Drucksache 18 / 18 152 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 05. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. März 2019) zum Thema: Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit in Berlin, insbesondere bei Polizei und Feuerwehr II - Bezug zur Schießstandaffäre und Antwort vom 26. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Mrz. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18152 vom 05. März 2019 über Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit in Berlin, insbesondere bei Polizei und Feuerwehr II – Bezug zur Schießstandaffäre ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Auf meine Anfrage 18/17526, dort Frage 2) hat der Senat auf die Frage, ob das Arbeitsschutzgesetz für alle Beschäftigten bei der Polizei gelte oder es Ausnahmetatbestände gebe, mit "Ja" geantwortet und sodann weiter zu einer Arbeitsschutzgesetzanwendungsverordnung Berlin –ArbSchGAnwV- Bln ausgeführt, die "daneben" am 10.08.2006 erlassen worden sei. Diese unpräzise Beantwortung macht eine Nachfrage erforderlich. 1. Davon ausgehend, dass die entsprechende Vorbereitung des Erlasses dieser Verordnung bei der Senatsverwaltung für Inneres dokumentiert ist: welchen Hintergrund hatte der Erlass der Arbeitsschutzgesetzanwendungsverordnung Berlin durch den Regierenden Bürgermeister Wowereit und den Senator für Inneres Dr. Körting? Zu 1.: Hintergrund des Erlasses der Verordnung über die modifizierte Anwendung von Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes für bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Dienst des Landes Berlin (Arbeitsschutzgesetzanwendungsverordnung-Berlin - ArbSch- GAnwV-Bln) vom 10. August 2006 (Gesetz- und Verordnungsblatt Berlin (GVBl.) Seite 887) waren Änderungen arbeitsschutzrechtlicher Regelungen auf Bundesebene. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz und weiterer Arbeitsschutz-Richtlinien vom 07. August 1996 (Bundesgesetzblatt Teil l Seite 1246) wurde unter anderem § 20 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) erlassen. § 20 ArbSchG enthält Regelungen zum Arbeitsschutz für den öffentlichen Dienst. Nach § 20 Absatz 2 ArbSchG kann für bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Dienst des Bundes, unter anderem bei der Polizei, den Zivil- und Katastrophenschutzdiensten oder den Nachrichtendiensten, durch Rechtsverordnung bestimmt werden, dass Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes „ganz oder zum Teil nicht anzuwenden sind, soweit öffentliche Belange dies zwingend erfordern, insbesondere zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit“. Nach § 20 Absatz 2 Satz 4 ArbSchG können für Tätigkeiten im öffentlichen Dienst der Länder durch Landesrecht entsprechende Regelungen getroffen werden. Durch Artikel I Nr. 13 des Gesetzes Seite 2 von 3 vom 22. Juli 1999 (GVBl. Seite 422) wurde dies mit der Einführung des (damaligen) § 42a in das Landesbeamtengesetz (LBG) für Berlin umgesetzt. Im aktuell geltenden LBG ist der Sachverhalt – nahezu wortgleich - in § 74 Absatz 4 LBG geregelt. Mit § 42a Absatz 2 LBG wurde der Senat ermächtigt, durch Rechtsverordnung für bestimmte sicherheitsrelevante Tätigkeiten im öffentlichen Dienst des Landes Berlin eine Nichtanwendung von Vorschriften des Arbeitsschutzes zu regeln. Mit dem Erlass der ArbSchGAnwV-Bln hat der Senat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. Ziel der Verordnung ist es, die Tätigkeiten näher zu bestimmen, bei denen ein Abweichen von Vorschriften des Arbeitsschutzes unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen notwendig ist. Jedoch unterliegt die Ausführung dieser Tätigkeiten auch in diesen Bereichen grundsätzlich den Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes. Ein Abweichen setzt voraus, dass die betreffende öffentliche Aufgabe nicht anders erfüllt werden kann. Das Abweichen ist nur solange gestattet, wie diese Sachlage gegeben ist. 2. Besteht bzw. bestand insbesondere irgendein Zusammenhang mit der Debatte über die Verletzung von Arbeitsschutzbestimmungen auf den Schießständen der Berliner Polizei im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung im Jahr 2005? Zu 2.: Nein. 3. Was sind "Einsatzvorbereitungstätigkeiten" im Sinne des § 2 der Arbeitsschutzgesetzanwendungsverordnung Berlin? Fällt darunter auch das Schießtraining der Berliner Polizeibeamten? Zu 3.: Die amtliche Begründung zu § 2 der ArbSchGAnwV-Bln führt zum Begriff der Einsatzvorbereitungstätigkeiten aus: „§ 2 beschreibt in abstrakt genereller Form die Tätigkeiten , bei denen ein Abweichen von Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes in Frage kommen kann. Bei den Einsatz- und Einsatzvorbereitungstätigkeiten handelt es sich um zwingend notwendige, überwiegend hoheitliche Tätigkeiten beim Vollzug gesetzlicher Aufgaben in bestimmten Dienststellen. Die genannten Dienststellen - Polizeipräsident in Berlin, Berliner Feuerwehr, Justizvollzugsdienst, Verfassungsschutz - führen Einsätze insbesondere zum Schutz von Personen oder zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch, wie z. B. zur Abwehr von Gefahren, bei der Verfolgung von Tätern auf frischer Tat, der Durchsuchung unbekannter Objekte, der Unschädlichmachung gefährlicher Stoffe oder der Identifikation an Unglücksstellen. Unter die Einsatzvorbereitungstätigkeiten fallen insbesondere die für spätere Einsätze oder im Zusammenhang mit einem konkreten Einsatzfall abgehaltenen Übungen, einschließlich der einem Einsatz vorangehenden Ausbildungsmaßnahmen.“ Das regelmäßig von Polizeidienstkräften abzuleistende Schießtraining - z.B. in einer Raumschießanlage - zählt nicht zu den Einsatzvorbereitungstätigkeiten. 4. Ist bzw. war nach Auffassung der Senatsverwaltung für Inneres die Durchführung des Schießtrainings "zwingend erforderlich, insbesondere zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung"? Seite 3 von 3 Zu 4.: Es wird davon ausgegangen, dass sich die Frage auf die in § 3 Absatz 1 Satz 1 Arb- SchGAnwV-Bln normierte Regelung bezieht, nach der bei Tätigkeiten nach § 2 Arb- SchGAnwV-Bln ganz oder zum Teil von Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes abgewichen werden kann, soweit öffentliche Belange dies zwingend erfordern, insbesondere zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Diese Regelung ist allerdings auf das regelmäßig von Polizeidienstkräften abzuleistende Schießtraining nicht anwendbar, da es sich bei diesem Training schon nicht um eine Tätigkeit nach § 2 ArbSchGAnwV-Bln handelt (s. die Beantwortung zu 3.). Die Frage, ob die in § 3 Absatz 1 Satz 1 ArbSchGAnwV-Bln normierten Voraussetzungen für dieses Schießtraining erfüllt sind, stellt sich daher nicht. 5. Sind seit dem 10.08.2006 - wenn ja, wann und welche - Dienstvorschriften im Sinne des § 3 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetzanwendungsverordnung Berlin erlassen worden, die die Voraussetzungen für ein "Abweichen" von den Arbeitsschutzbestimmungen geregelt haben? Zu 5.: Nein. 6. Sind seit dem 10.08.2006 - wenn ja, wann und welche - Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 Abs. 1 ArbschG im Sinne des § 4 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetzanwendungsverordnung Berlin erfolgt? Zu 6.: Nein. 7. Ist die Situation auf den Schießständen der Berliner Polizei je seit dem 10.08.2006 als ein Fall des § 4 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetzanwendungsverordnung Berlin behandelt worden? Zu 7.: Nein. Berlin, den 26. März 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport