Drucksache 18 / 18 220 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sebastian Walter und Anja Kofbinger (GRÜNE) vom 14. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. März 2019) zum Thema: Die Ansprechpersonen für Diversity und sexuelle Vielfalt an den Berliner Schulen und Antwort vom 28. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Sebastian Walter und Frau Abgeordnete Anja Kofbinger (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18220 vom 14. März 2019 über Die Ansprechpersonen für Diversity und sexuelle Vielfalt an den Berliner Schulen ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.) Wie schätzt der Senat die Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter* und queeren Jugendlichen an den Berliner Schulen ein? Zu 1.: Die Situation von LSBTIQ Jugendlichen an den Berliner Schulen kann hier nicht umfassend bewertet werden. Die Studie „Coming Out – und dann…?!“ des Deutschen Jugendinstituts aus dem Jahr 2015 (https://www.dji.de/index.php?id=43969) belegt, dass insgesamt acht von zehn befragten LSBT Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Zugehörigkeit Diskriminierung erfahren haben. Der Senat beobachtet, dass der Fortbildungsbedarf von pädagogischen Fachkräften bzgl. sexueller und geschlechtlicher Vielfalt weiterhin hoch ist. Die hohe Nachfrage bzgl. Fortbildungen und Beratungen bei den relevanten Bildungsträgern und in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zeigt, dass der Wunsch nach Professionalisierung im Themenbereich gegeben ist. Von den Peer-Projekten für Jugendliche und von Kontaktpersonen in den Schulen wird berichtet, dass insbesondere die Unterstützung von transgeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen ein wichtiges Thema für Schulen ist. 2.) Sind an allen öffentlichen Schulen in Berlin Ansprechpersonen für Diversity und sexuelle Vielfalt benannt? Bitte den Umsetzungsstand nach Bezirken und Schultyp aufschlüsseln und beziffern. 3.) Wie bewertet der Senat die Arbeit der Ansprechpersonen an den Berliner Schulen? 2 Zu 2. und 3.: Zum Umsetzungsstand an den Schulen beachten Sie bitte die Anlage Tabelle 1. Aktive Ansprech- bzw. Kontaktpersonen haben in der Regel mindestens eine Fortbildung (= Fachgespräch) besucht. Dies trifft auf 62 % der Kontaktpersonen zu. Es gibt keine systematische Rückmeldung von den Schulen über die Arbeit der Kontaktpersonen . Die aktiven Ansprechpersonen an den Schulen bewirken im besten Fall Sichtbarkeit von LSBTIQ* an den Schulen. Aus den Fachgesprächen wurde von folgenden Aktivitäten berichtet: AG-Gründungen (für Vielfalt – gegen Diskriminierung, Respekt, Gay-Straight-Alliances, o.ä.), Projekte und Projekttage, Plakataktionen, Bereitstellen von Materialien im Kollegiums-Zimmer, Einrichtung von Unisex-Toiletten an der Schule, Hinweisen auf gendersensible bzw. diskriminierungsfreie Sprache, Information des Kollegiums über Fortbildungen, Anpassung von Schulordnungen und Anstoßen von Schulentwicklungsmaßnahmen. Einige Kontaktpersonen bieten Beratungszeit an und thematisieren auf Konferenzen z. B. den Umgang mit Beschimpfungen oder informieren über das Konzept der „Schule der Vielfalt“. 4.) Welche Kriterien müssen pädagogische Fachkräfte erfüllen, wenn sie sich als Ansprechpersonen engagieren wollen? Wie erfolgt die Auswahl/Benennung an den Schulen? Zu 4.: Die Auswahl/Benennung erfolgt in Eigenverantwortung der Schulen auf freiwilliger Basis. Grundsätzlich werden keine Anforderungen gestellt, da eine Qualifizierung vorgesehen ist. 5.) Wie erfolgt die Qualifizierung der Ansprechpersonen? Wie viele der benannten Ansprechpersonen für Diversity und sexuelle Vielfalt haben an entsprechenden Fortbildungen oder Qualifizierungsmaßnahmen zur Ausübung der Tätigkeit bislang teilgenommen (Stand: 01.03.2019)? Erhalten die Ansprechpersonen dafür Freistellungen oder andere unterstützende bzw. ausgleichende Maßnahmen? Zu 5.: Den Kontaktpersonen wird eine Folge von vier Fachgesprächen von der Fachstelle Queere Bildung angeboten. Diese und weitere thematische Veranstaltungen werden im Rahmen der regionalen Fortbildung organisiert. Bei Bedarf können die Kontaktpersonen für die Fortbildungen von den Schulen freigestellt werden. An einigen Schulen wird die Aufgabe von mehreren Personen übernommen. Bzgl. der Teilnahmezahlen an den angebotenen Fortbildungen wird auf Anlage 1 Tabelle 1 verwiesen. 6.) Welche Ressourcen (Zeit, Räume, Aushänge, Materialien, Netzwerkarbeit, etc.) stehen den Ansprechpersonen innerhalb und außerhalb der Schulen in welchem Umfang für ihre Arbeit zur Verfügung ? Ist dies schulabhängig oder gilt dies berlinweit? 7.) Welche Möglichkeiten zur Entlastung der Ansprechpersonen im Schulalltag gibt es? Zu 6. und 7.: Die Bereitstellung von Ressourcen und Entlastungen erfolgen in Eigenverantwortung der Schulen und sind im Rahmen schulorganisatorischer Maßnahmen möglich, ob- 3 liegen aber jeder Schule selbst. Insofern Mitarbeitende der Schulsozialarbeit die Aufgaben wahrnehmen, verfügen diese in der Regel über Räume. 8.) Sind dem Senat sich am Konzept der Ansprechpersonen für Diversity und sexuelle Vielfalt orientierende oder andere Initiativen der Schulen in freier Trägerschaft zur Unterstützung von LSBTIQ- Jugendlichen bekannt? Falls ja, bitte im Detail erläutern. Falls nein, gibt es Überlegungen, wie diese auch an den Schulen in freier Trägerschaft etabliert werden können? Zu 8.: Auf Konzepte der Kontakt- bzw. Ansprechpersonen für sexuelle Vielfalt und Diversity werden die Träger der Schulen in freier Trägerschaft im Rahmen von Konferenzen hingewiesen. Dem Senat sind einzelne Initiativen bekannt wie z. B. die Entwicklung einer Diversity-Strategie der Evangelischen Schulstiftung: https://www.schulstiftungekbo .de/projekte/schulentwicklung/diversity/. In diesem Rahmen werden auch regelmäßige Fachtage unter Beteiligung von Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Einige Lehrkräfte von Schulen in freier Trägerschaft nehmen auch an Fortbildungen für Kontaktpersonen teil. 9.) Mit welchen Mitteln und durch welche Instrumente werden die Funktion sowie das Angebot der Ansprechpersonen für Diversity und sexuelle Vielfalt gegenüber Schüler*innen, Kollegium und Eltern erklärt und bekannt gemacht? Wie wird die Arbeit der Ansprechpersonen in der Unterrichts- und Schulentwicklung implementiert? Zu 9.: Es gibt keine systematische Rückmeldung von den Schulen über die Arbeit der Kontaktpersonen . Laut Berichten der Kontaktpersonen in den Fortbildungen stellen einige ihre Arbeit z. B. in Konferenzen (Gesamtkonferenz, Fachkonferenz, Gesamtelternvertretung , Gesamtschülerinnen- und Gesamtschülervertretung, u. a.) vor, erhalten zum Teil eine Aushangmöglichkeit im Schulgebäude oder eine spezielle E- Mailadresse, machen ihre Arbeit auf der Schulwebsite bekannt. Einige Kontaktpersonen sind Mitglieder des schulischen Beratungs- oder Krisenteams. 10.) Auf welche Weise unterstützt die Schulverwaltung Ansprechpersonen bei der Ausübung ihrer Funktion? Welche Maßnahmen gibt es, um weitere pädagogische Fachkräfte für die Aufgabe als Ansprechpersonen zu interessieren und zu gewinnen? Welche Vernetzungs- und Austauschmöglichkeiten zwischen den Ansprechpersonen bestehen derzeit? Zu 10.: Zusätzlich zur Einrichtung der Ansprech- bzw. Kontaktpersonen wurde ein Bildungsträger mit der Koordination und Qualifizierung beauftragt. Diese werden aktuell von der Fachstelle Queere Bildung umgesetzt, die Anfang des Jahres 2019 eingerichtet worden ist. Die Fachstelle versendet regelmäßig Newsletter und bietet Vernetzungsmöglichkeiten an. 11.) Wie werden Quereinsteiger*innen für die Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sensibilisiert ? Welche Fortbildungsmöglichkeiten stehen ihnen für diese Themenfelder zur Verfügung? 4 Zu 11.: Bildung zu Akzeptanz von Vielfalt stellt in allen Phasen der Lehrkräfteausbildung ein zentrales Querschnittsthema dar. Dazu gehört auch das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Insbesondere wird dieser Themenkomplex im Zusammenhang mit der Rollenfindung und Arbeit an der eigenen Haltung als Lehrkraft thematisiert. Sexuelle Vielfalt und Diversity sind gemäß „Handbuch Vorbereitungsdienst“ mögliche Inhalte des Pflichtbausteins 1 Entwicklung im Modul „Erziehen und Innovieren“. 12.) Welchen Zusammenhang sieht der Senat zwischen dem Landesprogramm Diversity und den Ansprechpersonen zu Diskriminierungsmerkmalen in Schulen? Zu 12.: Das Diversity-Landesprogramm, die in Arbeit befindliche Antidiskriminierungsstrategie der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie mit den einzelnen Maßnahmen sowie weitere Landesprogramme und Aktionspläne gegen Diskriminierung sollten unbedingt im Zusammenhang gesehen werden. Landesprogramm und Aktionspläne bilden einen Rahmen für ressortspezifische Entscheidungen. 13.) Ist geplant, die Zuständigkeiten der Ansprechpersonen auf weitere Diskriminierungsmerkmale auszubauen? Welches Verständnis hat der Senat in diesem Zusammenhang von intersektionaler Bildungsarbeit und wie unterstützt er diese? Zu 13.: Die genauen Zuständigkeiten der Kontaktpersonen werden in Eigenverantwortung der Schulen prozesshaft vor Ort entwickelt. Dies kann bei entsprechender Qualifikation auch eine intersektionale Zugangsweise beinhalten. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie arbeitet aktuell an einer Antidiskriminierungsstrategie. In diesem Rahmen wird auch eine systematische Erweiterung oder Verknüpfung von Zuständigkeiten der in Schulen tätigen Personen geprüft. Menschen erfahren Benachteiligungen aus den unterschiedlichsten Gründen. Sie werden aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten Identitätsmerkmale wie Geschlecht , sexuelle Orientierung, Nationalität, Religion, Sprache, politische Anschauung , soziale Herkunft oder Alter abgewertet. Intersektionale Bildungsarbeit versucht diese Merkmale in ihrer Verwobenheit sowie Diskriminierungen und Machtstrukturen sichtbar und bewusst zu machen. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie fördert sowohl Projekte, die merkmalsbezogen arbeiten, als auch solche, die intersektionale Bildungsarbeit machen. Berlin, 28. März 2019 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Anlage 1 Schriftliche Anfrage Nr. 18/18220 Sen BJF II A 2.1 zu 2 und 3) bzw. 5): Ansprech-/Kontaktpersonen für sexuelle Vielfalt und Diversity in Berlin (nur öffentliche Schulen) Bezirk Anzahl der Schulen Grund-schulen* mit KP ISS* mit KP Gymnasien mit KP berufl./zentr. verw. Sch. mit KP eine Fortbildung mehr als eine Fortbildung 01 Mitte 35 31 11 10 02 Fried.-Kberg 33 33 11 19 03 Pankow 46 43 21 17 04 Charl.-Wilm. 31 29 8 13 05 Spandau 31 27 7 7 06 Stg.-Zehl. 35 32 5 11 07 Tph.-Sch. 35 35 15 8 08 Neukölln 42 38 12 13 09 Trept.-Köp. 30 30 9 10 10 Marz-Hell. 30 29 13 6 11 Lichtenberg 32 30 6 8 12 Reinickendorf 37 35 12 4 Summe 417 392 130 126 01 Mitte 9 7 5 0 02 Fried.-Kberg 10 9 3 6 03 Pankow 11 11 2 10 04 Charl.-Wilm. 7 7 1 6 05 Spandau 9 7 1 9 06 Stg.-Zehl. 9 7 0 5 07 Tph.-Sch. 12 11 1 8 08 Neukölln 12 11 4 6 09 Trept.-Köp. 9 8 4 2 10 Marz-Hell. 10 10 2 6 11 Lichtenberg 10 10 5 2 12 Reinickendorf 11 11 5 4 Summe 119 109 33 64 01 Mitte 7 7 2 5 02 Fried.-Kberg 7 6 1 5 03 Pankow 8 7 0 7 04 Charl.-Wilm. 12 12 4 8 05 Spandau 5 5 3 2 06 Stg.-Zehl. 13 13 6 3 07 Tph.-Sch. 9 9 4 3 08 Neukölln 6 6 0 6 09 Trept.-Köp. 7 7 2 4 10 Marz-Hell. 5 5 2 3 11 Lichtenberg 5 5 1 1 12 Reinickendorf 8 8 6 2 Summe 92 90 31 49 01 Mitte 5 4 3 2 02 Fried.-Kberg 5 5 0 3 03 Pankow 8 7 2 4 04 Charl.-Wilm. 9 8 2 4 05 Spandau 2 2 1 2 06 Stg.-Zehl. 4 4 0 3 07 Tph.-Sch. 3 3 1 1 08 Neukölln 4 4 2 4 09 Trept.-Köp. 1 1 0 1 10 Marz-Hell. 3 3 1 1 11 Lichtenberg 4 2 3 2 12 Reinickendorf 3 2 0 1 Summe 51 45 15 28 Gesamtzahlen 679 392 109 90 45 418 534 KP = Kontaktperson; ISS = Integrierte Sekundarschule; berufl-/zentral.verw.Sch. = berufliche und zentrale verwaltete Schulen Grundschulen* = Grundschulen sowie Schulen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Gesamtschulen ISS* = ISS sowie Gemeinschaftsschulen, die nicht unter Grundschulen gezählt werden Teilnahme an Fortbildungen