Drucksache 18 / 18 200 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) vom 12. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. März 2019) zum Thema: Anwendung des § 77 SGB XI (Häusliche Pflege durch Einzelpersonen) auf angestellte Pflegekräfte, die mit ihnen verwandt oder verschwägerte Personen pflegen und Antwort vom 26. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. März 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18200 vom 12. März 2019 über Anwendung des § 77 SGB XI (Häusliche Pflege durch Einzelpersonen) auf angestellte Pflegekräfte, die mit ihnen verwandt oder verschwägerte Personen pflegen ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Sieht der Senat die Anwendung des § 77, 4. Halbsatz SGB XI für die häusliche Pflege durch Einzelpersonen (Wortlaut: „Verträge mit Verwandten oder Verschwägerten des Pflegebedürftigen bis zum dritten Grad sowie mit Personen, die mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft leben, sind unzulässig“) als Begründung zur Versagung der Kostenübernahme durch die Bezirksämter (als Sozialträger) für Pflegeleistungen durch Ambulante Pflegedienste – und eben nicht die Pflege durch Einzelpersonen –, welche sich zur Leistungserbringung angestellter Pflegekräfte bedienen, die mit den zu pflegenden Klienten verwandt oder verschwägert sind, als rechtmäßig an? Wenn ja, warum und auf Grundlage welcher Rechtsprechung bzw. rechtlichen Literatur? Zu 1.: Die in § 77 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI getroffene Regelung stellt ein zusätzliches Argument für den Sozialhilfeträger dar, dass die rechtliche Hauptargumentation unterstreicht und stützt. Demnach ist es den Pflegekassen verwehrt mit Verwandten, Verschwägerten (je bis zum Dritten Grad) und Haushaltsangehörigen eigene Verträge zur Sicherstellung der häuslichen Pflege abzuschließen. Der genannte Personenkreis ist dem Pflegebedürftigen u.a. aufgrund sittlicher und moralischer Verpflichtungen zur unentgeltlichen Pflege verpflichtet. Aus dem Blickwinkel der Hilfe zur Pflege und somit des Trägers der Sozialhilfe ist das Hauptargument der bei häuslicher Pflege gesetzlich festgelegte Vorrang der Pflege durch nahestehende Personen oder als Nachbarschaftshilfe nach § 64 SGB XII. Die Pflege durch diese Personen erfolgt unentgeltlich, unabhängig davon, ob es sich innerhalb des genannten Personenkreises um ausgebildete Pflegefachkräfte handelt oder nicht. - 2 - 2 Nur wenn die häusliche Pflege nicht durch die genannten Personen sichergestellt werden kann, besteht ein Anspruch auf häusliche Pflegehilfe nach § 64b Absatz 1 SGB XII, der als Sachleistungsanspruch die Kostenerstattung für Leistungen von besonderen Pflegekräften umfasst, die entgeltlich tätig werden. Würde nun die gesetzlich bei der Sicherstellung der erforderlichen Pflege zunächst unentgeltlich heranzuziehende nahestehende Person/Angehöriger die Pflege als besondere Pflegekraft eines zugelassenen ambulanten Pflegedienstes gegen Entgelt erbringen, unterläuft dies die gesetzliche Festlegung. Der beschriebene Personenkreis ist für den Erhalt eines regulären Verdienstentgeltes für die Pflege am Angehörigen nicht vorgesehen. Die Erhaltung ihrer Pflegebereitschaft und Motivation soll bereits mittelbar durch die Gewährung des zur Sicherstellung der pflegerischen Bedarfsdeckung bewilligten Pflegegeldes nach § 64a SGB XII mitumfasst sein (Krahmer/Höfer in LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 64a, Rn. 2). Daraus folgt, dass auch der Pflegedienst bei häuslicher Pflegehilfe nach § 64b SGB XII keine Kostenerstattung von Leistungen verlangen kann, die eine bei ihm als besondere Pflegeperson angestellte, aber zugleich nahe stehende Person an ihrem Angehörigen erbracht hat. 2. Seit dem vierten Quartal 2016 bis zum Datum der Einreichung dieser Schriftlichen Anfrage, in wie vielen Fällen wurde die Kostenübernahme unter Hinzuziehung des § 77, 4. Halbsatz SGB XI durch das Bezirksamt Mitte gegenüber ambulanten Pflegediensten welche sich zur Leistungserbringung angestellter Pflegekräfte bedienen, die mit den zu pflegenden Klienten verwandt oder verschwägert sind versagt? (Bitte aufgliedern nach Fallzahlen und Monaten) 3. In wie vielen solchen Fällen wurde gegen den Versagungsbescheid Widerspruch eingelegt, wie war sodann der Ausgang? (Bitte aufgliedern nach Fallzahlen, Monaten und Ausgang des Verfahrens) 4. In wie vielen solchen Fällen wurde sodann der Rechtsweg bestritten, wie war sodann der Ausgang? (Bitte aufgliedern nach Fallzahlen, Monaten und Ausgang des Verfahrens) Zu 2. - 4.: Es liegen dem Senat keine Angaben zu den angefragten Fallzahlen vor. Auch in dem Bezirksamt Mitte ist kein Fall bekannt, in denen die Kostenübernahme unter Hinzuziehung des § 77 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI gegenüber ambulanten Pflegediensten, welche sich zur Leistungserbringung angestellter Pflegekräfte bedienen, die mit den zu pflegenden Klienten verwandt oder verschwägert sind, versagt worden wäre. - 3 - 3 5. Unter vollständige Bezugnahme auf die o.g. Fragen bitte entsprechend analog für die weiteren Berliner Bezirke beantworten. (Bitte aufgliedern nach Fallzahlen, Monaten und Ausgang der Widerspruchsverfahren) Zu 5.: Es liegen dem Senat keine Angaben zu den angefragten Fallzahlen vor. Auch die anderen Bezirke führen keine Statistik zu Versagungen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI. Derartige Fälle liegen in den Bezirken nicht vor. Berlin, den 26. März 2019 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung