Drucksache 18 / 18 217 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Czaja (FDP) vom 12. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. März 2019) zum Thema: Aktuelle Situation der Straßenprostitution im Kurfürstenkiez und Antwort vom 29. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Sebastian Czaja (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18217 vom 12. März 2019 über Aktuelle Situation der Straßenprostitution im Kurfürstenkiez ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die aktuellen Entwicklungen und damit einhergehende Begleiterscheinungen der Straßenprostitution im Kurfürstenkiez, gerade unter Berücksichtigung der Straßenzüge: Lützowstraße, Derfflingerstraße, Genthinerstraße, Kluckstraße und Potsdamer Straße? Zu 1.: Nach Einschätzung des Senats ist die Situation im Bereich der Straßenprostitution rund um die Kurfürstenstraße in den letzten Jahren relativ konstant; insofern wird auf die Beantwortung der Schriftlichen Anfragen 17/16192, 18/11152 und 18/18051 verwiesen. Inwiefern sich die Strukturen im Kurfürstenkiez aufgrund geplanter Bauprojekte verändern werden, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Insofern kann hierzu noch keine abschließende Einschätzung getroffen werden. 2. Teilt der Senat die Auffassung der Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, dass allein die Dauer eines Missstandes in all seinen heutigen Erscheinungsformen wie öffentlich stattfindendem Sexualverkehr , Verrichtung öffentlicher Notdurft, Drogenkonsum, extremer Vermüllung und Kriminalität schon seine Existenz rechtfertigt? Zu 2.: Dem Senat ist nicht bekannt, dass die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg diese Auffassung vertritt. 3. Welche Maßnahmen wendet der Senat aktuell an, um die Begleiterscheinungen der Straßenprostitution im Bereich des Kurfürstenkiezes und in den genannten Straßenzügen zu entspannen? - 2 - 2 Zu 3.: Im Bereich der Straßenprostitution rund um die Kurfürstenstraße existieren unterschiedliche niedrigschwellige Angebote verschiedenster Einrichtungen. Hierzu zählt u.a. der von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung finanzierte Frauentreff Olga in der Trägerschaft des Notdienstes für Suchtmittelabhängige und –gefährdete Berlin e.V., der Prostituierten lebenspraktische Hilfen, gesundheitliche Prävention, Krisenintervention und (u.a. aufsuchende) Beratung anbietet. Fußläufig gelegen ist zudem die Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit (STI*/HIV) des Bezirksamts Mitte. Zu den Angeboten dieser Beratungsstelle zählen regelmäßige aufsuchende Sozialarbeit, psychosoziale Beratung in den Räumen des Zentrums sowie ärztliche Untersuchungen, Diagnostik und Therapien bei sexuell übertragbaren Krankheiten. Darüber hinaus bieten u.a. Gangway e.V., eine vor Ort ansässige Kirchengemeinde sowie weltanschauliche Vereine Unterstützung an. Neben diesen beratenden Angeboten erfolgen weitere Maßnahmen: Der Frauentreff Olga führt das Projekt „Nachbarschaft im Kurfürstenkiez“ (2017-2019) durch, das über das Programm Soziale Stadt/Quartiersmanagement Schöneberg-Nord und seit einigen Monaten auch durch das Bezirksamt Mitte gefördert wird. Ziel des Projektes ist ein besseres Miteinander im Kiez rund um die Kurfürstenstraße. Hierfür werden z.B. Anwohnersprechstunden in sozialen Einrichtungen vor Ort angeboten sowie eine Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der im Gebiet ansässigen Einrichtungen für Familien und Kinder zum Thema Umgang mit Straßenprostitution durchgeführt. Die Sexarbeiterinnen wiederum werden für die Belange der sozialen Einrichtungen und Schulen sensibilisiert. So wurden z.B. Piktogramme entwickelt und vor sozialen Einrichtungen und Schulen angebracht , um die Sexarbeiterinnen auf diese Bereiche hinzuweisen. Das Bezirksamt Mitte installierte zudem eine mobile Toilette am Magdeburger Platz und eine weitere vor der Apostelkirche. Die mobilen Toiletten werden gut angenommen und tragen dazu bei, dass die Verschmutzungen im Kurfürstenkiez abnehmen. Zudem finanziert das Bezirksamt Mitte ab dem 1.4.2019 eine Reinigungsleistung aus dem Programm Saubere Stadt für Flächen, die von der BSR nicht gereinigt oder erreicht werden. 4. Welche künftigen Maßnahmen plant der Senat, um die Begleiterscheinungen der Straßenprostitution im Bereich des Kurfürstenkiezes und in den genannten Straßenzügen zu entspannen? Zu 4.: Der Runde Tisch Sexarbeit, der von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg durchgeführt wird, hat sich am 6.3.2019 schwerpunktmäßig mit dem Thema Straßenprostitution befasst. Es werden Handlungsempfehlungen entwickelt, die zu einer Verbesserung für alle Betroffenen führen sollen. 5. Wie und welchem Rahmen tauscht sich das Land Berlin mit anderen deutschen Großstädten über die Straßenprostitution und deren Begleiterscheinungen aus? - 3 - 3 Zu 5.: Das Land Berlin tauscht sich regelmäßig im Rahmen des Bund-Länder-Ausschusses zur Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes, der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend organisiert wird, regelmäßig mit den anderen Bundesländern über verschiedene Aspekte der Prostitution – darunter auch Straßenprostitution – aus. 6. In welchem Rahmen und wie häufig tauscht sich der Senat mit den betroffenen Bezirken Tempelhof- Schöneberg und Mitte zur Straßenprostitution im Kurfürstenkiez aus? Zu 6.: Der landesweite Runde Tisch Sexarbeit, welcher sich im September 2018 konstituiert hat und in regelmäßigen Abständen tagt, sowie die vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg initiierte AG Straßenprostitution stellen den intensiven Austausch zwischen den tangierten Senatsverwaltungen und den Bezirken sicher. 7. Wie und in welchem Rahmen tauscht sich der Senat mit lokalen Bündnissen und Arbeitskreisen, sowie Anlauf- und Beratungsstelle im Kurfürstenkiez aus? Zu 7.: Am Runden Tisch Sexarbeit und in der AG Straßenprostitution sind vor Ort arbeitende Träger wie der o.g. Frauentreff Olga vertreten. Ein enger Austausch besteht ebenfalls zwischen den Bezirken Tempelhof-Schöneberg und Mitte mit den verschiedenen Akteuren vor Ort. 8. Stimmt es, dass die Bezirksämter der beiden Bezirke Tempelhof-Schöneberg und Mitte derzeit Handlungsempfehlungen erarbeiten, um die Begleiterscheinungen der Straßenprostitution im Bereich des Kurfürstenkiezes und in den genannten Straßenzügen zu entspannen? Wenn ja, wann werden diese Handlungsempfehlungen veröffentlicht? Wie und in welchem Umfang werden diese Handlungsempfehlungen umgesetzt? Zu 8.: Im Rahmen des Runden Tisches Sexarbeit werden entsprechende Maßnahmen diskutiert und Handlungsempfehlungen entwickelt. Die Protokolle der Sitzungen des Runden Tisches können auf folgender Internetseite abgerufen werden: https://www.berlin.de/batempelhof -schoeneberg/politik-und-verwaltung/runder-tisch-sexarbeit/ 9. Wie bewertet der Senat grundsätzlich die Anwendung der gesetzlichen Regelungen zur Straßenprostitution im Kurfürstenkiez? Zu 9.: Die Ausübung der Straßenprostitution unterliegt grundsätzlich keinen gesonderten gesetzlichen Regelungen. Allgemeine gesetzliche Regelungen werden von den zuständigen Behörden konsequent angewendet. - 4 - 4 10. Wie bewertet der Senat die Errichtung eines geordneten Straßenstriches in einem Bereich ohne Schulen , Kindertagesstätten, Spielplätzen und Jugendeinrichtungen? 11. Wie bewertet der Senat den Erlass einer Sperrgebietsverordnung für das Land Berlin und besonders für den Kurfürstenkiez, unter Berücksichtigung der Straßenzüge: Lützowstraße, Derfflingerstraße, Genthinerstraße , Kluckstraße und Potsdamer Straße? Falls nein, was sind die Gründe für diesen Standpunkt? Zu 10. und 11.: Eine entsprechende Verordnung würde nach Einschätzung des Senats lediglich zu einer zeitlichen oder räumlichen Verlagerung in die anliegenden Straßenzüge oder in andere Bezirke führen. Eine wirkliche Entlastung wäre dadurch nicht zu erwarten. Der Senat setzt daher weiterhin auf Maßnahmen für eine verträgliche Koexistenz von Anwohnerschaft, Gewerbetreibenden und der Straßenprostitution, die gemeinsam mit den Beteiligten (weiter -)entwickelt werden. 12. Wenn eine Sperrgebietsverordnung nicht beabsichtigt ist, wie gedenkt der Senat dem Abstandsgebot gemäß § 184g StGB Rechnung zu tragen? Zu 12.: Die Polizei Berlin ist in diesem Bereich schon seit Jahren nicht nur repressiv, sondern auch präventiv tätig. Des Weiteren gibt es Treffen der Fachgruppe „Kurfürstenkiez“, die sich aus Vertretenden der vor Ort tätigen Vereine und weiteren Organisationen zusammensetzt . Dieses Gremium dient dem gegenseitigen Informationsaustausch und sucht bei aufkommenden Problemen im Kiez nach gemeinsamen Lösungsansätzen. Das Sicherheitsgefühl von Anwohnenden, Passanten, Touristen, homosexuellen Szenegängern sowie Gewerbe- und Lokalbetreibenden soll durch die Maßnahmen gesteigert werden. Neben den Gesprächen mit den Prostituierten wurden die bereits genannten Piktogramme entwickelt, um die Abstandsbereiche auch visuell zu kennzeichnen. Bei Bekanntwerden von Verstößen gegen §184g StGB werden entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet und bei der Polizei Berlin bearbeitet, zudem erfolgen bei Antreffen von Prostituierten temporäre Wegweisungen gemäß § 29 ASOG. 13. Wie gewährleistet der Senat den effektiven Schutz der Kinder, Schüler, Anwohner, vor den negativen Auswirkungen der Prostitution, das heißt, die Einhaltung des öffentlichen Anstandes und des Kinderund Jugendschutzes? Zu 13.: Die Ausübung der Prostitution selbst stellt keinen strafbewehrten Tatbestand dar. Gegenstand der polizeilichen Maßnahmen ist nicht die Prostitution an sich, sondern die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Der Bereich Kurfürstenstraße wird daher im Rahmen des Täglichen Dienstes durch Dienstkräfte der örtlich zuständigen Polizeiabschnitte 34 und 41 bestreift. Hierbei werden auch die o.g. Abstandsbereiche überwacht. 14. Wie viele Anmeldebescheinigungen sind seit Inkrafttreten des ProstSchG für selbständige Prostituierte ausgestellt worden und wie viele ausländische Staatsangehörige waren darunter, die nicht freizügigkeitsberechtigt sind? (bitte nach Länderangabe auflisten) - 5 - 5 Zu 14.: Zum Stichtag 18.03.2019 wurden 1100 Bescheinigungen durch Probea, die beim Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg angesiedelte Stelle zur Anmeldung und Beratung nach dem Prostituiertenschutzgesetz, ausgestellt. Es wird nicht erhoben, ob selbstständig gearbeitet wird. Die Bescheinigung über die Anmeldung kann nur ausgestellt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass nicht freizügigkeitsberechtigte Personen berechtigt sind, eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit in Deutschland auszuüben. Probea erhebt keine Daten darüber, welchen Aufenthaltsstatus Personen haben, die ihre Tätigkeit als Prostituierte anmelden möchten. 15. Wie viele Anträge sind aufgrund § 5 Abs. 2 ProstSchG abgelehnt worden? Zu 15.: Bislang ist noch kein Antrag auf Anmeldung abschließend versagt worden. 16. Wie viele Aliasbescheinigungen wurden bisher ausgestellt worden? Zu 16.: Es wurden 935 Aliasbescheinigungen ausgestellt. 17. Wie viele selbständige Prostituierte sind bei den Finanzämtern bisher erfasst? (Stichtag 28.02.2019) und gibt es für Selbstständige eine pauschale Regelung vergleichbar mit den Prostituierten in einem Beschäftigungsverhältnis ? Zu 17.: Die Berliner Steuerverwaltung erfasst Unternehmerinnen und Unternehmer mit der von ihnen angemeldeten Tätigkeit. Dieser Tätigkeit wird eine Gewerbekennzahl aus einem vorgegebenen Katalog zugeordnet. Auch Prostituierte werden auf diese Art und Weise erfasst. Auf den Stichtag 28.02.2019 sind unter der für diese Tätigkeit vorgesehenen Gewerbekennzahl 625 Unternehmerinnen und Unternehmer erfasst. Melden sich Prostituierten jedoch unter einer anderen Bezeichnung an (z.B. Tänzerin, Masseurin), dann sind sie nicht in der genannten Zahl erfasst. Die Berliner Steuerverwaltung hat Anfang 2007 das sog. Düsseldorfer Verfahren eingeführt . Das Düsseldorfer Verfahren kann von den Prostituierten auf freiwilliger Basis genutzt werden und dient der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Es sieht die Erhebung einer pauschalen Zahlung ähnlich einer Vorauszahlung vor. 18. Sind bisher Kontrollen über die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen der Prostituierten im Bereich Tiergarten/Schöneberg durchgeführt worden und mit welchen Erkenntnissen? Ist vom Senat geklärt, welche Aufgaben in die Zuständigkeit der Polizei und welche in die Zuständigkeit der Ordnungsämter fallen ? Sofern Kontrollen vorgesehen sind: wie sieht das Kontrollmanagement im Einzelnen aus? - 6 - 6 Zu 18.: Seit dem 01. Juli 2017 gilt das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) und damit unterliegen die Prostituierten entsprechenden Anmelde- und Beratungsverfahren sowie der Legitimierung mittels eines für sie ausgestellten Ausweispapiers. Diese Regelung gilt grundsätzlich auch für Prostituierte in der Straßenprostitution. Für die Ausstellung derartiger Ausweispapiere und für die Anmelde- und Beratungsverfahren in Berlin ist stadtweit das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg zuständig. Kontrollen nach dem ProstSchG im Bereich des Kurfürstenkiezes erfolgen durch die Polizei Berlin bisher nicht. Kontrollmaßnahmen im Bereich des Kurfürstenkiezes richten sich ausschließlich nach den Vorschriften der Strafprozessordung (StPO) bzw. nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG). Bezüglich der Zuständigkeiten im Rahmen der Umsetzung des ProstSchG finden fortlaufend Abstimmungen zwischen den beteiligten Senatsverwaltungen sowie den Bezirksämtern statt. Berlin, den 29. März 2019 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung