Drucksache 18 / 18 178 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Seidel (LINKE) vom 07. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. März 2019) zum Thema: Finanzierung Vollzeitpflege und Antwort vom 25. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. März 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Katrin Seidel (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18178 vom 7. März 2019 über Finanzierung Vollzeitpflege ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Kinder und Jugendliche leben derzeit in Berliner Familien in Vollzeitpflege (bitte bezirklich aufschlüsseln)? Zu 1.: Die gewünschten Angaben für den Stichtag 31.12.2018 können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. 2. Wie korrespondiert die Zahl der in Vollzeitpflege untergebrachten Kinder und Jugendlichen mit dem Bedarf an Vollzeitpflegestellen in Berlin? Kann dieser Bedarf gedeckt werden und wenn nein, wie viele Plätze fehlen derzeit? 3. Wie viele Plätze gibt es in derzeit in der Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf und kann der Bedarf an diesem Angebot gedeckt werden? 4. Wie viele Plätze gibt es aktuell in der Kurzzeitpflege und wie ist hier der Grad der Bedarfsdeckung? Zu 2. bis 4.: Hierzu liegen keine gesamtstädtischen Statistiken vor. Zum Stichtag 31.12.2018 waren 455 kleine Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren in stationären Einrichtungen unter- Hilfearten der Vollzeitpflege Summe Berlin Mi F-K Pa C-W Sp S-Z T-S Ne T-K M-H Li Re § 33 SGB VIII befristete Vollzeitpflege 106 6 1 6 3 9 7 4 14 5 18 16 17 § 33 SGB VIII Vollzeitpflege 1101 184 46 103 41 82 35 84 103 76 125 125 97 § 33 SGB VIII Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf 950 109 35 78 39 86 49 39 91 41 181 109 93 § 33 SGB VIII Krisenpflege durch Pflegepersonen 13 4 3 2 1 1 2 § 35a SGB VIII Eingliederungshilfe in Vollzeitpflege 231 7 2 21 21 66 39 53 4 18 Summe 2401 310 84 208 83 198 94 193 247 177 329 251 227 2 gebracht. Es ist davon auszugehen, dass für ca. 20 % (ca. 90 Kinder) dieser Kinder auch eine Pflegefamilie geeignet wäre. 5. Wie hoch ist derzeit die Pauschale für den Lebensunterhalt des Kindes in einer Vollzeitpflege? Zu 5.: Die Pauschale zum Lebensunterhalt bei Vollzeitpflege ohne erweiterten Förderbedarf (§§ 39, 33 SGB VIII) beträgt für die Altersstufe 1 (bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres) 399 € Altersstufe 2 (vom Beginn des 8. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres) 474 € Altersstufe 3 (vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) 564 € Die Pauschale zum Lebensunterhalt bei Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf (§§ 39, 33 SGB VIII) beträgt für die Altersstufe 1 (bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres) 389 € Altersstufe 2 (vom Beginn des 8. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres) 492 € Altersstufe 3 (vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) 670 € 6. Wie hoch ist derzeit die Abgeltung der Erziehungsleistung im Bereich der Vollzeitpflege, im Bereich der Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf und in der Kurzzeitpflege? Zu 6.: Kosten für die Pflege und Erziehung bei Vollzeitpflege ohne erweiterten Förderbedarf 300 € Kosten für die Pflege und Erziehung bei Vollzeitpflege oder befristeter Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf 959 € Kosten für die Pflege und Erziehung bei befristeter Vollzeitpflege 480 € 7. Wie hoch ist in den verschiedenen Angebotsformen der Vollzeitpflege die monatliche Pauschale, die welche Leistungen für das Pflegekind abdecken soll? Zu 7.: Mit der Pauschale für den Lebensunterhalt (jeweilige Höhe s. Frage 5) werden Aufwendungen wie Ernährung, Ergänzung von Bekleidung und Schuhwerk, Reinigung , Körper- und Gesundheitspflege, Hausrat, Schulbedarf sowie Taschengeld, Fahrgelder, Spiel- und Beschäftigungsmaterial, Vereinsbeiträge und eine Haftpflichtversicherung u. ä. abgegolten. 3 Die Pauschale für die Erziehungsleistung ist für die Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes/Jugendlichen (jeweilige Höhe s. Frage 6). Die monatliche Beihilfe (48,97 Euro) umfasst u. a. die Leistungen für sonstige persönliche Ausstattung, Schulfahrten, Reisekostenzuschuss und Weihnachtsbeihilfe. 8. Welche weiteren Möglichkeiten gibt es für Pflegeeltern, gegebenenfalls weitere zusätzliche Bedarfe beim jeweiligen Jugendamt geltend zu machen, und welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Zu 8.: Nach Bedarf können einmalige Zuschüsse auf Antragstellung vom Jugendamt gewährt werden. Einmalige Zuschüsse werden insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, Erstausstattung Bekleidung für das Pflegekind, zu wichtigen persönlichen Anlässen wie Taufe, Konfirmation, Jugendweihe und Einschulung, sowie für Kinderwagen, Fahrrad, Fahrradkindersitz, Autokindersitz, Mobiliar und zur Verselbständigung einer /eines jungen Erwachsenen aus einer Pflegefamilie heraus gewährt. Sollte eine Pflegeperson bzw. Pflegefamilie Leistungen nach SGB II beziehen, so erhalten die Pflegeeltern noch zusätzlich zum Pflegegeld die für das Pflegekind berechneten tatsächlichen anteiligen Kosten für die Bruttowarmmiete, abzüglich des in der Pauschale zum Lebensunterhalt enthaltenen Anteils der Bruttowarmmiete von 85 €, vom zuständigen Jugendamt. 9. Wann wurde die Pauschale für den Lebensunterhalt des Kindes, der Betrag für die Abgeltung der Erziehungsleistung und die Pauschale für weitere Leistungen in Berlin letztmalig um welchen Betrag erhöht? Zu 9.: Mit den Ausführungsvorschrift über die Leistungen zum Unterhalt des Kindes/ Jugendlichen nach § 39 SGB VIII - Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII) (AV-Vollzeitpflege- Pflegegeld) vom 01.01.2012 wurde die Pauschale zum Lebensunterhalt für die Altersstufe 1 (bis Vollendung des 7. Lebensjahres) um 69 Euro auf 399,00 Euro und für die Altersstufe 2 (vom Beginn des 8. Bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres) um 58 Euro auf 474 Euro erhöht. Für die Altersstufe 3 (vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) ist die Pauschale von 564 Euro gleich geblieben. Die Pauschalen für die Kosten der Erziehung in Höhe von 300 Euro, 959 Euro, 480 Euro (s. Frage 6) und die monatliche Beihilfe in Höhe von 48,97 Euro sind seit 2006 konstant. 10. Inwiefern hält der Senat die für die Vollzeitpflege gezahlten Beträge für auskömmlich und wie bewertet er die Notwendigkeit, die Pauschale für den Lebensunterhalt des Kindes, den Betrag für die Abgeltung der Erziehungsleistung und die Pauschale für weitere Leistungen zu erhöhen? Was ist diesbezüglich vorgesehen? 4 11. Welchen Rhythmus hält der Senat für erforderlich für die regelmäßige Prüfung der Angemessenheit der Höhe der einzelnen Beträge in der Vollzeitpflege und ihre Anpassung an die tatsächlichen Aufwendungen? Zu 10. und 11.: Mit dem Pflegegeld gemäß § 39 SGB VIII wird der gesamte regelmäßige Bedarf für Pflegekinder abgegolten. Das Pflegegeld dient ausschließlich der Bedarfsdeckung des Kindes und wird unabhängig von der Einkommenssituation der Pflegeperson gewährt. Bei der Höhe des monatlichen Pflegegeldes geht es nicht um die Sicherung des Existenzminimums, sondern um eine angemessene durchschnittliche Unterhaltssicherung . Insofern geht das Pflegegeld über die Regelsätze nach dem SGB II bzw. SGB XII hinaus. Nach der Festlegung der Pauschalen in den Ausführungsvorschriften über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VII) vom 21.06.2004 kam es zu einer Erhöhung der Pauschale zum Lebensunterhalt der Kindes/Jugendlichen in der AV-Vollzeitpflege-Pflegegeld vom 01.01.2012. Die Angemessenheit der Höhe der Pauschalen wird von Senatsverwaltung regelmäßig geprüft. Derzeit wird eine Neufassung der Ausführungsvorschriften zum Pflegegeld in den Fachgremien der Pflegekinderhilfe diskutiert und befindet sich in Bearbeitung . Wie in einigen anderen Bundesländern wird angestrebt, dass sich die Pauschalen zum Lebensunterhalt auch in Berlin u. a. an den Empfehlungen des Deutschen Vereins orientieren. 12. Wie bewertet der Senat den Vorschlag von Pflegeeltern, dass sie für ihre Pflegekinder Zugang zum Berlin-Pass und Leistungen aus dem Bildungs-Teilhabepaket erhalten? Was steht dem entgegen ? Zu 12.: Der berlinpass stellt grundsätzlich ein freiwilliges und zusätzliches Angebot des Landes Berlin dar, das über die gesetzlichen Leistungspflichten hinausgeht und für Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II / Sozialgeld (SGB II), Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII), Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie für die Mitglieder der vorgenannten Bedarfsgemeinschaften (Haushaltsangehörige) und für Bezieher/innen von Wohngeld, Opferrenten nach dem SED- Unrechtsbereinigungsgesetz bzw. NS-Ausgleichsrenten nach dem Gesetz über die Anerkennung und Versorgung der Politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus (PrVG) vorgesehen ist. Der Senat hat den Berechtigtenkreis in dieser Weise festgelegt. Wenn keine der vorgenannten Leistungen bezogen werden, besteht derzeit kein Anspruch auf Erhalt des „berlinpass“. Der berlinpass bündelt die bestehenden Angebote sozialer Vergünstigungen und gilt als einheitlicher und allgemeingültiger Berechtigungsnachweis für deren Inanspruchnahme . Über Art und Umfang der Angebote und Vergünstigungen entscheidet jeder Anbieter selbst. Bei den genannten Rechtsgrundlagen handelt es sich um Vorschriften, die entweder der Unterhaltssicherung dienen oder Entschädigungsleistungen darstellen. Die Leis- 5 tungen der Hilfe zur Erziehung, der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Buch VIII (Kinder- und Jugendhilfe), der gemeinsamen Wohnform für Mütter/Väter und Kindern sowie der Jugendberufshilfe erfüllen diese Voraussetzungen nicht, denn sie haben dagegen in erster Linie einen erzieherisch-pädagogischen und / oder therapeutischen Ansatz. Nur bei stationären Hilfen wird als Annexleistung auch der Unterhalt sichergestellt. Im Unterschied zum berlinpass ist der berlinpass-BuT kein freiwilliges oder zusätzliches Angebot des Landes Berlin, sondern der Berechtigungsnachweis, der in Schulen und Kitas für die Bewilligung der Leistungen für Bildung und Teilhabe vorzulegen ist. Der anspruchsberechtigte Personenkreis wurde hier vom Bundesgesetzgeber festgelegt und beschränkt sich auf Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II / Sozialgeld (SGB II), Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII), Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungen nach dem Wohngeldgesetz und dem Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz. Wenn keine der vorgenannten Leistungen bezogen werden, besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Erhalt des „berlinpass-BuT“ bzw. den Erhalt weiterer Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes . Die einzelnen Bedarfspositionen des BuT werden jedoch unabhängig hiervon ohnehin entweder direkt durch das monatliche Pflegegeld oder die monatliche Beihilfenpauschale berücksichtigt oder können als einmaliger Bedarf gemäß § 39 Abs. 3 SGB VIII gewährt werden: Fahrtkosten zur Schule, Teilnahme an Ausflügen in Kita oder Schule, persönlicher Schulbedarf: Die Kosten für diese Punkte sind Bestandteil der monatlichen Pauschale zum Lebensunterhalt Mittagessen in Kita, Kindertagespflege, Schule oder Hort: Die Aufwendungen sind im Pflegegeld enthalten, da in der Pflegefamilie eine häusliche Ersparnis entsteht. Mitmachen in Kultur, Sport und Freizeit:. Vereinsbeiträge sind in der monatlichen Pauschale zum Lebensunterhalt enthalten. Zahlreiche Angebote sind grundsätzlich auch mit Vorlage des Schülerausweises möglich zu vergleichbaren Konditionen wie für berlinpass-BuT Inhaber möglich. Teilnahme an mehrtägigen Kita- oder Klassenfahrten: Kosten hierfür sind in geringem Umfang in der monatlichen Beihilfe enthalten (78,50€/Jahr). Auf Antrag (vor Beginn der Reise, nicht als Erstattung) übernimmt das Jugendamt die übersteigenden Kosten. Lernförderung: Nach Feststellung des Bedarfs durch die Schule erfolgt die individuelle Festlegung über die Hilfeplanung sowie die Kostenübernahme durch das Jugendamt. Damit ist aus Sicht der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie grundsätzlich gewährleistet, dass keine Benachteiligung gegenüber Anspruchsberechtigten für den berlinpass-BuT vorhanden ist. Den Bezirken als örtliche Träger der Jugendhilfe sind diese grundsätzlichen Regelungen bekannt. 6 13. Wie bewertet der Senat die Notwendigkeit des Ausbaus der Vollzeitpflege als Angebot der Jugendhilfe und wie wird er auch durch eine angemessene finanzielle Ausstattung der Pflegefamilien dafür Sorge tragen, dass Teilhabe und Chancengleichheit in jedem Falle auch für Pflegekinder sichergestellt sind? Zu 13.: Die Gewinnung von geeigneten Pflegefamilien und die Erweiterung des möglichen Anteils an Pflegefamilien haben für den Senat einen hohen Stellenwert. Es wurden und werden laufend zahlreiche Werbemaßnahmen und Veranstaltungen sowohl auf bezirklicher Ebene, als auch auf gesamtstädtischer Ebene durch die Jugendämter bzw. die für Jugend zuständige Senatsverwaltung bzw. durch die jeweils beauftragten Träger durchgeführt. Das Pflegegeld, die Beihilfepauschalen sowie der Anspruch auf einmalige Leistungen ermöglichen insgesamt die Unterhaltssicherung und Teilhabe, bedürfen jedoch einer regelmäßigen Überprüfung. Berlin, den 25. März 2019 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie