. Dabei handelt es sich um eine bezirkliche Aufgabe, die seit 2005 den bezirklichen Ordnungsämtern obliegt (vgl. insb. Gesetz zur Errichtung bezirklicher Ordnungsämter (OÄErrG) vom 24. Juni 2004; Begründung, allgemeiner Teil – Drs. 15/2843, S. 11). Insofern wird hier auch auf die Antworten zu den Schriftlichen Anfragen 18/15068, 17/14120 und 17/11679 verwiesen. Diese Regelaufgabe eignet sich, wie auch die zahlreichen anderen Aufgaben der Ordnungsämter, nicht für die Beauftragung an freie Träger. Bezüglich der Umsetzung der Jugendschutzkontrollen wurden von den Ordnungsämtern der Bezirke folgende zusätzliche Informationen übermittelt: Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg existiert im Ordnungsamt ein „Jugend- und Nichtraucherschutzinterventionsteam “, das für die Feststellung und Ahndung von Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz (Ordnungswidrigkeiten wie z.B. Abgabe von Alkohol an Jugendliche durch Gewerbetreibende etc.) zuständig ist. Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf haben das Ordnungsamt und das Jugendamt eine Verwaltungsvereinbarung zur Einhaltung des Jugendschutzes abgeschlossen. Das Ordnungsamt Mitte führt in Zusammenarbeit mit der für Inneres zuständigen Senatsverwaltung sog. Testkäufe mit minderjährigen Personen zur Überprüfung des Abgabeverbots bezüglich Alkohol durch. Im Bezirk Neukölln erfolgen die Kontrollen sowohl im Rahmen von in der Regel monatlich zwei bis drei gemeinsamen Einsätzen der seit 2008 bestehenden „AG Jugendschutz “ (Mitarbeiter/innen aus verschiedenen Ämtern und Abteilungen des Bezirksamtes ) mit der Polizei, als auch im alltäglichen Dienstbetrieb des Allgemeinen Ordnungsdienstes (AOD). Im Bezirk Reinickendorf finden in Kooperation des bezirklichen Ordnungsamtes, des bezirklichen Jugendamtes und der Polizei sowohl gezielte Einsätze in Gewerbebetrieben (Einzelhandel, Shisha-Bars, Gaststätten, Spielhallen, Diskotheken) sowie auf Veranstaltungen und Märkten als auch spontane Jugendschutzkontrollen im täglichen Streifendienst des Ordnungsamtes statt. Des Weiteren finden stetig Kontrollen im öffentlichen Bereich (Straßenland, Grünanlagen) statt. Im Bezirk Treptow-Köpenick haben das Ordnungsamt und das Jugendamt im Jahr 2009 eine Kooperationsvereinbarung zur Einhaltung des Jugendschutzes abgeschlossen . Die für Jugend zuständige Senatsverwaltung unterstützt die Ordnungsämter bei der Umsetzung dieser Aufgabe, indem sie in Kooperation mit der für Inneres zuständigen Senatsverwaltung einen jährlichen Fachaustausch zum Stand der Kooperation zwi- 3 schen den bezirklichen Ordnungsämtern und den Jugendämtern bei der Umsetzung des Jugendschutzgesetzes organisiert. Der gute Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen den Ämtern ist insbesondere bei Fragen entscheidend, die das „Wohl von Kindern oder Jugendlichen“ betreffen (insb. §§ 7 und 8 JuSchG), da die Ordnungsämter hier auf die sozialpädagogische Expertise in den Jugendämtern angewiesen sind. Der Fachaustausch dient zudem der frühzeitigen Information der Ordnungsämter über Rechtsänderungen und -anpassungen, die unmittelbare Auswirkung auf die bezirklichen Ordnungsämter haben. Einige Bezirke haben darüber hinaus präventive Maßnahmen zum „Jugendschutz im öffentlichen Raum“ angeführt, die sich als Angebote des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes nach § 14 SGB VIII an die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen richten. Dabei handelt es sich um Projekte der mobilen, aufsuchenden Jugend (sozial)arbeit, die junge Menschen auf der Straße und an beliebten öffentlichen Plätzen (wie Parks, Grünanlagen, Spielplätzen o. ä.) erreichen und sie über die Gefahren von Alkohol, (e-)Zigaretten und Drogen aufklären: Im Bezirk Mitte sind drei bezirkliche Teams von Gangway e. V. in der Straßensozialarbeit aktiv, die gesellschaftlich benachteiligte oder individuell beeinträchtigte Jugendlichen erreichen sollen, u. a. zum Thema Drogenkonsum. Ein weiteres Gangway-Team mit Namen „Transit“ engagiert sich seit Juni 2009 in den Themenfeldern Jugend, Migration und Sucht (transkulturelle und kulturspezifische Suchtarbeit mit Jugendlichen). Im Bezirk Neukölln richten sich durchgeführte Maßnahmen zum Jugendschutz im öffentlichen Raum im Bereich der Jugend(sozial)arbeit schwerpunktmäßig an Jugendliche und Jugendgruppen, die sich auf öffentlichen (Spiel)Plätzen aufhalten und durch Regelverstöße, Gewalt und Vandalismus auffallen. Die Maßnahmen und Projekte dienen der Befriedung und Revitalisierung der öffentlichen Räume. Die Umsetzung erfolgt in enger Kooperation mit qualifizierten Trägern, z. B. aus der Sucht- und Drogenarbeit, zum Teil gemeinsam mit der Polizei und den Neuköllner Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen . Daneben werden Streetworker/innen von Gangway e. V. und Outreach GskA mbH durch bezirkliche Mittel (Jugendamt) kofinanziert mit zurzeit jährlich 159.000 € in 2019. Konkret wurden in 2017/2018/2019 z. B. folgende Projekte umgesetzt: - Perspektiven für Jugend und Nachbarschaft – Gewalt- und Drogenprävention mit Aktivitäten im öffentlichen Raum. Die Finanzierung erfolgte aus dem Netzwerkfonds und betrug in 2016/2017/2018 insgesamt 450.000 EUR. - „Auf die Plätze“ (seit Juli 2017) mit drei Unterprojekten: “Spielplatz für Alle“ (Outreach GsKA gGmbh, Blueberry und Blaubär-Spielplatz), “Raus aus Neukölln“ (z. B. in Kooperation mit der Jugendbildungsstätte Flecken-Zechlin) und „Boddin- Power-Play“ (MaDonna, Boddinplatz und Boddinspielplatz). Die Projekte werden von der Landeskommission Berlin gegen Gewalt mit derzeit 150.000,00 Euro/Jahr gefördert. Im Bezirk Pankow sind die freien Träger Gangway e. V. und Outreach GskA mbH im Auftrag des Jugendamtes im öffentlichen Raum tätig und setzen im Rahmen der mobilen und aufsuchenden Jugend(sozial)arbeit bewährte gewalt- und suchtpräventive Methoden im Hinblick auf junge Menschen ein. Durch direkte Ansprache von Jugendgruppen wird so auf die Gefahren riskanten Konsums und der Störung der öffentlichen 4 Ordnung bis hin zur Verantwortungsübernahme für alle Gruppenmitglieder hingewiesen . Die Projekte werden anteilig aus Zuwendungsmitteln der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung (SenBJF) und aus bezirklichen Zuwendungsmitteln finanziert: - Gangway e. V: Bezirksamt 83.106 € SenBJF 96.894 € - Outreach GskA mbH: Bezirksamt 116.105 € SenBJF 160.413 € Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf ist ein Trägerverbund von drei freien Trägern der mobilen Jugendarbeit im öffentlichen Raum tätig, unter anderem mit dem Präventionsprojekt „ZOOM SZ“, das auch 2019 mit 150.000 € durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt finanziert wird. Teams der mobilen Jugendarbeit, teilfinanziert durch das Jugendamt, sind mit Aktionen unter anderem präsent an den „hot spots“, den Einkaufscentern des Bezirks als auch in den Sommermonaten an dem stark frequentierten Ausflugsziel Schlachtensee, z. T. in Zusammenarbeit mit Mitarbeiter/innen des Ordnungsamtes und der Polizei. Hier ist die Thematisierung des Jugendschutzgesetzes Programm. 3.) Gibt es hierfür eine Produktzuordnung und wenn ja, auf welchem Produkt werden die entsprechenden Angebote verbucht? Zu 3.: Für die Erfüllung der Aufgaben „Kontrolle der Einhaltung des Jugendschutzgesetzes “ und „Durchführung von Ordnungswidrigkeitsverfahren“ entstehen Personal- und Umlagekosten für die eingesetzten Dienstkräfte. Diese werden auf die Produkte 80374 (Allgemeiner Ordnungsdienst – außer Verkehrsüberwachungsmaßnahmen) 80553 (Ordnungswidrigkeiten) und 65015 (Verwaltungsverfahren) gebucht. Eine gesonderte Ausweisung der Aufgabe „Jugendschutzkontrollen“ erfolgt dabei nicht. Für Angebote des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes nach § 14 SGB VIII gibt es kein eigenes Produkt. Die Maßnahmen werden daher anteilig auf andere Produkte , z. B. 80629 (Jugendsozialarbeit durch freie Träger ohne schulbezogene Jugendsozialarbeit ), gebucht. 4.) Wie wird der Erfolg der durchgeführten Maßnahmen gemessen und welche Erfahrungen wurden in den Bezirken gesammelt? Gibt es Projekte, die sich bewährt haben? Welche Projekte haben keine Fortführung gefunden? 5.) Sieht der Senat einen zusätzlichen Bedarf an Maßnahmen von „Jugendschutz im öffentlichen Raum“ und wenn ja, an welchem Umfang denkt der Senat? Zu 4. und 5.: Die Aufgabe „Kontrolle der Einhaltung des Jugendschutzgesetzes“ erfolgt durch die Ordnungsämter lagebedingt und anlassbezogen. Über den jährlichen Fachaustausch zum Stand der Kooperation zwischen den bezirklichen Ordnungsämtern und den Jugendämtern hinaus finden in einigen Bezirken (u. a. Pankow, Reinickendorf) Kooperationstreffen zwischen dem Ordnungsamt, dem Jugendamt und der Polizei statt, bei denen die durchgeführten Maßnahmen besprochen und ausgewertet werden. Die gemeinsamen Jugendschutzkontrollen in Gaststätten und Spielbetrieben werden als 5 wirksam, aber personalaufwendig eingeschätzt. Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf gibt es eine statistische Erfassung zu Fällen, in denen Kinder oder Jugendliche alkoholisiert oder rauchend im öffentlichen Raum aufgegriffen werden, die zwischen Jugend- u. Ordnungsamt besprochen und ausgewertet wird. Einige Bezirke (Marzahn-Hellersdorf, Neukölln, Reinickendorf) berichten, dass die Anzahl der durch Mitarbeiter/innen des Ordnungsamtes im öffentlichen Raum alkoholisiert angetroffenen Kinder und Jugendlichen und der angezeigten Vorkommnisse mit Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen rückläufig ist. In Bezug auf die Angebote des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes nach § 14 SGB VIII haben die Bezirke (Mitte, Neukölln, Pankow und Steglitz-Zehlendorf) angegeben , dass sie die normalen Steuerungsinstrumente zur Evaluation von Projekten nutzen: - Leistungsverträge und Auftragserteilung an die Träger mit Zielvereinbarungen - schriftliche Berichtspflicht der Träger von Maßnahmen und Projekten - bezirkliche AG Mobile Teams (AG nach § 78 SGB VIII) - jährliche Tätigkeitsberichte der Teams der mobilen Jugendarbeit - bezirkliches Trägermanagement der Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit - regelmäßige Netzwerktreffen mit den Kooperationspartnern und allen Beteiligten im Projekt mit Berichterstattung zum Sachstand und Evaluation - jährliche Auswertungsgespräche mit den Projektverantwortlichen und Feststellung der Zielerreichung - regelmäßige Vor-Ort-Besuche Darüber hinaus werden auch gesamtstädtische und ressortübergreifende präventive Maßnahmen zum „Jugendschutz im öffentlichen Raum“ umgesetzt, die sich ebenfalls an die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen richten. So fördert die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung u. a. im Rahmen des Konzeptes „Frühzeitige Integration von jungen Geflüchteten im Bereich Jugend und Familie“ auf der Grundlage des Berliner Präventions- und Sicherheitspakets das Projekt „JugendAktionsRaum Alex“ (JARA), das sich insbesondere an junge, vor allem männliche, Geflüchtete richtet und ihnen alternative Freizeitgestaltung, Lernräume und tragfähige positive Beziehungen eröffnen soll. Zudem stellt die Landeskommission Berlin gegen Gewalt über das Programm „Kiezorientierte Gewalt- und Kriminalitätsprävention“ den Bezirken jeweils 150.000 Euro zur Verfügung (Gesamtfördervolumen EUR 1.800.000 Eure), mit denen diese bezirkliche Präventionsstrategien entwickeln und gewaltpräventive Projekte fördern können. So konnten im Jahr 2018 insgesamt 52 Einzelprojekte mit unterschiedlichen Schwerpunkten der Gewaltprävention in den Bezirken erfolgreich durchgeführt werden. Die Maßnahmen werden in Kooperation mit der Landeskommission Berlin gegen Gewalt kontinuierlich aktualisiert und weiterentwickelt. Berlin, den 19. März 2019 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie