Drucksache 18 / 18 206 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 11. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. März 2019) zum Thema: Vollzug des Gesetzes über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Berlin und Antwort vom 29. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr.18/18206 vom 11. März 2019 über Vollzug des Gesetzes über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Berlin -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Mit welchen Kosten rechnet der Senat, um seine in der Sitzung des Rechtsausschusses am 06.03.2019 mitgeteilten Pläne umzusetzen, Sicherungsverwahrten ein Gebäude außerhalb der JVA Tegel zum Zwecke der Unterbringung im Rahmen der Vollzugslockerung zur Verfügung zu stellen? Zu 1.: Als Kosten für die Planung und Durchführung der baulich-technischen Herrichtung des ehemaligen Dienstwohnungsgebäudes/Haushälfte Seidelstraße Nr. 34, inkl. Erstausstattung , Möblierung, etc. wird ein einmaliger Finanzierungsbedarf von ca. 1 bis 2 Mio. EUR prognostiziert. Die immobilienbezogenen laufenden Kosten für Miete, Betriebsund Nebenkosten etc. werden auf ca. 65.000,00 EUR pro Jahr geschätzt. 2. Welche Mittel werden im Rahmen der Haushaltsplanungen zur Umsetzung der vorgenannten Pläne von der Senatsverwaltung angemeldet und wie werden die Mittel auf die jeweiligen Titel aufgeteilt? Zu 2.: Als Teil der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel wird der Bedarf aus dem Budget der JVA Tegel gedeckt. Für den Betrieb und Unterhalt der JVA Tegel werden auskömmliche Mittel angemeldet. Die Titelzuordnung bleibt dem Haushaltsgesetzgeber überlassen, welcher den Doppelhaushalt für die Jahre 2020 und 2021 aufzustellen hat. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 3. Welche Mittel in welcher Höhe aus welchem Kapitel und Titel werden aus dem laufenden Haushaltsplan zur Umsetzung der Pläne des Justizsenators eingesetzt und verwendet? Zu 3.: Die baulich-technische Herrichtung des ehemaligen Dienstwohnungsgebäudes /Haushälfte Seidelstraße Nr. 34 erfolgt im Rahmen einer Grundsanierung und wird aus Mitteln der Bauunterhaltung (BU-Mittel) über die BIM GmbH finanziert. Die BU-Mittel speisen sich aus dem FM-Titel 51820 (Mietausgaben für die Nettokaltmiete aufgrund vertraglicher Verpflichtungen aus dem Facility Management). Für die Umsetzung der o. g. Maßnahme sind auf Basis des von der BIM GmbH ermittelten Sanierungsbedarfs 1,1 Mio. EUR in 2019 budgetiert worden. 2 4. Mit welchem personellen Bedarf rechnet der Senat, um seine in der Sitzung des Rechtsausschusses am 06.03.2019 mitgeteilten Pläne umzusetzen, Sicherungsverwahrten ein Gebäude außerhalb der JVA Tegel zum Zwecke der Unterbringung im Rahmen der Vollzugslockerung? Zu 4.: Nach derzeitigen Planungen wird von einem Bedarf von sechs Stellen im Allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) ausgegangen. Die sozialarbeiterische und psychologische Betreuung sowie die medizinische Betreuung dort Untergebrachter soll nach derzeitigem Planungsstand aus dem Personalbestand der JVA Tegel heraus erfolgen, so dass ein zusätzlicher Bedarf an Stellen für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeite, Psychologinnen und Psychologen sowie medizinisches Personal derzeit nicht gesehen wird. 5. Welchen personellen Mehraufwand sieht der Senat zur Umsetzung der mitgeteilten Pläne und welches Konzept verfolgt der Senat, um diesen Bedarf zu decken? Zu 5.: Die in der Antwort zu Frage 4 beschriebenen Personalaufwüchse wurden in den laufenden Haushaltsplanungen der JVA Tegel bereits berücksichtigt. 6. Mit welchen Kosten rechnet der Senat in Bezug auf die jährlich durchzuführende Begutachtung, um die Eignung für die Unterbringung im offenen Vollzug sicher zu stellen? Zu 6.: Die Prüfung der Zulassung zur ersten Lockerungsstufe gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Berlin (SVVollzG Bln) erfolgt immer auf der Grundlage eines Gutachtens. Ob sodann im Rahmen der Prüfung der Erweiterung der Lockerungen weitere Gutachten bzw. ggf. Ergänzungsgutachten erforderlich werden, ist je nach Einzelfall zu entscheiden. Dies hängt auch davon ab, ob zwischendurch seitens des zuständigen Gerichts aussagekräftige Prognosegutachten eingeholt werden, die zur Frage von Lockerungen Stellung nehmen. Eine regelhaft jährliche Begutachtung findet nicht statt. Im Haushaltsjahr 2018 lagen die Kosten für kriminologische Gutachten zwischen 4.000,00 EUR und 5.700,00 Euro pro Gutachten. Im genannten Jahr wurden vier Gutachten für Sicherungsverwahrte in Auftrag gegeben. 7. Welches Konzept verfolgt der Senat, um den aus der jährlichen Begutachtung erwachsenden Bedarf an Gutachtern zu decken? Zu 7.: § 67e Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) sieht regelhaft eine jährliche Überprüfung zur Frage, ob die Sicherungsverwahrung fortdauern soll oder zur Bewährung ausgesetzt bzw. für erledigt erklärt werden kann, vor. Ab dem zehnten Jahr verringert sich die Frist zur Überprüfung auf neun Monate. Bei der Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung handeln die Richterinnen und Richter in Ausübung ihrer richterlichen Unabhängigkeit. Es steht ihnen frei, sich sachverständig beraten zu lassen. Eine Verpflichtung , zu jedem Sicherungsverwahrten jährlich ein Gutachten einzuholen, besteht nicht. Davon losgelöst kann ein Gutachten beauftragt werden, um die Eignung für die Zulassung zu vollzugsöffnenden Maßnahmen gem. § 40 SVVollzG Bln bzw. für eine Unterbringung im offenen Vollzug gem. § 13 Abs. 2 SVVollzG Bln beurteilen zu lassen. Die Beauftragung erfolgt anlassbezogen durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. Voraussetzung für die Erteilung des Gutachtenauftrags ist, dass die Einrichtung für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zu einer vorläufigen günstigen Prognoseeinschätzung bezüglich des betreffenden Untergebrachten gelangt ist. 3 Für den bisher entstandenen Bedarf an Stellungnahmen konnte auf einen hinreichend großen Pool an qualifizierten Sachverständigen zurückgegriffen werden, die ihre Gutachten in einer angemessenen Frist vorlegten. 8. Welchen räumlichen Bedarf plant der Senat für die Unterbringung der Sicherungsverwahrten innerhalb der Mitarbeitersiedlung und welchen Sanierungsaufwand hält der Senat für erforderlich? Zu 8.: Die Einrichtung des Offenen Vollzuges für die Sicherungsverwahrung soll im ehemaligen Dienstwohnungsgebäude/Haushälfte Seidelstraße Nr. 34 über drei Etagen (EG bis 2. OG) auf insgesamt ca. 380 m² Nutzfläche untergebracht werden. Bereits jetzt werden zwei der in unmittelbarer Nähe gelegenen insgesamt sieben ehemaligen Dienstwohnungsgebäude durch den Berliner Justizvollzug genutzt. Der Tegel-Shop, das Briefamt der JVA Tegel und die Forensisch-Therapeutische-Ambulanz sind dort angesiedelt . Nach derzeitigem Planungsstand sollen in der Einrichtung für den offenen Vollzug 8 bis 10 Einzelzimmer nebst wohngemeinschaftlicher Räumlichkeiten (Bad/WC-Bereiche, Küchen , Gruppenräume) sowie adäquater Diensträume für das Personal auf den Bestandsflächen geplant und umgesetzt werden. Die Erdgeschosszone soll barrierefrei erschlossen und für Senioren und mobilitätsbehinderte Bewohner nutzbar hergerichtet werden. Die aktuell leerstehende Gebäudehälfte ist Teil des Ensembles denkmalgeschützter Bereiche der Liegenschaft JVA Tegel und soll unter Berücksichtigung des vorliegenden Denkmalpflegeplans maßvoll und bedarfsgerecht im Auftrag der BIM GmbH angepasst und saniert werden. Die Beteiligten gehen derzeit von einem mittleren Sanierungsaufwand aus. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 9. Warum wird der Gesetzesauftrag erst jetzt umgesetzt und warum hält der Senat ausgerechnet die Schaffung einer neuen baulichen Einrichtung als geeignet, um den Auftrag des Gesetzgebers umzusetzen ? Zu 9.: Der Senat hält die Schaffung einer neuen Einrichtung des offenen Vollzuges für Sicherungsverwahrte aus folgenden Gründen für – durch das 2013 vom Abgeordnetenhaus beschlossene SVVollzG – rechtlich geboten und geeignet den gesetzlichen Ansprüchen zu genügen: Zum einen wird dadurch dem Trennungsprinzip gem. § 10 SVVollzG Bln, das die Trennung zwischen Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen vorschreibt, entsprochen. Zum anderen werden durch die Nähe zur JVA Tegel die Betreuungs- und Behandlungskontinuität gewährleistet. Die Sicherungsverwahrten sind ganz überwiegend viele Jahre in der JVA Tegel untergebracht . Häufig verfügen sie über keine oder nur sehr geringe soziale Bindungen in die Freiheit. Die Mitarbeitenden der verschiedenen Berufsgruppen sind nicht selten auch die wesentlichen sozialen Kontakte. Diese Arbeitsbeziehungen und ihre stabilisierende Wirkung können im offenen Vollzug vor den Türen der JVA Tegel bestehen bleiben. Die im geschlossenen Bereich zuständigen Psychologinnen und Psychologen sowie die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bleiben weiterhin mit der Behandlung betraut, wodurch eine hohe Betreuungskontinuität erreicht wird. Die durch die jahrelange bestehende Betreuung entstandene Arbeitsbeziehung ist ein wesentlicher Stabilisator für den Übergang von dem geschlossenen in den offenen Bereich. Das betreuende Personal hat dadurch die Möglichkeit, kleinste Veränderungen im Verhalten der Untergebrachten wahrzunehmen und unmittelbar zu reagieren. 4 Auch die räumliche Nähe zur Forensisch-Therapeutischen-Ambulanz (FTA), die sich in einem benachbarten Gebäude befindet, und einen wichtigen Baustein im Rahmen des Übergangsmanagement bildet, wird als Vorteil angesehen. Die FTA ist in besonderen Fällen im Anschluss an die Haft oder die Sicherungsverwahrung an der weitergehenden Betreuung und therapeutischen Behandlung beteiligt. Der Gesetzesauftrag kann erst jetzt umgesetzt werden. Nachdem im Juni 2013 das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Berlin in Kraft getreten ist, wurde im Jahr 2014 die neue Einrichtung für den Vollzug der Sicherungsverwahrung in der JVA Tegel eröffnet. Im Anschluss hieran begannen die komplexen Planungen für die Unterbringung im offenen Vollzug. Aus den bereits genannten Gründen wurde in der Folge die Möglichkeit einer Unterbringung der Sicherungsverwahrten in der JVA für den Offenen Vollzug (OVB) verworfen. Mit der Erkenntnis, dass eine besondere Einrichtung des offenen Vollzuges unmittelbar vor der JVA Tegel die beste Möglichkeit darstellt, musste zunächst das bestehende Nutzungskonzept für die ehemaligen Dienstwohnungsgebäude angepasst und die logistischen Voraussetzungen geschaffen werden. Eine auf die besondere Zielgruppe abgestimmte und tragfähige Konzeption liegt jetzt vor, so dass die Umsetzung beginnen kann. 10. Soll sich, und wenn ja wie, die neue bauliche Einrichtung für die Unterbringung von Sicherungsverwahrten im offenen Vollzug von der bereits bestehenden JVA für den offenen Vollzug unterscheiden (erbitte konkrete Angaben insbesondere zu sicherheitsrelevanten Einrichtungen)? Zu 10.: Es ist geplant, den offenen Vollzug für Sicherungsverwahrte grundsätzlich mit den in der JVA OVB üblichen Sicherheitsstandards auszustatten. Zu diesen Sicherheitsstandards zählen im Besonderen ein kontrollierter Ein- und Ausgang, ein Zaun sowie eine angemessene personelle Ausstattung des AVD in Dienstkleidung. Der offene Vollzug unterscheidet sich nach den gesetzlichen Vorgaben vom geschlossenen Vollzug dadurch, dass er ohne oder mit verminderten baulichen und technischen Vorkehrungen gegen Entweichungen ausgestattet ist (vgl. § 13 Abs. 2 SVVollzG Bln sowie § 16 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz Berlin - StVollzG Bln). 11. Welche Umstände haben den Senat dazu veranlasst, eine Einrichtung für die Unterbringung von Sicherungsverwahrten im offenen Vollzug außerhalb der JVA Tegel für geeignet zu befinden? Zu 11.: Der § 13 Abs. 2 SVVollzG Bln sieht vor, dass Sicherungsverwahrte zur Entlassungsvorbereitung in den offenen Vollzug verlegt werden sollen, wenn sie den besonderen Anforderungen genügen. Da Einrichtungen des offenen Vollzuges keine oder verminderte bauliche oder technische Vorkehrungen gegen Entweichungen vorsehen, erfüllt eine Einrichtung eines offenen Vollzuges innerhalb der hoch gesicherten JVA Tegel nicht die gesetzlichen Anforderungen. 12. Welche Kriterien stellt der Senat hinsichtlich der Eignung für die im offenen Vollzug unterzubringenden Sicherungsverwahrten hinsichtlich der Dauer der bisherigen Sicherungsverwahrung, der Anlasstat für die Anordnung der Sicherungsverwahrung und des Alters der Betroffenen auf, letzteres insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Senator laut Medienberichten darauf setzt zu erklären, „dass es sich um zum Teil sehr lebensalte Menschen handelt“? Zu 12.: Die Kriterien, die für die Frage einer möglichen Unterbringung eines Verwahrten maßgeblich sind, ergeben sich aus den Regelungen des SVVollzG Bln. Gemäß § 13 Abs. 2 SVVollzG sollen Untergebrachten vor allem zum Zwecke der Entlassungsvorbereitung im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie hierfür die besonderen persönlichen Voraussetzungen erfüllen und den dortigen besonderen Anforderungen genügen . Insbesondere darf insoweit nicht konkret zu befürchten sein, dass sich Unterge- 5 brachte dem weiteren Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen bzw. die gelockerten Bedingungen des offenen Vollzuges zur Begehung neuerlicher einschlägiger Straftaten missbrauchen. Diese Eignungsvoraussetzungen sind individuell zu prüfen und grundsätzlich unabhängig von der Dauer der bereits vollzogenen Sicherungsverwahrung, der Anlasstat und vom Alter. Da das Durchschnittsalter der Sicherungsverwahrten jedoch ca. 55 Jahre beträgt, ist zwangsläufig davon auszugehen, dass im geplanten offenen Vollzug lebensältere Männer untergebracht werden. Gleichwohl stellt ein höheres Lebensalter aber auch kein „Positiv-Kriterium“ für eine bevorzugte Verlegung in den offenen Vollzug dar. Auch lebensältere Untergebrachte können nur dann in den offenen Vollzug verlegt werden, wenn sie die Verlegungsvoraussetzungen erfüllen. 13. Welches Konzept verfolgt der Senat hinsichtlich der Nutzung der Räumlichkeiten, die für die Unterbringung von Sicherungsverwahrten im offenen Vollzug zu schaffen sind für den Fall, dass sich die Sicherungsverwahrten nicht für diese Art der Unterbringung eignen? Zu 13.: Aus Sicht des Senats besteht nach den fachlich-vollzuglichen Erkenntnissen hinreichender Anlass für die Annahme, dass sich eine ausreichende Zahl Sicherungsverwahrter für diese Art der Unterbringung eignet. 14. Haben bereits Begutachten hinsichtlich der Eignung von Sicherungsverwahrten für die Unterbringung im offenen Vollzug in der zu schaffenden Einrichtung stattgefunden und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Zu 14.: Nein, hierzu bestand bislang kein Anlass. Aus fachlich-vollzuglicher Sicht besteht jedoch die berechtigte Erwartung, dass einigen der schon bislang erfolgreich gelockerten Verwahrten eine entsprechende Eignung attestiert werden wird. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass sich die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung zu Vollzugslockerungen einerseits und für die Zulassung zum offenen Vollzug andererseits im Wesentlichen decken. 15. Welche Überlegungen haben den Senat dazu veranlasst, hinsichtlich der Unterbringung der Sicherungsverwahrten im offenen Vollzug einen anderen Weg zu gehen als andere Bundesländer? Zu 15.: Der Senat geht nicht davon aus, dass Berlin einen anderen Weg geht als andere Bundesländer. Nahezu alle anderen Bundesländer sehen in ihren Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzen ebenfalls eine Unterbringung im offenen Vollzug zur Entlassungsvorbereitung von Sicherungsverwahrten vor. Den Umsetzungsstand dieses gesetzlichen Auftrags in den anderen Bundesländern hat der Senat nicht zu kommentieren. 16. Welches Konzept verfolgt der Senat hinsichtlich der Kontrolle von Auflagen gegenüber den im offenen Vollzug untergebrachten Sicherungsverwahrten? Zu 16.: Soll ein Verwahrter im offenen Vollzug untergebracht werden, können und müssen ihm verschiedene individuelle, an der Person und dem Anlassdelikt des Untergebrachten orientierte Weisungen erteilt werden, die er während seiner Unterbringung im offenen Vollzug sowie bei der Durchführung von Lockerungsmaßnahmen zu beachten hat. Beispielhaft sind die Beachtung der Hausordnung, das Alkoholverbot oder die Nachweispflicht für die Teilnahme an externen Behandlungsangeboten zu nennen. Bei Rückkehr in die Anstalt werden deshalb z. B. Alkoholkontrollen durchgeführt und die von dem Untergebrachten vorzulegenden Teilnahmebescheinigungen abgeglichen; insoweit gilt nichts anderes als bei der Gewährung von Vollzugslockerungen aus dem geschlossenen Vollzug. Missachtung von Weisungen kann eine Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug zur Folge haben. 6 17. Sieht sich der Senat aufgrund der aus den Medien zu vernehmenden aktuellen Vorfälle in Bezug auf einen Sicherungsverwahrten, der nach einem Ausgang nicht zurückgekehrt sein soll veranlasst, seine Pläne hinsichtlich der Unterbringung von Sicherungsverwahrten im offenen Vollzug zu überdenken? Zu 17.: Nein, der Senat sieht keinen Anlass seine Pläne zu überdenken. Der gesetzliche Auftrag, eine derartige Einrichtung zu schaffen, besteht unabhängig von dem Verhalten des genannten Sicherungsverwahrten. Gerade in Anbetracht der häufig sehr langen Unterbringungsdauer und der damit einhergehenden sozialen und gesellschaftlichen Entfremdung der Sicherungsverwahrten ist es zum Schutz der Allgemeinheit unerlässlich, die Untergebrachten schrittweise an das Leben in Freiheit zu gewöhnen. Durch die Einrichtung eines offenen Vollzugs wird ermöglicht , dass der Übergang aus der Sicherungsverwahrung in die Freiheit in einem Rahmen stattfindet, der das Risiko für neue Straftaten nach der Entlassung reduziert. Da Sicherungsverwahrte bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu entlassen sind, ist es zum Schutz der Allgemeinheit geboten, die Möglichkeiten zu schaffen, um die Sicherungsverwahrten in der Umgebung des offenen Vollzugs zu erproben. Der offene Vollzug bietet hierbei eine besondere Erprobungsmöglichkeit, die Vollzugslockerungen allein nicht bieten. Ohne eine Einrichtung des offenen Vollzugs sind die Sicherungsverwahrte direkt aus dem äußerst reglementierten Umfeld des geschlossenen Vollzuges in die Freiheit, die u.a. Gelegenheiten zur Begehung neuer Straftaten bietet, zu entlassen. So wurden seit 2015 15 Personen aus der Sicherungsverwahrung entlassen. 18. Wann ist der betroffene Sicherungsverwahrte mit welchem Ergebnis zuletzt begutachtet worden? Zu 18.: Der Untergebrachte, der am 6. März 2019 nicht von einem unbegleiteten Ausgang zurückkehrte, wurde letztmalig im Jahre 2014 (Gutachten vom 25. Juni 2014) durch einen externen Sachverständigen psychiatrisch-kriminalprognostisch begutachtet. Im weiteren Verlauf hat der externe Sachverständige am 24. Februar 2016 an einer Vollzugsplankonferenz teilgenommen. Im Ergebnis hat die JVA Tegel, unter Berücksichtigung der Einschätzung des externen Sachverständigen, die Zulassung zu Vollzugslockerungen entschieden. Danach wurde der Verwahrte fortlaufend durch den Fachdienst der JVA Tegel auf das Fortbestehen seiner Eignung für Vollzugslockerungen überprüft. 19. Wie viele Personen sind aktuell in der Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung untergebracht und über welche Kapazitäten zur Unterbringung von Sicherungsverwahrten verfügt die Einrichtung? Zu 19.: In der JVA Tegel sind derzeit 45 Untergerbachte in der Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung und weitere fünf Untergebrachte in der Sozialtherapeutischen Abteilung (SothA) untergebracht. Die Einrichtung für Sicherungsverwahrte bietet Platz für 60 Untergebrachte. 20. Wegen welcher Anlasstaten sind die Genannten jeweils untergebracht? Zu 20.: Bei den jeweiligen Anlasstaten handelt es sich um Gewaltstraftaten sowie Sexualstraftaten 21. Für jeweils welche Zeiträume wurde bislang bei den Untergebrachten die Sicherungsverwahrung vollzogen ? Zu 21.: Hierzu liegen keine aktuellen statistischen Erhebungen vor. Eine zuletzt in den Jahren 2016/2017 durchgeführte Erhebung ergab eine Inhaftierungsdauer (Strafhaft und Sicherungsverwahrung) von durchschnittlich ca. 15 Jahren. 7 22. Wie vielen der Genannten wurden bislang welche vollzugsöffnenden Maßnahmen gewährt und wie lange wurde jeweils gegenüber den Betroffenen die Sicherungsverwahrung vollzogen, bis die Maßnahmen gewährt wurden? Zu 22.: Angegeben sind die Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels gemäß § 40 SVVollzG Bln: Das Verlassen der Einrichtung für bis zu 24 Stunden in Begleitung einer von der Einrichtung zugelassenen Person (Begleitausgang), das Verlassen der Einrichtung für bis zu 24 Stunden ohne Begleitung (unbegleiteter Ausgang), das Verlassen der Einrichtung für mehr als 24 Stunden (Langzeitausgang) und die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Einrichtung (Freigang) Untergebrachter Erstzulassung zu… nach…Jahren nach Antritt der SV Erstzulassung zu… nach… Jahren nach Antritt der SV Erstzulassung zu… nach… Jahren nach Antritt der SV 1 Begleitausgang nach 10 Jahren, 4 Monaten - - 2 Begleitausgang nach 3 Jahren, 7 Monaten Unbegleiteter Ausgang nach 4 Jahren, 7 Monaten - 3 Begleitausgang nach 7 Jahren, 6 Monaten - - 4 Begleitausgang nach 5 Jahren, 1 Monat Unbegleiteter Ausgang nach 8 Jahren, 1 Monat - 5 Begleitausgang nach 3 Jahren, 3 Monaten - - 6 Begleitausgang nach 6 Jahren 5 Monaten - - 7 Begleitausgang nach 2 Jahren, 9 Monaten Unbegleiteter Ausgang nach 3 Jahren, 3 Monaten - 8 Begleitausgang nach 4 Jahren, 9 Monaten - - 9 Begleitausgang nach 3 Jahren, 10 Monaten Unbegleiteter Ausgang nach 5 Jahren, 2 Monaten Langzeitausgang zum Zwecke des Probewohnens gem. § 47 III SVVollzG Bln nach 5 Jahren 7, Monaten 10 Begleitausgang nach 5 Jahren, 2 Monaten - - 11 Begleitausgang nach 9 Jahren, 4 Monaten - - 12 - Unbegleiteter Ausgang bereits vor Antritt der SV Freigang bereits vor Antritt der SV 13 Begleitausgang nach 6 Jahren Unbegleiteter Ausgang nach 6 Jahren 8 Monaten Freigang nach 7 Jahren 8 14 Begleitausgang nach 1 Jahr, 6 Monaten Unbegleiteter Ausgang nach 2 Jahren, 1 Monat Freigang nach 3 Jahren , 5 Monaten 15 - Unbegleiteter Ausgang nach 5 Monaten Langzeitausgang nach 1 Jahr 23. Wie viel Zeit vergeht durchschnittlich, bis den Sicherungsverwahrten die jeweils nächste vollzugsöffnende Maßnahme gewährt wird (erbitte abgestufte Darstellung entsprechend § 40 des genannten Gesetzes )? Zu 23.: Hierzu liegen keine statistischen Erhebungen vor. Jeder Fall ist individuell zu entschieden . 24. Wie viele Personen konnten bislang seit 2015 aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden und wegen welcher Anlasstaten wurde gegenüber diesen jeweils die Sicherungsverwahrung vollzogen? Untergebrachter (seit 01.01.2015 entlassen) Anlasstat 1 Schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung , versuchte räuberische Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung 2 Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Körperverletzung 3 Versuchte Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Totschlags 4 Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, fahrlässiger Vollrausch in zwei Fällen 5 Vergewaltigung sowie versuchte Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung 6 Schwere Körperverletzung 7 Schwerer Raub in Tateinheit mit räuberischer Erpressung 8 Gefährliche Körperverletzung 9 Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen 10 Besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit dem unerlaubten Führen einer Waffe 11 Vergewaltigungstaten in mehreren Fällen 12 Schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung 13 Schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes in vier Fällen 14 Schwere räuberische Erpressung in sechs Fällen, Ausüben der tatsächlichen Gewalt über vollautomatische Selbstladewaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Ausüben der tatsächlichen Gewalt über halbautomatische Selbstladewaffen mit einer Länge von nicht mehr als 60cm und mit unerlaubtem Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine Schusswaffe 15 Sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger in besonders schwerem Fall, sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit exhibitionistischen Handlungen, Verbreitung pornographischer Schriften und Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung 25. Werden die Gutachten bezüglich der Fortsetzung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung gegenüber den jeweils Betroffenen überprüft, wenn ja wie und durch wen? Zu 25.: Über die Fortsetzung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung entscheiden die jeweils zuständigen Strafvollstreckungskammern. Sie können sich bei ihrer Entscheidungsfindung sachverständig beraten lassen und bewerten die Stellungnahme der Gutachterin bzw. des Gutachters selbstständig. Da die Richterinnen und Richter hierbei in 9 richterlicher Unabhängigkeit entscheiden, verbietet sich eine Bewertung durch den Senat . 26. Wie viele Gutachten wurden bislang im Rahmen einer etwaigen Überprüfung mit welchem Ergebnis und welcher Begründung beanstandet? Zu 26.: Es erfolgt keine statistische Erhebung. 27. Welche Konsequenzen wurden aus den Beanstandungen gezogen? Zu 27.: Es erfolgt keine statistische Erhebung. 28. Welche Alternativen sieht der Senat zu dem „Ob“ und „Wie“ der geplanten Unterbringung der Sicherungsverwahrten im offenen Vollzug? Zu 28.: Angesichts der gesetzlichen Verpflichtung gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 SVVollzG Bln sieht der Senat keine Alternativen zur Unterbringung von Sicherungsverwahrten im offenen Vollzug im Rahmen der Entlassungsvorbereitung. Die vorgestellten Pläne für die Errichtung eines offenen Vollzuges für Sicherungsverwahrte wurden von den für die Unterbringung und Behandlung von Sicherungsverwahrten befassten Expertinnen und Experten erarbeitet und konzipiert. Sie stellt aus Sicht des Senats aus den zu Frage 9 genannten Gründen die optimalste Möglichkeit zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben dar. Berlin, den 29. März 2019 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung